Rees. Autorin und Moderatorin Christine Westermann stellte in Rees ihr neues Buch vor. Wer dabei die Technikprobleme im Bürgerhaus schnell löste.

Christine Westermann ist nicht nur Radio- und Fernsehmoderatorin, nicht nur Autorin, sie hat auch das Zeug zur Entertainerin. „So viele Menschen hier“, sagt sie am Dienstagabend, 30. Oktober, erstaunt und blickt vom Podium des Reeser Bürgerhauses auf ihre rund 300 Zuhörer. „Sind Sie alle freiwillig gekommen?“, wendet sie sich gezielt an die Männer. Ein Raunen geht durch den Saal. „Wissen Sie, was ich heute machen würde, wenn ich Sie wäre? Ich hätte den DFB-Pokal geguckt!“

Dann erzählt sie munter drauflos, dass sie Mitglied beim 1. FC Köln ist, „in guten wie in schlechten Tagen“. Was ihr weitere Lacher einbringt. Dabei ist die Autorin und Buchkritikerin doch eigentlich gekommen, um ihr neues Buch mit dem Titel „Die Familien der anderen“ vorzustellen.

Flirt mit dem Publikum

Doch das muss warten. Erst einmal flirtet sie mit dem Publikum. „Ich freue mich hier zu sein“, sagt die Kölnerin, um dann gleich nachzulegen, „Sie denken sicherlich, das sagt die Westermann überall!“ Nach einer kleinen Kunstpause gibt sie zu: „Stimmt!“. Aber es stimme letztendlich nicht überall und sie rät ihren Zuhörern launig, sie daraufhin nach der Lesung noch einmal anzusprechen.

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Das Publikum hat sie mit dieser Einleitung längst für sich eingenommen. Dann kommt die Stimme der Radiofrau plötzlich verzerrt rüber. Ihre Stimme klinge, klagt sie, wie aus einer Konservendose. Sie blickt Hilfe suchend hinauf zur Empore zu Wilm Braem, der schon seit über 25 Jahren die Technik hinter den Kulissen im Bürgerhaus managt. Wenige Minuten später schleppen er und der Reeser Büchereileiter Thomas Dierkes neue Boxen und Mikros in den Saal.

Vertrauen in den Buchhändler

Als die neue Technik aufgebaut ist, startet Christine Westermann, wie angekündigt, „ihre Lesung“. Mal liest sie eine Passage, mal erzählt sie Anekdoten aus ihrem Leben als Autorin und Buchvorstellerin. Sie macht keinen Hehl daraus, dass sie so mach hochgelobtes Buch angesagter Kritiker keineswegs für empfehlenswert hält. Oft vermisst sie in den Gremien die Bodenhaftung.

„Wenden Sie sich mit ihren Wünschen an den Buchhändler ihres Vertrauens, er ist eine sichere Bank!“

Christine Westermann
Autorin, Moderatorin und Buchkritikerin

„Es ist immer gut, wenn auch ein Buchhändler in der Runde sitzt, einer, der direkten Kontakt zu den Kunden hat“, so ihre Erfahrung. Ihr Rat an die Leser: „Wenden Sie sich mit ihren Wünschen an den Buchhändler ihres Vertrauens, er ist eine sichere Bank!“ Alternativ könne man auch in den Büchern blättern und lesen, erst den Anfang, dann eine Passage aus der Mitte. Westermann: „Sie spüren, ob der Funke überspringt. Sonst lassen sie das Buch einfach liegen.“

Skepsis gegenüber Thomas Mann

Sie liebe Familienromane, verrät die 75-jährige Autorin. Um ihre Familien- und Lebensgeschichte geht es auch in ihrem neuen Buch. Und um Bücher, die sie beeinflusst haben.

Natürlich spricht sie auch die Weltliteratur an. „Der Zauberberg“ von Thomas Mann hat bei ihr durchaus ambivalente Gefühle ausgelöst. Was auch anderen so ergangen ist. Christine Westermann erzählt von einem Mann, den sie bei einer Lesung in Cuxhaven getroffen hat. Er offenbarte, den Zauberberg gleich zweimal gelesen zu haben, einmal als Schullektüre und ein weiteres Mal als Lungenfacharzt – aus Interesse an den Lungenheilmethoden in den Sanatorien um die Jahrhundertwende.

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Ihre Thomas-Mann-Skepsis hat Volker Weidermann, mit dem Christine Westermann einst im Literarischen Quartett leidenschaftlich diskutierte, in einer SMS an sie mit den Worten bedauert, „…dass mein Herzensautor nicht auch den Weg zu deinem Herzen gefunden hat“.

Interessantes aus der Welt der Buchherstellung

Die Reeser erfahren Interessantes aus der Welt der Buchherstellung, zum Beispiel, dass fast jedes Buch längst einen Titel hat, bevor es fertiggestellt ist. Dass sie, Christine Westermann, für das Cover ihres neuen Buches zur Fotosession geladen wurde, ohne überhaupt eine einzige Zeile geschrieben zu haben. Weil im Frühjahr schon die Neuerscheinungen für den Herbst auf den Weg gebracht werden.

Oder wie nervös sie war, als sie erstmals angesprochen wurde, ob sie sich vorstellen könne, im Radio Büchertipps zu geben. „Wo ich doch nicht einmal wusste, wie die Nobelpreisträger der vergangenen 15 Jahre hießen.“ Und so ganz zwischendurch lässt sie einige Buch-Empfehlungen einfließen wie „Das Geburtstagsfest“ von Judith Taschler und „Fünf Viertelstunden bis zum Meer“ von Ernest van der Kwast.

Am Ende des Abends – nach gut eineinhalb Stunden – plaudert sie über Senf, Salz und Kräuterlikör, alles Geschenke der Einlader nach Lesungen. Auch Büchereileiter Thomas Dierkes kommt noch einmal auf die Bühne, bedankt sich für die Lesung, ihr brillantes Standing trotz der Technikprobleme und überreicht ihr einen Blumenstrauß, bevor Christine Westermann das Podium verlässt und im Foyer ihr Buch signiert. (oha)