Emmerich. Am Karsamstag 1945 besetzten kanadische Soldaten die Emmericher Innenstadt. Sie finden ein Trümmerfeld vor, in dem nur noch 441 Menschen leben.

Es ist der Karsamstag. An jenem 31. März 1945 endet für die wenigen noch verbliebenen Bewohner der Emmericher Innenstadt der Zweite Weltkrieg. Denn die alliierten Truppen besetzen nun das Stadtgebiet. Von Richtung Süden sind die Soldaten in das Trümmerfeld vorgestoßen.

Praester Kirche wird zerstört

Vorausgegangen sind diesem Ereignis noch weitere Beschießungen aller heutigen Emmericher Ortsteile. Den gesamten März über schlagen Granaten in Praest, Vrasselt und Dornick ein. Die Praester Kirche wird dabei am 17. März zerstört. Die drei Ortsteile gehören damals im Übrigen noch zu Rees-Land, deren Verwaltung aufgrund der Ereignisse nach Vehlingen verlagert wird.

Eltener verbringen viel Zeit im Keller

Auch Elten steht unter Beschuss. Im Buch Emmerich am Rhein 1900 - 2000 ein Rückblick von Herbert Kleipaß heißt es dazu: „Die Eltener Bevölkerung verbrachte wegen der Beschießung die meiste Zeit im Keller.“

Emmerich als Trümmerstadt, links Lohmann, hinten rechts der Schlot der Germania.
Emmerich als Trümmerstadt, links Lohmann, hinten rechts der Schlot der Germania. © NRZ | Archiv

Das bis zum heutigen Tage dramatischste Datum in der Emmericher Stadtgeschichte ist sicherlich der 7. Oktober 1944. Bei einem Bombenangriff wird die einst so stolze Hansestadt zu 97 Prozent zerstört. In den Trümmern liegen rund 600 Tote, etwa 1000 Menschen werden verwundet, zwei Dutzend vermisst.

Die Ereignisse in der ersten Hälfte des Jahres 1945 gehen in der Rückschau dabei ein wenig unter. Doch am 6. und 7. Februar starten erneut Bomberverbände in Richtung Emmerich. Ein Ziel war der Pastorshafen, in dem die Rheinfähre versteckt wurde. Die einzige Verbindung zum linksrheinischen Ufer verkehrte schon seit geraumer Zeit nur noch nachts.

Alliierte hatten detailliertes Kartenmaterial

Die Alliierten waren im Übrigen bestens mit detailliertem Kartenmaterial ausgestattet. So ist das Rheinmuseum im Besitz des Aufmarschplans der 7. kanadischen Infanterie-Brigade. Eben deshalb ist es auch nicht erstaunlich, dass am 7. Februar ganz gezielt der Brückenkopf Copray am linken Rheinufer und die Ölwerke Germania bombadiert wurde. Vier Tage später gibt es dann den ersten Granatenbeschuss. Ein sicheres Zeichen der näher kommenden Frontlinie.

Kampf um den Brückenkopf Copray

Der besagte Brückenkopf Copray wird ebenfalls Schauplatz von Kampfhandlungen. Diese beginnen am 14. Februar mit einem einstündigen Artilleriefeuer auf Emmerich. Der Beschuss von der linken Rheinseite wird über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten. So werden an der Martinikirche, in dessen Turm ein Beobachtungsposten der Wehrmacht untergebracht war, 270 Volltreffer gezählt. Ein unbekannter deutscher Soldat hatte dazu in seinem Kriegstagebuch notiert: „Ich schreibe diese Zeilen in der zerschossenen Martinikirche in Emmerich. Beobachtung auf dem Turm, Unterkunft in der noch bestehenden Sakristei, in der man sich vorkommt wie in der Zeit der Christenverfolgung. Die Martinikirche liegt unmittelbar am Strom. Emmerich ist völlig zerschossen und tot.“

Nazi-Funktionäre tauchen unter

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wissen auch die Machthaber, was die Stunde geschlagen hat. Das so genannte Tausendjährige Reich ist nicht mehr zu retten. Während zuvor noch in der gleichgeschalteten Presse die zynische Überschrift „Auch sie starben für Deutschlands Freiheit“ über eine Trauerfeier für Emmericher Bombenopfer zu lesen war, ist das Ende der Diktatur nun nur noch eine Frage der Zeit. An den so genannten Endsieg glauben die Menschen am Niederrhein nicht mehr. Selbst stramme Parteifunktionäre sind nun darauf bedacht, ihre eigene Haut zu retten. Wie etwa der Ortsgruppenleiter von Dornick, der am 24. März untertaucht.

Am selben Tag verlässt auch Emmerichs Bürgermeister Mai die Stadt. Er zieht ins sauerländische Grevenstein, wo bereits ein großer Teil der Emmericher Verwaltung untergebracht ist.

Brückenbau vor Emmerich am 2. April 1945. Die Königliche Kriegsmarine und die 1. Kanadische Pioniereinheit bringen Brückenteile für die Gerüstbrücke in die richtige Position.
Brückenbau vor Emmerich am 2. April 1945. Die Königliche Kriegsmarine und die 1. Kanadische Pioniereinheit bringen Brückenteile für die Gerüstbrücke in die richtige Position. © NRZ | Archiv

Nachdem die kanadischen Einheiten am 27. und 28. März in Praest, Vrasselt und Dornick einmarschiert sind und die Innenstadt am Karsamstag eingenommen worden ist, folgt die Besetzung von Elten am Ostersonntag.

Schwimmbrücke über den Rhein

Innerhalb kürzester Zeit werden die ersten Maßnahmen durch die Militärführung umgesetzt. So wird am Ostermontag, 2. April 1945, mit dem Bau einer Schwimmbrücke über den Rhein begonnen. Für die noch 441 in Emmerich lebenden Menschen wird der Standesbeamte Hubert Fink von den Kanadiern zum Bürgermeister ernannt.

Neun Pferdefuhrwerke voller Munition

Die Militärregierung verfügt dann auch, dass Zivilisten alle Schusswaffen, Kriegsmaterial und Vorräte abgeben müssen. Zudem sind Radiosendegeräte, Signalausrüstung und darüber hinaus auch Brieftauben an die alliierten Einheiten auszuhändigen. Bis Ende April wurden so in Emmerich neun Pferdefuhrwerke mit Munition gesammelt, die auf einer Ackerfläche an der Hohen Sorge zwischengelagert wurden.

>>> Zweiter Weltkrieg endet in Europa mit bedingungsloser Kapitulation der Wehrmacht

Mit den Ereignissen an Ostern enden in Emmerich die Kampfhandlungen. Bis zur Normalität ist es noch ein weiter Weg. Schließlich endet der Zweite Weltkrieg in Europa offiziell erst über einen Monat später am 8. Mai mit der bedingungslosen Kapitulation aller deutschen Streitkräfte.