Washington. Sexismus und übergriffiges Verhalten könnten auch für Männer Gründe sein, Trump kritisch zu sehen. Doch die Umfragen zeigen Erstaunliches.
Michelle Obama, Talkshow-Queen Oprah Winfrey, die frühere Außenministerin Hillary Clinton, die Hollywood-Schauspielerinnen Eva Longoria und Kerry Washington, die Pop-Stars Pink und „The Chicks“ – bei Kamala Harris stand der Krönungsparteitag in Chicago ganz im Zeichen von und für Frauen.
Dagegen spielte Donald Trump zuvor in Milwaukee auf einer strikt männlichen Klaviatur. Neben dem Senioren-Wrestler Hulk Hogan, dem Kampfsport-Impressario Dana White und dem Kirmes-Rapper Kid Rock appellierten auch andere Acts zu den Klängen des James-Brown-Hits „It‘s a Man‘s Man‘s Man‘s World“ an den laut Trump angeblich in seiner Existenz bedrohten weißen Mann.
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US-Wahl 2024: Krieg der Geschlechter im Präsidentschaftswahlkampf
Dass die Geschlechter-Frage in diesem US-Präsidentschaftswahlkampf eine noch größere Rolle als sonst beanspruchen würde, war also schon bei den Parteitagen im Sommer erkennbar. Die stereotype Herangehensweise spiegelt sich auch in den Umfragen. Stichwort „gender gap”. Zu Deutsch: Geschlechtergefälle. Es wird immer größer.
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Frauen, vor allem jüngere, vor allem solche mit besserem Bildungshintergrund sowie Latinas und Afro-Amerikanerinnen fühlen sich nach Analysen der Meinungsforschung eindeutig stärker zu Harris hingezogen. Amtsinhaber Joe Biden hatte hier 2020 einen Vorsprung vor Trump von zwölf Prozentpunkten. Bei Harris ist es noch erheblich mehr geworden, Tendenz steigend. Männer, gerade jüngere Weiße ohne College-Ausbildung, aber auch Hispanics und junge Schwarze tendieren hingegen verstärkt zu Trump.
US-Wahlkampf: Harris überzeugt vor allem Frauen, Männer halten zu Trump
In Zahlen wird die Wucht der getrennten Wahrnehmungen besonders deutlich. So führt der Zahlenfuchs des Senders MSNBC, Steve Kornacki, aus, dass Harris bei Frauen mit 21 Prozentpunkten vor Trump liegt. Der Ex-Präsident führt dagegen bei Männern mit zwölf Prozentpunkten. So ein „ausgeprägtes Geschlechtergefälle“ habe es schon lange nicht mehr gegeben, sagt Kornacki, „das ist wirklich enorm.“
Analysten in Washington bieten verschiedene Erklärungsmuster an. Da ist zunächst der stark polarisierende Auftritt Trumps, der in der Vergangenheit mit sexistischen, frauenfeindlichen Äußerungen weibliche Wähler abgeschreckt hat. Er nannte den Porno-Star Stormy Daniels, mit der er eine inzwischen rechtskundig gewordene Affäre gehabt haben soll, „Pferdegesicht“. Seine republikanische Konkurrentin in den Vorwahlen, Nikki Haley, bedachte er mit dem Etikett „Spatzenhirn“.
Trumps Attacken gegen Frauen gehen häufig unter die Gürtellinie
Kamala Harris musste sich seit Antritt ihrer Kandidatur mehrfach anhören, sie sei „von Geburt an geistesgestört“ und habe sich bei ihrem Aufstieg zur kalifornischen Justizministerin „hochgeschlafen“. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 befand eine Geschworenen-Jury Trump für schuldig, die Ratgeberkolumnistin E. Jean Carroll vor 30 Jahren in einem Kaufhaus in Manhattan sexuell missbraucht und diffamiert zu haben. Trump ist zu Zahlungen von über 90 Millionen Dollar verurteilt worden, ging aber in Berufung.
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Das und Trumps Eiertanz beim Thema Abtreibung, wo er mal radikalen Verboten, dann wieder liberal-mehrheitsfähigen Lockerungen das Wort redet, stoße viele Wählerinnen „massiv ab“. In einer kürzlich vom „Wall Street Journal“ durchgeführten Umfrage in den sieben umkämpften Bundesstaaten gaben 27 Prozent der Frauen – aber nur 8 Prozent der Männer – an, dass das Thema Abtreibung für sie der wichtigste Wahl-Aspekt sei.
US-Wahl: Trump appelliert an desorientierte Männer
Dabei wird in der weiblichen Wählerschaft offenbar goutiert, dass Harris – obwohl die erste farbige Frau in diese Rolle – im Wahlkampf allzu aufdringliche Hinweise auf ihr Geschlecht oder ihre Rasse vermeidet; ganz im Gegensatz zu ihrer einzigen Vorgängerin Hillary Clinton, die oft demonstrativ die weiße Suffragetten-Uniform anzog.
Im Umkehrschuss: Der Machismo, den Trump gerade bei Kundgebungen kultiviert, wo er häufig mit Gewalt gegen Andersdenkende liebäugelt und die Todesstrafe für Drogendealer und Polizistenmörder verlangt, „fällt bei jungen Latino-Männern und Schwarzen, die sich benachteiligt, entwurzelt und desorientiert fühlen, auf fruchtbaren Boden“, wie Forscher der George Mason-Universität in Washington herausgefunden haben. Trump schwingt sich zum Sachwalter derer auf, die sich zu den Zukurzgekommenen zählen, die Probleme damit haben, dass von Schule bis Beruf zunehmend Chancengleichheit praktiziert wird und die sich darüber in ihrem männlichen Stolz verletzt sehen.
Kurz vor der Wahl versuchen Harris und Trump auch das jeweils andere Geschlecht zu erreichen
Kamala Harris hingegen personifiziert für viele Wählerinnen das Bild einer Pionierin, die sich anschickt, die berühmte Glasdecke zu durchbrechen, schließlich gab es noch nie eine US-Präsidentin. Sie tritt tough und charmant auf, ließ sich von Trump bei der TV-Debatte nicht die Butter vom Brot nehmen und vertritt konsequent feminine Anliegen vertritt. Allen voran das durch den von Trump konservativ deformierten Supreme Court geschredderte Recht auf Schwangerschaftsabbruch.
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Harris wird hier als glaubwürdige Fürsprecherin gesehen, Trump als Wackelkandidat, dem man zutraut, trotz gegenteiliger Beteuerungen am Ende ein nationales Abtreibungsverbot mit seiner Unterschrift abzusegnen, wenn der Kongress ihm ein entsprechendes Gesetz vorlegen sollte.
In den letzten Tagen vor der US-Wahl versuchen beide Lager, die Kluft zwischen den Geschlechtern zu schließen. Harris bietet jungen Männern Unternehmenskredite, Berufsausbildung und Gesundheitsinitiativen an. Trump stellt sich Frauen als ihr „Beschützer“ vor und nennt die Abtreibungsgesetze in einigen Bundesstaaten „viel zu hart“.
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