Emmerich. „Ein Rohdiamant“: Frisörmeisterin Nadine Nienhuysen aus Emmerich bewahrte Flüchtling vor Abschiebung. Warum sie freie Montage für Azubi opferte.
- Keine leichten Fälle: Frisörmeisterin Nadine Nienhuysen hat zwei Azubis eine Chance gegeben.
- Der Flüchtling Mo Safdary musste erstmal grünes Licht vom Ausländeramt bekommen.
- Ohne Genehmigung hätte Nienhuysen 50.000 Euro Strafe gedroht.
- Joy Huiting wechselte den Ausbildungsbetrieb, weil sie in zwei Jahren fast nichts lernte.
- Nadine Nienhuysen trainierte mit ihr auch an freien Montage, damit sie aufholen kann.
Als die NRZ im Mai 2024 über den Frisörsalon Studio-46 im Emmerich-Vital berichtete, da verkündete Betreiberin Nadine Nienhuysen, dass sie gerne ausbilden würde. Der Bericht erregte prompt das Interesse von Bewerbern. Tatsächlich erlernen mit Mohammed Safdary und Joyce Huiting nun zwei junge Menschen das Frisörhandwerk an der Moritz-von-Nassau-Straße 19b. In beiden Fällen ist Nienhuysen ein Risiko eingegangen. Und zweimal ist sie dafür belohnt worden.
Von Iran bis Deutschland: 5300 Kilometer gelaufen
Der kompliziertere Fall war sicherlich der 18-jährige Mo Safdary. Er ist Flüchtling. „Seine Mama hat ihm all ihr Erspartes mitgegeben“, schildert Nienhuysen. 5300 Kilometer aus dem Iran nach Deutschland bewältigte er zu Fuß. Abgesehen davon, dass er einer verfolgten religiösen Minderheit angehört, hätte er sich seinen Berufswunsch Frisör als Mann im Iran nicht erfüllen können. Er kam mit seinem Betreuer vom SOS-Kinderdorf in Kleve in den Frisörsalon und fragte, ob er nicht hier eine Ausbildung machen könnte.
„Er ist ein Rohdiamant!“
„Ich bot ihm erstmal ein freiwilliges Praktikum an. Er machte seinen Hauptschulabschluss am Berufskolleg und kam tatsächlich drei-, viermal die Woche nachmittags zu uns. Innerhalb von 14 Tagen war klar, das wird was!“, so Nienhuysen. Wenn man sich einen Wunsch-Azubi malt, dann wäre er so wie Mo Safdary: Intrinsisch motiviert, eigeninitiativ, höflich, respektvoll, lernwillig. „Er ist ein Rohdiamant“, freut sich seine Chefin. Am ersten Jahrestag von Studio-46, am 1. Juni, verkündete Nienhuysen dem gerade volljährig gewordenen Iraner, er bekomme die Stelle.
Nur geduldet? Frisörmeisterin hätte 50.000 Euro Strafe zahlen müssen
„Da war mir noch nicht klar, was auf mich zukommt“, gesteht die Frisörmeisterin. Zum Glück bekam sie bei einem Anruf bei der Handwerkskammer schnell die Warnung, den Status des Flüchtlings zu prüfen. Er wurde zu dem Zeitpunkt nur „geduldet“. „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Hätte ich ihm einen Vertrag gegeben, dann wäre er sofort ausgewiesen worden und ich hätte 50.000 Euro Strafe zahlen müssen. Das wäre für meine Existenzgründung der Todesstoß gewesen.“
Etwa zeitgleich bekam Safdary Post von der Ausländerbehörde des Kreises Kleve. Er müsse binnen vier Wochen eine feste Anstellung nachweisen, sonst werde er abgeschoben. Nur fand Nienhuysen kein Ohr, das die gute Nachricht hören wollte. Ein Online-Termin war binnen vier Wochen nicht zu bekommen. Telefon, E-Mail, alles vergeblich.
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Selbst bei der zentralen Rufnummer des Kreises Kleve hebe niemand ab. „Der Betreuer des SOS-Kinderdorfes setzte sich enorm ein“, so Nienhuysen. Nur über Vitamin B habe man die Sache regeln können. Stammkundin Claudia Lindlahr, die CDU-Bürgermeisterkandidatin, traute ihren Ohren nicht und bot auch schon an, sich einzumischen.
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„Abschreckende“ Bürokratie: Nadine Nienhuysen wirbt trotzdem dafür, den Mut zu haben
Zu erwähnen sind auch etliche Dokumente, die Nienhuysen hat ausfüllen müssen. Das ganze Prozedere sei schon „abschreckend“ für Arbeitgeber. Dennoch wirbt die Frisörmeisterin auch bei Kollegen dafür, den Mut zu haben: „Ich bin froh, dass ich es gemacht habe. Es lohnt sich, etwas zu riskieren.“
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Denn Mo Safdary sei eine Bereicherung. Er bringe sogar seine eigene Dienstleistung ein. Seine orientalische Haarentfernung mit dem Faden komme sehr gut an. „Er strahlt eine wahnsinnige Ruhe aus. Wenn ich beobachte, wie er die Haare wäscht, der holt die Damen dabei richtig runter. Es macht ihm Spaß. Das sieht man ihm an.“
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Mit Joyce Huiting war es für Nienhuysen nicht so kompliziert, aber dennoch eine Herausforderung. „Sie hat zwei Jahre in einem Betrieb verbracht, wo sie nicht gut aufgehoben war. Sie war in der Ausbildung nur zum Putzen da. Sie hatte die Reißleine gezogen. Mir war klar, wenn ich sie annehme, wird das viel Zeit und Arbeit in Anspruch nehmen“, erklärt Nadine Nienhuysen. Da sie aber auf dem Standpunkt steht, jeder verdiene seine Chance, nahm sie sich ihrer an.
An freien Montagen wurde mit Joyce Huiting trainiert
Seit September ist Huiting in dem Emmericher Salon. Es gab viel nachzuarbeiten. „Ich habe vier freie Montage geopfert, um mit ihr zu trainieren. Sie war hoch motiviert“, sagt die Betreiberin. Als Wahlmodul, das ungünstiger Weise heutzutage schon zu Beginn von den Azubis zu wählen ist, obwohl sie ja noch keine Ahnung haben, hatte die Emmericherin Huiting Hochstecken gewählt. Nicht die leichteste Wahl, aber das wollte nun eben auch richtig geübt werden. Auch im Fall von Huiting ist Nienhuysen überzeugt, dass sie hier eine Nachwuchskraft für den eigenen Betrieb findet. „Ich möchte die Leute behalten, in die ich investiere.“
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Das nun fünfköpfige Team profitiert auch von einer guten Social-Media-Präsenz: „Vor den Herbstferien kamen noch drei Leute, die hier eine Ausbildung machen wollten. Die jungen Leute erkundigen sich schon, wo sie gut aufgehoben sind. Man muss ihnen schon was bieten“, freut Nienhuysen sich über die Aufmerksamkeit.