Rees. Der Rhein könnte in den nächsten Jahren die Wärme für den Reeser Stadtkern liefern. Wie das funktioniert und was das Netz für Bürger bedeutet.

Es ist eine innovative und doch naheliegende Möglichkeit, die Häuser im Reeser Stadtkern in absehbarer Zeit klimaneutral zu beheizen: Die Stadtverwaltung arbeitet im Zuge der kommunalen Wärmeplanung, die bis Mitte 2028 vorliegen muss, an einem zentralen Nahwärmenetz, das mit dem Wasser des Rheins gespeist werden würde.

In der letzten Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Planung, Bau und Vergabe stellte die Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft (DSK) das pünktlich zum Jahresende 2024 abgeschlossene integrierte energetische Quartierskonzept für den Stadtkern Rees vor, das die Verwaltung mithilfe von KfW-Fördermitteln in Auftrag gegeben hatte.

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Rhein als riesige Wärmequelle

Die Analyse zeigt deutlich: Die Nutzung des Rheinwassers, kombiniert mit einer Großwärmepumpe, bietet selbst bei monatelangem, historischen Niedrigwasser mehr als genug Potenzial, um Rees und zumindest theoretisch auch andere Städte im Umland mit Wärme zu versorgen.

Vermisstensuche Rhein Millingen
Der Rhein bietet viel Potenzial zur Wärmeversorgung. © NRZ | Andreas Gebbink

Volker Broekmans brachte es gegenüber den Politikern auf den Punkt: „Sie wären blöd, wenn Sie die riesige Wärmequelle Rhein vor Ihrer Haustür nicht nutzen würden.“ Der Leiter des Bereichs Zukunft Quartier/Klima/Energie bei der DSK erläuterte, warum er in dem Flusswassersystem ein „sehr attraktives Angebot für die Bürger“ sieht. Die Versorgung mit Wärme werde in der Zukunft zwar nicht günstiger werden, betonte Broekmans. „Hierbei würde es für die Bürger aber weniger teuer werden.“

„Sie wären blöd, wenn Sie die riesige Wärmequelle Rhein vor Ihrer Haustür nicht nutzen würden“

Volker Broekmans
DSK

Erdgasausstieg bis 2045

Der Zeitplan ist mit dem Ausstieg aus dem Erdgas bis 2045 gesetzlich vorgegeben. Das von der DSK skizzierte Nahwärmenetz-Szenario sieht vor, dass der Reeser Stadtkern bereits Ende der 2030er Jahre frühzeitig komplett aus dem Gasverbrauch aussteigen könnte. Die Nutzung des Rheinwassers biete eine Alternative, „Rees gesichert, zeitnah in die Klimaneutralität zu führen, ohne den Bürgern Kosten über Gebühr aufzubürden“, so Volker Broekmans.

Energetisches Quartierskonzept Stadtkern Rees
Die Karte zeigt den Reeser Stadtkern unter anderem mit den Rohren in den Rhein (links) und einem möglichen Standort für die Heizzentrale. © Stadt Rees | DSK

Die Technik hinter dem vorgeschlagenen Wärmenetz fasste er in groben Züge so zusammen: In einem Rohr, das gezielt zwischen zwei Buhnen westlich der Rheinpromenade und nicht in die Fahrrinne liegen soll, wird Wasser abgesaugt und diesem in einem Wärmetauscher Wärme entzogen. Ein möglicher Standort der Heizzentrale mit der Flusswärmepumpe ist nahe der Dreifachsporthalle am Schulzentrum. Das 0,1 Kelvin kältere Wasser – dieser Temperaturunterschied sei vernachlässigbar, so der Experte – wird anschließend wieder in den Rhein zurückgespült.

Machbarkeitsstudie folgt jetzt

Eine Machbarkeitsstudie, die zwischen 50.000 und 80.000 Euro kosten und zur Hälfte gefördert werden soll, wird in rund einem halben Jahr konkrete Zahlen und Informationen zu Kosten, technischer Umsetzung und nötiger Genehmigungen liefern. Eine erste Investivkostenschätzung weist eine Gesamtsumme von 15,2 Millionen Euro auf, die sich durch eine 40-prozentige Bundesförderung für effiziente Wärmenetze auf 9,1 Millionen Euro reduzieren könnte.

Das sind die Vorreiter

Unter anderem in Rosenheim (2021/2022) und Mannheim (2023) wurden in den vergangenen Jahren bereits große Wärmepumpen installiert, um mit der Wärme von Flusswasser heizen zu können.

Mit Blick auf die 317.000-Einwohner-Stadt Mannheim sagte DSK-Experte Volker Broekmans, dass die Genehmigungen relativ zügig vorgelegen hätten – obwohl, anders als für Rees geplant, eine doppelte Senkung der Wassertemperatur und vier Eingriffe in den Rhein vorgenommen worden seien.

Getragen würden diese Kosten von einer neu zu gründenden Wärmegesellschaft aus den Stadtwerken Rees und einem Partner, der „die Finanzkraft sowie die Planungs- und Betriebskompetenz mitbringt“, sagte Volker Broekmans. Er warb offen für das Joint Venture Wärmelokal, das die DSK und Westenergie gegründet haben: „Als Wärmelokal wären wir bereit, das Nahwärmenetz gemeinsam mit den Stadtwerken aufzubauen.“ Die Machbarkeitsstudie soll die genaue Betriebsstruktur aufzeigen und auch prüfen, wie weit das Netz über das historische Zentrum ausgeweitet und trotzdem wirtschaftlich betrieben werden kann.

Baubeginn 2028/2029 möglich

„Wenn alles optimal läuft, würden ab 2028 alle Straßen sukzessive aufgerissen werden“, kündigte Broekmans im Wissen an, dass dies „alle erschrecken“ werde. Kämmerer Andreas Mai warf lachend mit Blick auf das 800-jährige Stadtjubiläum 2028 ein, dass man den Baustart möglicherweise um ein Jahr nach hinten verschieben solle.

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Zwei große isolierte Kunststoffrohre würden im Reeser Stadtkern die Haupttrasse bilden, zwei kleinere Röhrchen dann die jeweiligen Hausanschlüsse. In den Häusern würde ein Wärmetauscher die heute noch vielfach genutzte Gastherme ersetzen. „An der Heizungsstruktur des Hauses muss nichts geändert werden“, stellte Volker Broekmans fest. Mit einer vorgesehenen Vorlauftemperatur von 65 Grad Celsius könne auch jedes unsanierte Haus beheizt werden. Klar sei aber auch: „Wer saniert, spart Energie.“

Politik zeigte sich offen

Die Politik zeigte sich dem Konzept gegenüber sehr aufgeschlossen. „Diese Variante wäre für die Bürger auf Dauer günstiger, auch wenn durch den Heizungstausch Kosten auf die Eigentümer zukommen“, meinte etwa Markus Maas (CDU). Bürgermeister Sebastian Hense formulierte das Ziel klar: „Die Bürger müssen es als gesetzte Alternative sehen, wenn ihre Heizung kaputtgeht.“ Jedes Haus im Reeser Stadtkern soll angeschlossen werden können, allerdings ist nach aktuellem Stand kein Anschluss- und Benutzungszwang geplant.