Düsseldorf. 11.000 Senioren leben in Düsseldorf von Grundsicherung. Stella (72) ist eine von ihnen. Wie sie sich fühlt - und wer ihr in der Not hilft.
- 11.000 Menschen über 65 leben in Düsseldorf von der Grundsicherung – viele erleben finanzielle Notlagen
- Die von Jenny Jürgens gegründete Initiative Herzwerk Düsseldorf bietet hier unbürokratische Hilfe
- Viele der Seniorinnen und Senioren fühlen sich von der Gesellschaft verlassen – Einsamkeit ist ein großes Problem
Plötzlich ohne Wohnung dazustehen, das ist Dagmar Hauptvogels größte Angst. Ihr größter „Horror“ wäre, eine neue Wohnung suchen zu müssen, auf dem schwierigen Düsseldorfer Wohnungsmarkt. Sie habe Vorgaben vom Amt, müsste dann zu Mietpreisen suchen, die es im reichen Düsseldorf so kaum noch gäbe, erklärt die Rentnerin. Ihr Vermieter sei schon älter, die Angst, von der Wohnungsgesellschaft aus ihrer Wohnung gedrängt zu werden, real.
Altersarmut in Düsseldorf: Größter „Horror“ für Seniorin wäre Suche nach neuer Wohnung
Neben ihr sitzt Stella Heinecke. Die 72-Jährige fühlt sich im Stich gelassen von der Politik und der Stadt. Nach 45 Jahren Arbeit im Gastronomiegewerbe kann sie von der Grundsicherung, die sie jeden Monat erhält, kaum leben. Sie lebt alleine, am Sozialleben teilzunehmen ist schwierig, seit sie in der Rente ist – das meiste ist schlicht zu teuer. Sie fühlt sich „beiseite geworfen“ und konfrontiert mit einer Gesellschaft, die sozial immer kälter und immer unzugänglicher für ältere Menschen ist.
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Was den beiden Frauen, aber auch vielen anderen Seniorinnen und Senioren in schwieriger finanzieller Lage geholfen hat, ist das Herzwerk Düsseldorf. Vor 15 Jahren von Schauspielerin und DRK-Botschafterin Jenny Jürgens, Tochter von Udo Jürgens, gegründet, setzt sich die Initiative für ein „Altern in Würde“ ein. Dazu gehört vor allem die finanzielle Unterstützung, von der bisher rund 800 Seniorinnen und Senioren profitieren konnten, aber immer wichtiger wird auch technische Hilfe und Hausmeisterdienste. Aber auch einfach die Möglichkeit, miteinander in Kontakt zu kommen und Zeit zu verbringen, wollen die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer und die Verantwortlichen des Herzwerks bieten.
Herzwerk Düsseldorf: Gründerin und Ex-Schauspielerin Jenny Jürgens feiert 15-jähriges Jubiläum
Den Anstoß für die Gründung des Herzwerkes zusammen mit dem DRK bekam Jürgens 2009. Nachdem sie sich während ihrer Schauspielkarriere stark auf sich selbst fokussiert hatte, war da ein „innerer Druck“ endlich den Blick nach außen zu richten. Nun sei sie „so ein bisschen die Medientante“, wie sie es humorvoll ausdrückt. Dass sie dabei jedoch auch Kuratorin der Initiative ist und in den vergangen 15 Jahren hart daran gearbeitet hat, das Herzwerk dahin zu bringen, wo es heute ist, stellt sie weniger in den Fokus. Dabei ist die Leistung über die vergangen Jahre beachtlich.
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Mit der Herzwerkstatt entstand 2017 ein neues Zentrum für die Bemühungen der Initiative. In Teilen Beratungsstelle, Büro und Treffpunkt für Ehrenamtler, Senioren und Fachkräfte haben die Räumlichkeiten in der Oberbilker-Allee die Möglichkeiten des Herzwerks enorm vergrößert. Kochkurse für gesundes Essen finden hier statt, ebenso Workshops, bei denen Internet und Smartphone erklärt werden. Aber es wird sich auch einfach zu Plauderrunden getroffen, zum Frühstück oder zum gemeinsamen Friseurbesuch. Für viele Klientinnen und Klienten des Herzwerks sind die Räume ein fester Teil des sozialen Lebens geworden. „Hier wird gefeiert und auch geweint“, sagt Jürgens.
