Rees. Reeser Verwaltung sieht sich wegen Haushaltsdefizit gezwungen, auch die Grundsteuer B zu erhöhen. Welche Mehrkosten das für Bürger bedeuten würde.
Die Politik in Rees ist dafür bekannt, ausdauernd den Konsens zu suchen. Einstimmige Beschlüsse sind hier die Regel. Dass es am Dienstagabend, 3. Dezember, im Haupt- und Finanzausschuss zu einer Ausnahme kam, überraschte angesichts der Brisanz des Themas indes kaum. Denn es ging um merkliche Steuererhöhungen. Die Debatte darüber wurde leidenschaftlich geführt.
Haushaltsdefizit für 2025 wird 8,5 Millionen Euro betragen
Kämmerer Andreas Mai hatte gemeinsam mit Bürgermeister Sebastian Hense die Politik bereits in den vergangenen Wochen mehrfach auf die schwierige Haushaltslage vorbereitet, auf die die Stadt Rees zusteuert. Bevor er in der letzten Ratssitzung des Jahres am Donnerstag, 12. Dezember, den städtischen Haushalt einbringen wird, hielt Mai im Haupt- und Finanzausschuss nun öffentlich einen rund halbstündigen Monolog – und erklärte ausführlich, warum aus Sicht der Verwaltung Erhöhungen der Grundsteuern B und A sowie der Gewerbesteuer unumgänglich sind.
Das voraussichtliche Haushaltsdefizit für das Jahr 2025 wird rund 8,5 Millionen Euro betragen, für die darauffolgenden drei Haushaltsjahre rechnet die Stadt Rees mit negativen Ergebnissen in ähnlicher Höhe. Damit steht Rees längst nicht alleine dar, wie der von allen 16 Bürgermeistern des Kreises Kleve unterschriebene Brandbrief an Landrat Christoph Gerwers vor wenigen Wochen zeigte. Doch in Rees ist das Problem besonders akut, denn die Ausgleichsrücklage sei quasi aufgebracht, wie Bürgermeister Hense sagte. „Uns droht jetzt die Haushaltssicherung“, stellte Kämmerer Andreas Mai fest.
Vier Gründe für das Haushaltsdefizit
Für das enorme Defizit machte er vier Gründe hauptverantwortlich. Die Kreisumlage erhöht sich vor allem wegen explodierender Sozialausgaben für die Stadt Rees um 3,4 Millionen Euro. „Diese Steigerung habe ich ansonsten in einem Zeitraum von zehn Jahren. Jetzt müssen wir sie in einem Jahr schultern“, sagte Mai. Die nächste Ursache: Weil die vergleichsweise kleinen Stadtwerke Rees im Zuge der Veränderungen auf dem Energiemarkt durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine keine Gewinne mehr erzielen und so die Verluste der Bäder nicht mehr ausgleichen können, muss die Stadt einspringen. Für 2025 wird der Haushalt dadurch mit zusätzlichen 1,1 Millionen Euro belastet.
„Uns droht jetzt die Haushaltssicherung“
Dass die Schulen Whiteboards und jede Schülerin und jeder Schüler in Rees ein iPad erhalten haben, schlägt ebenfalls zu Buche. Trotz einer Anfangsfinanzierung des Landes musste die Stadt Mittel in Millionenhöhe zuschießen. Und: „Alleine die Abschreibung der jetzt komplett vorhandenen iPads kostet uns ab dem 2025er-Haushalt 350.000 Euro“, erklärte Mai. Abschließend bezifferte er die Mehrkosten durch allgemeine Kostensteigerung, etwa für Energie, auf eine Million Euro. „Zusammengerechnet bedeuten diese vier Haushaltsstellen aufgerundet sechs Millionen Euro, die eigentlich Bund und Land zu tragen hätten“, kritisierte der Kämmerer die fehlende Unterstützung für die Kommunen.
Diese Hebesätze schlägt die Stadtverwaltung vor
Deshalb plädierte Mai eindringlich für eine „moderate Erhöhung“ der Steuern, wie er es nannte. Der Kompromissvorschlag der Verwaltung sieht für 2025 Hebesätze von 350 Prozent (Grundsteuer A), 650 Prozent (Grundsteuer B) und 425 Prozent (Gewerbesteuer) vor. Diese liegen deutlich über den sogenannten aufkommensneutralen Hebesätzen von 309 Prozent (Grundsteuer A) und 533 Prozent (Grundsteuer B), die das Land nach der Grundsteuerreform für die Stadt Rees ermittelt hat.
Kämmerer Andreas Mai rechnet so mit Mehreinnahmen von 691.000 Euro aus der Grundsteuer B und 23.000 Euro aus der Grundsteuer A. Der ursprüngliche Verwaltungsvorschlag hatte gar eine Grundsteuer-B-Erhöhung auf 750 Prozent und entsprechende Mehreinnahmen vorgesehen. Im Durchschnitt der gut 10.000 Grundsteuerbescheide in Rees hätte dies eine monatliche Mehrbelastung von zehn Euro bedeutet, so Mai. „Steuererhöhungen sind Mist, die will keiner“, stellte Bürgermeister Sebastian Hense klar. „Aber wir können die Augen nicht vor der Realität verschließen.“
Ausschuss gespalten über Steuererhöhungen
Die CDU unterstützte die Verwaltung bei ihrem Vorhaben. „Die Stadt muss handlungsfähig bleiben. Es gehört dazu, aus der Vernunft heraus auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen“, sagte Fraktionschef Marcel Becker. SPD, Grüne, das Unabhängige Forum Rees (UFR) und das fraktionslose Ausschussmitglied Clemens Willing sprachen sich jedoch zum jetzigen Zeitpunkt gegen Steuererhöhungen aus.
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„Die Mehreinnahmen von 691.000 Euro sind der Streit nicht wert“, meinte Herbert Schramm von den Grünen. Und sein Fraktionssprecher Helmut Wesser stellte fest: „Seit Jahrzehnten wird das Gespenst der Haushaltssicherung an die Wand geworfen. Das ist aber nie eingetreten. Wir werden in den Haushaltsberatungen Deckungsmöglichkeiten nennen.“
Verdoppelt sich der Hebesatz 2026?
Solche Überlegungen nannte Bürgermeister Hense „unrealistisch“. Das Schwimmbad und die Stadtbücherei wolle ja niemand schließen, ebenso wenig die Schulsozialarbeit abschaffen. Die Verwaltung habe im Haushalt bereits überall gekürzt. „Die Einsparmöglichkeiten sind unmöglich dazu geeignet, die extremen Kostensteigerungen zu kompensieren.“ Er warnte davor, dass der Hebesatz für die Grundsteuer B 2026 bei über 1000 liegen werde, falls die Stadt jetzt nicht den ersten Schritt zur Erhöhung mache.
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SPD, Grüne, UFR und Willing ließen sich davon allerdings nicht beeindrucken. Mit denkbar knapper Mehrheit gegen die Stimmen von CDU und Bürgermeister votierten sie dafür, sich an den aufkommensneutralen Hebesätzen des Landes zu orientieren. Einzig die Gewerbesteuer soll leicht von 416 auf 425 Prozent steigen. „Wir werden unser blaues Wunder erleben“, prognostizierte Johannes Erlebach (CDU) kopfschüttelnd.
Die endgültige Entscheidung trifft der Stadtrat am 12. Dezember. Doch selbst wenn auch dort das Votum gegen Steuererhöhungen ausfällt, sind diese für 2025 noch nicht gänzlich vom Tisch. Bis zum 30. Juni 2025 können die Hebesätze nämlich noch nachträglich verändert werden.