Kleve. Die NRZ hat eine Geschwindigkeitskontrolle in Kleve an der Grunewaldstraße begleitet. Diese Ausreden der Temposünder kennt die Polizei schon.
Mit der guten Laune ist es bei der jungen Niederländerin mit Sicherheit erst einmal vorbei. Mit 116 Kilometern pro Stunde ist sie über die Grunewaldstaße in Kleve-Materborn gebrettert und hat dabei auch noch ein Fahrzeug überholt. 70 km/h wären erlaubt gewesen. Polizeihauptkommissar Roger van Haßelt winkt die junge Frau um 10.36 Uhr per Anhaltestab, im Volksmund auch Kelle genannt, auf den Parkplatz vis-à-vis des Waldwegs Rendezvous.
„Das wird teuer“, murmelt Polizeipressesprecher Stefan Sparberg. Am Mittwoch führten Verkehrsdienst, Direktion Gefahrenabwehr unterstützt von der Bereitschafspolizei Geschwindigkeitsmessungen im gesamten Kreis Kleve durch.
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348,50 Euro fallen für 42 km/h zu schnell an
Nach Toleranzabzug reduziert sich die überschrittene Geschwindigkeit der jungen Frau auf 42 km/h. Sparberg schaut noch mal in die Tabelle. Die Bilanz: 320 Euro Geldbuße zuzüglich 28,50 Euro Verwaltungsgebühr und zwei Punkte in Flensburg. Zudem kommt auf die Niederländerin ein Monat Fahrverbot zu. „Über die Höhe der Geldbuße lachen Niederländer“, merkt Stefan van Os, Polizeihauptkommissar, lapidar an. Dort werde man ganz anders zur Kasse gebeten. Und: Das Fahrverbot der jungen Frau gilt nur hier in der Bundesrepublik, nicht in den Niederlanden.
Torsten Passens, Leiter Verkehrsdienst, nimmt sich der jungen Dame auf dem Parkplatz an. Fließend Niederländisch erklärt er ihr, was man ihr vorwirft und wie gefährlich zu schnelles Fahren ist. Gerade hier auf der Bundesstraße 504 sei es in jüngster Vergangenheit zu mehreren schweren Unfällen, teilweise mit Todesfolge, gekommen. Außerdem handele es ein Unfallschwerpunkt, auch wegen der vielen Wildunfälle.
Laser sieht Autos in 1000 Metern Entferung
461 Verstöße festgestellt
Es wurden insgesamt 461 Übertretungen festgestellt und teilweise vor Ort geahndet. Im Einzelnen handelt es sich um 372 Geschwindigkeitsverstöße, elf Ablenkungsverstöße (Handy), sowie 34 Übertretungen gegen die Vorfahrt-, Vorrang- und Abbiegeregeln. Weitere 25 Maßnahmen richteten sich u.a. gegen Fahrzeugführer, die die Gurtpflicht missachteten oder gegen Verkehrsregeln für den gewerblichen Güterverkehr verstießen.
Es wurden 18 Rad- oder Pedelecfahrer/innen und auch Führer/innen von E-Scootern festgestellt, die sich nicht an bestehende Verkehrsregeln hielten. Hierbei ist zu erwähnen, dass insbesondere die verstärkt festzustellende Benutzung des falschen Radweges ein erhöhtes Unfallrisiko birgt. Zwei Fahrzeugführer führten ihr Fahrzeug unter dem Einfluss berauschender Mittel (Alkohol und THC).
Trauriger Höhepunkt auch: Ein rumänischer Fahrzeugführer überschritt, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein, innerhalb einer geschlossenen Ortschaft die zulässige Geschwindigkeit um 32 km/h.
Im Laufe des Gesprächs werden auch Führer- und Fahrzeugschein, TÜV-Plakette und Reifenprofil gescheckt. „Eine Grobsichtung halt“, erklärte Sparberg. Auch werde geschaut, ob der Autofahrer augenscheinlich Alkohol konsumiert habe oder bekifft unterwegs sei.
„Ich möchte keinem Menschen mitteilen müssen, dass ihr Sohn, ihre Tochter, ihr Vater oder Freund ums Leben gekommen ist“
Das Fahrzeug der jungen Frau ist nicht das erste Auto, das mit der Kelle auf dem Parkplatz geleitet wird, nachdem Jens Heimen, Polizeihauptkommissar, sie mit seinem Lasergerät anvisiert hat. Er steht von Bäumen halb verdeckt am Waldrand, kann die Autos dank modernster Technik aber schon ab 1000 Meter Entfernung ins Visier nehmen. „Es kommt uns bei dieser Kontrolle weniger auf eine hohe Frequenz an“, sagt Sparberg. Man wolle also keineswegs „Kasse“ machen. Es gelte vielmehr, die Temposünder auf die Gefahren ihres Handels hinzuweisen. Schließlich gehöre der Kreis Kleve zu den Orten mit einer der höchsten Unfallraten mit Todesfällen.
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Häufige Ausrede fürs Rasen: Mutter liegt im Sterben
„Ich möchte keinem Menschen mitteilen müssen, dass ihr Sohn, ihre Tochter, ihr Vater oder Freund ums Leben gekommen ist“, sagt Sparberg den Temposündern.
„Die haben allerhand Ausreden, warum sie so schnell unterwegs sind“, sagt van Haßelt. Er hört oft Ausreden wie, „Das Kind muss abgeholt werden“, „Ich muss zur Arbeit“ oder gar „Mutter liegt im Sterben“. „Wenn durch zu hohe Geschwindigkeit ein Mensch stirbt, ist nichts mehr wie es vorher war“, sagt Stefan Sparberg dann. Es gebe dann ein vorher und ein danach. „Was ist, wenn die Mutter eines Kleinkindes ums Leben kommt, was, wenn der Ernährer der Familie beim Unfall stirbt? Das verändert einfach alles!“