Emmerich. Der Emmericher Geschichtsverein hat mit dem Heimatverein Haldern ein neues Buch herausgegeben. Mit wem Autor Clemens Reinders gesprochen hat.
Der Zweite Weltkrieg steht für unermessliches Leid. Bei Zeitzeugen sind die Geschehnisse bis heute präsent. „Leider hat die Menschheit nichts daraus gelernt“, sagt Herbert Kleipaß, Vorsitzender des Emmericher Geschichtsvereins, angesichts der aktuellen, globalen Konflikte. Gerade deswegen ist das neuste Buchprojekt des Geschichtsvereins vielleicht wichtiger denn je.
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Denn Autor Clemens Reinders hat Interviews geführt mit Zeitzeugen, die über Geschehnisse zwischen 1939 und 1945 berichten. Nicht nur aus Emmerich, sondern praktisch der gesamte Untere Niederrhein wird durch den Personenkreis abgedeckt. „Im Fokus stehen weniger geschichtliche Zusammenhänge, sondern mehr subjektiv erlebte Situationen und Lebensabschnitte einzelner Zeugen“, so der Autor. „Das ist nicht die Wahrheit schlechthin. Es sind Aussagen von Menschen, die eben Zeitzeugen gewesen sind.“
Zeitzeugen 1939 - 1945
Das Buch „Zeitzeugen 1939 - 1945, Interviews und Berichte zu Geschehenem“ von Clemens Reinders herausgegeben vom Emmericher Geschichtsverein und Heimatverein Haldern ist im Agenda Verlag erschienen und kostet 23,90 Euro. Die ISBN Nummer lautet 978-3-89688-849-5. Der Landschaftsverband Rheinland, die Katjes Fassin GmbH & Co. KG sowie die Sparkasse Rhein-Maas haben das Buchprojekt unterstützt.
Der Autor Clemens Reinders wurde 1962 im Reeser Ortsteil Haldern geboren, wo er auch heute noch wohnt. Er studierte in Münster an der Kunstakademie Film und Fotografie sowie Sozialwissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität. Reinders arbeitet im Hauptberuf als Lehrer für Kunst und Sozialwissenschaften in Oberhausen.
Kostenlose Jahresgabe für Mitglieder
Herausgekommen ist ein 288 Seiten starkes Buch, das für 23,90 Euro im Buchhandel beziehungsweise im Online-Handel erhältlich ist. Die Mitglieder des Emmericher Geschichtsvereins erhalten es kostenlos als Jahresgabe.
Beim Buchprojekt gab es dieses Mal einige Änderungen für den Geschichtsverein. Denn als Herausgeber fungiert neben dem Geschichtsverein auch noch der Heimatverein Haldern. Zudem wurde nach Jahrzehnten erstmals ein Buch des Geschichtsvereins über einen Verlag herausgegeben. „Die Arbeitsaufwände waren für uns nicht mehr zu leisten“, erklärt Kleipaß die Zusammenarbeit mit dem Agenda Verlag aus Münster.
Einige Interviewpartner sind mittlerweile verstorben
Herausgekommen ist ein Buch, das Gespräche zusammenfasst, die Reinders mit Zeitzeugen des Weltkriegs geführt hat. Die ältesten Interviews sind schon vor 15 Jahren aufgenommen worden, die jüngsten sind vor rund zwei Jahren geführt worden. Einige Interviewpartner sind mittlerweile verstorben. „Beim Interviewführen entwickelt man auch so eine kriminalistische Art, guckt, ob irgendwelche Sachen übertrieben formuliert werden, ob Widersprüche existieren. Man versucht, ein Gefühl zu entwickeln, was wirklich erlebt wurde“, berichtet Reinders, der als junger Mann für den WDR tätig war und so seine Liebe zum Interview entdeckt hat.
Die Schilderungen folgender Personen sind im Buch erhalten
- Aus Emmerich: Mia Blazy (geb. Huying), Hans Doerwald, Dr. Wilhelm Pfirrmann, Alex Bettray, Walter Günther, Wilfried Schmäling, Herbert Sluyter
- Aus Rees: Dr. Karl van der Ven, Hanni Fink (geb. Postulart), Heinz Belting, Anni Schweers (geb. Fischer), Josef Aryus, Paul Awater, Hermann Telaak
- Aus Friedrichsfeld: Friedhelm Küpper
- Aus Wesel: Lieselotte Meyer
- Aus Kleve: Hans W. Füth uns Hans Liebeton
- Aus Hamminkeln: Hilde Jürgensen (geb. Arnhardt)
- Aus Kamp-Lintfort: Karl Awater
- Aus Bislich: Paul Kühnen
- Hinzu kommt ein Gespräch mit Dr. Martin W. Roelen, bis 2023 Stadtarchivar in Wesel
Tonbandprotokolle verschriftlicht
„Viele Leute waren erst kurz vor ihrem Tod bereit, diese Geschichten jemanden zu erzählen. Das habe ich mehrmals erlebt“, schildert der Autor, der zu seinen Interviewpartnern „vom einen zum anderen“ gekommen ist. „Wenn man sich hineinarbeitet in diese Materie, lernt man Leute ganz zwangsläufig kennen.“
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Alle Interviews sind im Übrigen mithilfe von Tonbandprotokollen zustande gekommen. Diese Aufnahmen sind dann verschriftlicht worden. Aus diesem Rohmaterial entstanden dann die Berichte. „Weitgehend in der Sprache der Zeitzeugen, mit kleinen grammatischen Korrekturen“, so Reinders.
Persönliche Erlebnisse geschildert
Thematisch wird im Buch eine ganz Bandbreite von unterschiedlichen Aspekten wiedergegeben. So berichtet Mia Blazy etwa über ihre Zeit als Schwesternhelferin im Emmericher Feldlazarett: „Sie starben bei uns wie die Fliegen.“ Dr. Karl van der Ven erinnert sich an das Kriegsjahr 1943, als er als 15-Jähriger zum Flakhelfer ausgebildet wird. Stellung bezieht er unterhalb der Germania-Werke, wo er auch mit Lehrer Jakob Düffel in Kontakt kommt: „Der war übrigens Nazi-Gegner, und das wusste jeder, aber den hat nie jemand angezeigt. Das war ein doller Mann.“ Das Buch ist dann auch gespickt von vielen weiteren, teils sehr persönlichen Erlebnissen vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs.