Düsseldorf. Düsseldorf erlebt eine der größten Demonstrationen seiner Geschichte – ein Zeichen gegen Rassismus und die AfD. Wie eine Familie den Tag erlebte.
Am Ende ist es dann doch nicht so dramatisch, dass der Bus es nicht rechtzeitig zum Hauptbahnhof in Düsseldorf geschafft hat. Die Einschränkungen in Verkehr waren schließlich im Vorfeld der Anti-AfD-Demonstration angekündigt worden, die an diesem Samstag in Düsseldorf stattfand. Und außerdem geht es einfach nicht los. Angekündigt war der Start des Protestzuges um 12 Uhr – eine Stunde später stehen immer noch tausende Teilnehmende am Startpunkt in der Friedrich-Ebert-Straße nahe dem Hauptbahnhof.
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Mega-Demo in Düsseldorf: Gegen Rassismus, Rechts und die AfD
Unter ihnen befinden sich Lennart Zeier, sein Vater Carsten und dessen Lebensgefährtin Annette Weh. Die Familie hat sich, wie so viele andere, dazu entscheiden, ein Zeichen setzten zu wollen – gegen Rassismus, Rechtsextremismus und gegen die AfD. Selbstredend steht die Partei nicht erst seit den Correctiv-Recherchen in der Kritik. Im Licht dieser neusten Enthüllungen, füllen nun aber Hunderttausende die Straßen Deutschlands, um gegen die Partei Stellung zu beziehen.
Für Lennart Zeier ist der Gang zur Demo gar nichts so Besonderes, auch wenn der 25-jährige Pflegeschüler betont „das hier ist auf jeden Fall die größte, an der ich bisher teilgenommen habe“. Für seinen Vater liegt die Situation nochmal anders. „Das hier hat ganz andere Dimensionen als die letzte Demo, auf der ich war“, erzählt Carsten Zeier. „Das war damals eine Lichterkette gegen den Irakkrieg.“ Auch für dessen Lebensgefährtin ist es das erste Mal seit Jahren, dass sie zu einer Protest-Veranstaltung gekommen ist.
„Es ist schon imposant zu sehen, wie viele hier sind“, sagt Annette Weh und lässt den Blick über die Versammelten schweifen. Der Start des Protestzuges sei bereits unterwegs, hört man zwischenzeitlich. Hier allerdings warten die Menschen noch darauf, dass Bewegung in die Masse kommt. „Der Weg ist das Ziel“, hört man mehrfach aus verschiedenen Gruppen. Es bleibt Zeit, sich schnell noch einen Kaffee zu holen und mit anderen ins Gespräch zu kommen.
„Nie wieder ist jetzt“: Nur einer von vielen Slogans auf der Düsseldorfer Anti-AfD-Demo
Für die Wartezeit läuft aber immerhin Live-Musik. Der Rapper JayJay, bürgerlich Jason Firchow, macht von der Ladefläche eines Transporters aus Stimmung für die Wartenden. Vom Text versteht man über den Lärm der Menge hinweg zwar nur Fetzen, aber regelmäßig brandet Jubel auf. „Das hat ein bisschen was von Karneval – nur ohne Kostüme“, sagt Annette und blickt dabei auch auf die unzähligen einfallsreichen Plakate der Teilnehmenden. „Da waren wir nicht ganz so kreativ“, sagt sie schmunzelnd und blickt auf das Banner, das die Familie mitgebracht hat. „Nie wieder ist jetzt“ steht dort. In den Ecken sind kleine Regenbogen gemalt.
Dann geht es los. Zunächst stockend, später dann immer schneller, als sich die Menschenmassen vom Bahnhof aus durch die Innenstadt hin zu den Rheinwiesen bewegen, auf denen die abschließenden Kundgebungen angesetzt sind – ebenso wie ein Auftritt der Düsseldorfer Punk-Band Broilers. Unterwegs zeigt sich, dass wohl um einiges mehr Menschen, als die ursprünglich geplanten 30.000, teilnehmen. Aus der ganzen Stadt seien Menschen zum Protestzug gestoßen. Zehntausende. Eine Nachricht, welche die lange Wartezeit erklärt.
Demonstration in Düsseldorf: Buntes Protest-Bündnis mobilisiert Zehntausende
Unterwegs wird Musik gespielt, immer wieder werden Sprechchöre laut, die mal mehr, mal weniger Anklang finden. Die Stimmung ist gut, teils ausgelassen. Trotz oder vielleicht gerade wegen der sehr durchmischten Personengruppen, die unterwegs sind. Regenbogenflaggen wehen neben „Black Lives Matter“-Bannern, daneben Gewerkschaften, Parteien und Bürgerinitiativen. Auf einigen „Nie wieder ist jetzt“-Plakaten werden mit Davidssternen an die Verbrechen der NS-Diktatur erinnert. Ab und an weht auch eine Palästina-Flagge, während hunderte, wenn nicht sogar tausende Plakate die AfD mit oft drastischen Worten verurteilen.
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Zwischendurch kommt die Meldung, dass vorsichtige Schätzungen von 50.000 Teilnehmenden ausgehen. Gefühlt sind es mehr, gerade als die drei von der Rheinkniebrücke aus, den zentralen Kundgebungsplatz auf den Rheinwiesen erblicken. Dort wurden bereits viele der Reden gehalten, vereinzelt treten manche schon den Heimweg an, um dem sicher noch kommenden Verkehrschaos zu entfliehen. Lennart, Carsten und Annette atmen erstmal durch und bleiben im Schatten der Brücke stehen, während sie den Redebeiträgen lauschen. Dann kommt die große Nachricht: 100.000 Teilnehmende meldet die Polizei auf den Rheinwiesen. 65.000 waren beim Protestzug mit dabei. Jubel bei den Versammelten.
100.000 Teilnehmende bei Demo gegen Rechts in Düsseldorf: „Es ist unglaublich“
„Es ist unglaublich“, sagt Annette. Der Tag war lang, erschöpfend, aber es hat sich gelohnt. Auch die drei wollen sich bald auf den Weg machen. „Wer weiß, wie lange es dauert, bis wir daheim sind“, gibt Lennart zu bedenken. Das endgültige Fazit verschiebt sich also noch ein bisschen. Wir verabreden uns, später nochmal zu telefonieren, wenn sich das Erlebte etwas gesetzt hat.
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Da zeigt sich, die Rückfahrt war um einiges entspannter, als erwartet. Voll natürlich. Aber erneut eine Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen. „Es war wirklich toll, das mit den anderen Leuten zu erleben und sich auszutauschen“, erzählt Lennart am Telefon. Carsten ergänzt: „Die Leute waren motiviert, es waren Familien mit Kindern da, die super stolz auf ihre Plakate waren.“ Alle seien übereingekommen, dass der Tag ein wichtiges Signal war – „etwas Großes“, sagt Carsten–, aber noch lange nicht das Ende. Das sei auch eines der Themen gewesen, über das sie am Abend noch oft gesprochen hätten.
Düsseldorf als Anfang: Engagement soll nicht nach einer Demo enden
Denn in einem sind sich die drei aber sicher, bemühen will man sich weiterhin. Wie genau langfristiges Engagement aussehen könnte, dass wissen sie noch nicht. Das sei allerdings Thema. Jetzt wollen sie den Tag erstmal in Ruhe verarbeiten. Lennart hat aber bereits die nächsten Demo-Termine im Kopf.