Berlin. US-Wahlkampfexperte Julius van de Laar über Kamala Harris‘ neue Strategie und die Frage, wie nützlich Elon Musk für Donald Trump ist.
Es bewegt sich kaum etwas in den Umfragen. Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris sucht eine neue Strategie. US-Wahlkampfexperte Julius van de Laar erklärt, warum die angespannte Lage in der Welt Donald Trump Aufwind verschafft.
Was sagen die Umfragen über den Stand im US-Wahlkampf?
Julius van de Laar: Der Wahlkampf wirkt quasi eingefroren. Das Momentum, das Kamala Harris über den Sommer hatte, scheint evaporiert. Trump hingegen hat nach den Anlaufschwierigkeiten sich zunehmend auf Harris eingeschossen und zumindest in Teilen seine Botschaft gefunden.
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Was heißt das?
van de Laar: Jedes Mal, wenn wir Chaos in der Welt sehen, hilft es Trump. Trump macht das Argument, dass während seiner vier Jahre im Amt Amerika stark und die Welt (dank seiner Stärke) ein sicherer und stabiler Ort war. Heute herrscht Krieg in der Ukraine, Nahost ist ein Pulverfass, das droht zum Flächenbrand zu werden, und die Spannungen mit China weiten sich aus. Und dann gibt es auch noch Chaos zu Hause in Amerika – in North Carolina und Georgia mit den Hurrikans, die dort in einer Wucht ankamen und ankommen, die so noch niemand gesehen hat. Jedes Mal wird dann Richtung Joe Biden und Kamala Harris gezeigt, und Trump sagt: „Die Amtsinhaber sind schwach und haben die Weltlage nicht im Griff.“
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Bleiben wir bei den Hurrikans: Kann das Wetterchaos in den USA die Wahl beeinflussen?
van de Laar: Der Commander-in-Chief ist verantwortlich auf nationaler Ebene – das ist Joe Biden, deshalb sagte er auch seine Deutschlandreise ab. Auf Ebene der Bundesstaaten sind es die Gouverneure. Beide tun aus objektiver Perspektive alles dafür, um das Leid zu lindern und der Bevölkerung zu helfen. Trump will das Chaos aber in politisches Kapital verwandeln. Er wirft Biden und Harris vor, nicht genug für die Menschen in Not zu tun – dass Harris die vorgesehenen finanziellen Mittel lieber an illegale Migranten verteile als an die Menschen in North Carolina, was natürlich nicht stimmt. Doch wir wissen auch: Wenn Trump das nur oft genug wiederholt, dann gibt es Menschen, bei denen das verfängt. Dazu kommt: Der Schaden ist immens. Wenn am Wahltag immer noch die Bäume quer liegen, Leute keinen Strom haben oder noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt sind, dann haben die Menschen vielleicht auch andere Prioritäten, als zur Wahl zu gehen. Es ist schwer zu sagen, ob das eher demokratische oder republikanische Wähler sein werden.
Kamala Harris wirkt zurzeit eher defensiv und bleibt vage in ihren Aussagen. Kommt da noch was?
van de Laar: Zwei Punkte dazu: Harris hat ein 80-Seiten-Papier zur Wirtschaftspolitik veröffentlicht. Da steht drin, wie sie das Steuersystem verändern und Anreize schaffen will, die Wachstum stimulieren. Sie will unter anderem die Unternehmensteuer anheben, Start-ups mit Steuergutschriften fördern, Familien beim Hauskauf unter die Arme greifen. Doch die Wahrnehmung ist, dass Harris nicht über die Kompetenz verfügt und nie konkret wird. Das belegen auch die Umfragen. Als Quasi-Amtsinhaberin ist es für sie aber auch ungleich schwerer als für Trump, kommunikativ zu überzeugen. Immer, wenn sie konkret wird, kommt die Nachfrage: „Warum haben Sie das bisher nicht gemacht, Sie hatten doch dreieinhalb Jahre Zeit.“ Trump sagt: „Unter mir war alles besser, die Kaufkraft war höher, die Inflation niedriger.“ Das spielt ihm in die Karten.
Spürt Harris, dass ihr die Felle davonschwimmen könnten?
van de Laar: Zumindest kann ihre Kampagne derzeit keinen eindeutigen Aufwärtstrend erkennen. Daher gibt es im Harris-Team eine neue Strategie. Seit Montagabend geht sie in die Medien, versucht, jedes lokale Fernsehinterview zu bekommen, was sie kriegen kann. Am Wochenende war sie im Podcast „Call her Daddy“, der von etwa fünf Millionen meist jungen Frauen gehört wird, dann war sie im „60 Minutes“-Interview des Senders CBS, das beiden Kandidaten angeboten wurde. Trump hat gekniffen, weil er den Faktencheck seiner Aussagen während der Sendung ablehnt. Harris nimmt alles mit und versucht in die Offensive zu gehen. Das ist ein Indiz dafür, dass die Harris-Kampagne glaubt, dass sie aktuell ins Hintertreffen geraten sind und sie etwas brauchen, um das Momentum wieder zu verändern.
Zur Person
Julius van de Laar ist ein international tätiger Politikstratege und Kommunikationsberater. Er lebte 7 Jahre in den USA. Nach dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Furman University in den USA arbeitete er in den US-Präsidentschaftswahlkämpfen 2008 und 2012 als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.
Barack Obama wird jetzt aktiv in den Wahlkampf eingreifen. Welche Rolle kann er spielen?
van de Laar: Barack Obama kann mobilisierend wirken. Doch die Überzeugungsarbeit, warum sie die bessere Kandidatin ist, die kann er Harris nicht abnehmen.
Bei Trumps Wahlkampfauftritt in Butler trat erstmals auch Elon Musk auf. Wie wichtig ist er für Trump?
van de Laar: Sehr wichtig. Es gibt drei Ebenen. Erstens: das Geld. Elon Musk hat angekündigt, 45 Millionen Dollar im Monat an Trump zu spenden. Es ist unklar, ob und wie viel Geld bereits geflossen ist. Musk hat aber auch eine der Super-Pac-Organisationen übernommen, die sich um die Freiwilligenstruktur in der Trump-Kampagne kümmern soll. Zweitens: der mediale Faktor. Musk besitzt das größte und vielleicht wichtigste soziale Mediennetzwerk, X. Wir wissen nicht, an welchen Rädchen Musk dreht, um über den Algorithmus sicherzustellen, dass mehr Pro-Trump-Content in die Nachrichtenfeeds gespült wird. Drittens: Wen spricht Trump an? Es gibt noch drei Millionen unentschlossene Wählerinnen und Wähler in den Swing States. Die wichtigste Zielgruppe innerhalb der unentschlossenen Kohorte für Trump sind junge Männer. Und es gibt eine Reihe von ihnen, die nach starken und maskulinen Figuren suchen und ihnen folgen. Sie folgen nicht nur Elon Musk, sondern Typen wie Joe Rogan oder Jake Paul – Männern, die sagen, wir nehmen die Dinge wieder in die Hand. Das sind Idole für viele junge Amerikaner. Und weil ihre Idole Trump unterstützen, gehen jetzt vielleicht junge Männer wählen, die früher nie auf die Idee gekommen wären. Das darf man nicht unterschätzen.