Alterseinsamkeit als großes Problem in Düsseldorf: Viele Menschen leben alleine
„Ich selbst werde glücklicherweise wohl nie in eine solche Situation kommen“, reflektiert die ehemalige Schauspielerin. Dass dennoch viele ältere Menschen von Armut betroffen sind, weiß sie natürlich dennoch. Alleine in Düsseldorf leben laut einer Erhebung der Stadt knapp 11.000 Menschen, die 65 Jahre und älter sind, von Grundsicherungsleistungen. „Wir leben in einer reichen Stadt, doch leben tausende in einer sehr prekären Lage“, erklärt der Düsseldorfer DRK-Vorstandsvorsitzende Stefan Fischer, der ebenfalls im Kuratorium des Herzwerks sitzt. Neben den ganz direkten Einschnitten ins tägliche Leben sieht er auch große Gefahren beim Thema Alterseinsamkeit.
„In Düsseldorf leben viele Menschen alleine“, so Fischer. Deshalb bemühe man sich, nicht nur finanzielle Hilfen zu leisten. „Unsere Ehrenamtlichen kommen auch einfach mal vorbei und erkundigen sich, wie es einem so geht“, erklärt er. Die Praxis nennt sich „Zeit spenden“ und wird von vielen der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern ausgeübt, die vielleicht nicht so große finanzielle Beiträge leisten können. Wie etwa von Alexandra Schulte, eine von 30 ehrenamtlichen Helfern, die das fünfköpfige Team von Herzwerk unterstützen.
Sie selbst ist berufstätig, suchte aber zusätzlich nach einer Möglichkeit, sich gezielt sozial zu engagieren. „Dann habe ich mich informiert und mich für das Herzwerk entschieden“, erzählt sie – in der engeren Auswahl war ebenfalls die Hilfe in einem Kinderhospiz. Zeit spendet Schulte, indem sie diese mit einem der ihr zugeteilten Senioren verbringt. „Wir haben schnell gemerkt, wo sich unsere Interessen überschnitten haben“, erzählt sie. Zuletzt waren die beiden zusammen in einer Ausstellung. Was Schulte besonders freut: „Seit dem ich Zeit mit dem Senior verbringe, taut er auf. Ich habe auch das Gefühl, dass er häufiger in die Herzwerkstatt kommt.“
Herzwerk Düsseldorf: 5.000 Anträge auf finanzielle Unterstützung in den letzten 15 Jahren
Wie viele Menschen die Räume besuchen, ist unterschiedlich, so Petra Kaiser, die als Fachkraft bei Herzwerk angestellt ist und sich um die Anträge für finanzielle Unterstützung kümmert. „Mal sind es zwei, drei Anträge, die ich bearbeiten muss, mal kommen auch zehn oder mehr Leute vorbei“, erzählt sie. „Viele wollen aber auch einfach einen Kaffee trinken, wir haben hier eine ziemlich familiäre Atmosphäre.“ Seit Bestehen des Herzwerks sind es knapp 5.000 Anträge gewesen, die über die Tische in der Initiative gingen. Häufigster Grund für die Bitte nach finanzieller Unterstützung sind Haushaltsgeräte. „Gerade im Sommer haben wir viele Anfragen, weil Kühlschränke kaputtgehen“, so Kaiser. „Wenn dann alles schnell geht mit der Prüfung des Antrags, können wir schon nach circa einer Woche helfen.“
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„Wir können nicht alle Wünsche erfüllen, aber viele“, erklärt Kaiser. Auch für sie ist gerade der soziale Aspekt des Herzwerks wichtig. Es sei wichtig, mit den Menschen in Kontakt zu bleiben und sie nicht alleine zu lassen. „Man glaubt gar nicht, wie die Menschen hinter verschlossenen Türen vereinsamen und verelenden können“, betont sie. Hierzu wendet sich auch nochmal Stefan Fischer an die Düsseldorfer: „Gehen sie mit offenen Augen durch die Straßen und ihre Wohnanlagen. Wenn Ihnen jemand auffällt, melden Sie sich bitte bei uns, dann kommen wir vorbei.“
Das Herzwerk unterstüzuen
Unterstützen kann man das Herzwerk Düsseldorf entweder als ehrenamtlicher Helfer oder als Helferin sowie durch Spenden. Das Spendenkonto lautet:
DRK-Kreisverband Düsseldorf e.V.
Stichwort: „Herzwerk“
Stadtsparkasse Düsseldorf
IBAN DE30 3005 0110 1005 4701 49
BIC DUSSDEDDXXX
Weitere Informationen finden sich unter: herzwerk-duesseldorf.de