Düsseldorf. Der Evangelischen Kirche in Düsseldorf schwinden immermehr Mitglieder. Eine große Umstrukturierung soll die Kirche für die Zukunft jedoch retten.
In Düsseldorf gibt es 86.810 evangelische Gemeindemitglieder – deutlich weniger als noch vor zehn Jahren, als es noch 113.635 waren. Und Prognosen für die Zukunft sehen keine Trendwende: Eine Studie aus Freiburg legt nahe, dass die Evangelische Kirche in Deutschland bis 2060 die Hälfte ihrer Mitglieder verlieren wird. Vielleicht aber sogar schon bis 2045, erklärt Düsseldorfs Evangelischer Superintendent Heinrich Fucks. „Es ist ein Thema, das uns seit Jahren begleitet“. Auch der Etat, aktuell bei jährlich 20 Millionen Euro für Kirchenkreis und Gemeinden, wird zukünftig deutlich weniger. Als erster Kirchenkreis im Rheinland versuchen die Düsseldorfer jetzt, sich für diese zukünftigen Entwicklungen mit einer ambitionierten Umstrukturierung aufzustellen: Aus den 17 Gemeinden der Landeshauptstadt soll organisatorisch in den nächsten jahren eine werden.
Aus 17 Gemeinden könnte eine einzige werden
„Eine Gemeinde 2028“ betitelt die Evangelische Kirche in Düsseldorf dementsprechend ihr Zukunftsprogramm. Bis zu dem angeführten Datum sollen die Weichen für eine gemeinsame Organisationsform der bisherigen Gemeinden gestellt werden, heißt es. Wie die genau aussieht, steht noch nicht fest, erklärt Fucks. „So viel Vielfalt wie möglich, so viel Einheit wie nötig“, steht als Maxime über dem Vorhaben, das unter anderem eine bessere Ressourcennutzung möglich machen soll.
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Hinter dem Mitgliederverlust sieht Fucks vor alleim eine größere kulturelle Veränderung „Die können wir nur marginal beeinflussen.“ Darauf, die Entwicklung umzukehren, macht sich der Kirchenkreis also keine Hoffnungen. Während die Zahl der Kirchenmitglieder abnehme, steige bei den Menschen allerdings auch der Bedarf an Orientierung, Halt und Seelsorge, fügt Fucks hinzu. Das sieht er auch durch das Bürgergutachten „Glaube in der Stadt“ bestätigt, das der Kirchenkreis 2022 herausgab.
Die Umsetzung von „Eine Gemeinde 2028“ hat die Synode im Juni 2024 beschlossen. Zur Umsetzung wurde ein Steuerungskreis gebildet, in dem neben allen Gemeinden auch die Diakonie und die evangelische Jugend vertreten sind. Alle Gemeinden sollen so aktiv in den Prozess eingebunden werden. Die Arbeit soll dann in vier Teilprogrammen unter den Titeln „Evangelisches Leben“, „Leitung und Organisation“, „Mitarbeitende“ und „Ressourcen und Services“ stattfinden. Das Eine-Gemeinde-Projekt soll 2028 in die Erprobung starten und die Erfahrungen mit der neuen Organisationsform dann innerhalb von sechs Jahren ausgewertet werden.
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Das Handeln als eine Gemeinde übt die evangelische Kirche in Düsseldorf aktuell mit drei Pilotprojekten zur Konfirmandenarbeit, Nachhaltigkeit und Kommunikation. Für letzteren Bereich bedeutet das etwa eine neue, gemeinsame Webpräsenz: „Dabei arbeiten im Pilotprojekt die Gemeinde Düsseldorf Mitte, die Emmausgemeinde und die Mirjamgemeinde zusammen“, erklärt Jessica Voß, Pressebauftragte des Kirchenkreises, die das Kommunikationsprojekt leitet. In Vorbereitung ist dabei ein Portal, auf dem die Gemeinden gesammelt präsent sein und ihre Veranstaltungen bewerben können.
27 Gemeindezentren, zwölf Jugendeinrichtungen und 38 Kitas
Wie viele von den aktuell 29 evangelischen Kirchen in zehn Jahren noch als solche genutzt werden, ist aktuell ungewiss. Eine Gebäudebedarfsplanung soll bis Ende 2025 passieren, erklärt Holger Wegmann, Geschäftsführer des Kirchenkreises. Dann entscheidet sich auch, was im Einzelnen mit den vielen weiteren Gebäuden passiert, die die evangelischen Gemeinden in Düsseldorf haben: 27 Gemeindezentren, zwölf Jugendeinrichtungen und 38 Kindertagesstätten. Fünf Faktoren sollen bei der Entscheidung über die Gebäude jeweils herangezogen werden, erklärt er: Standort und die dortige Erreichbarkeit, die bisherige Nutzung und die Eigenschaften des das Gebäude selbst – zum Beispiel bestehender Denkmalschutz – zählen dazu. Hinzu kommt das Thema ökologischer Nachhaltigkeit und Fragen der Finanzierbarkeit.
Superintendent Heinrich Fucks schätzt auf Basis seiner bisherigen Erfahrungen in den Stadtteilen, dass langfristig 10 bis 15 der evangelischen Kirchen als Kirchen übrig bleiben könnten. „Die jüngsten unserer Kirchen hier sind in den 1960ern gebaut worden“, erklärt er, „Damals hatten wir mehr als 260.000 Mitglieder in Düsseldorf.“ Darin, Kirchengebäude zu unterhalten, die kaum noch genutzt werden können, sehe er wenig Sinn. Für solche Gebäude käme dann eine nicht-kirchliche Nachnutzung infrage – zum Beispiel für bezahlbaren Wohnraum, erwähnt Fucks.
Ein Missverständnis will der Geistliche dabei direkt aus der Welt räumen: „Es wird nicht so sein, dass dann alles auf die Johanneskirche fokussiert wird!“ Die Vielfalt der verschiedenen Kirchen und Gemeinden in der Stadt soll so gut es geht erhalten werden. Ein schwieriges Thema wird dabei sein, wie mit dem Besitz der einzelnen Gemeinden verfahren wird, hier gebe es aus den Gemeinden auch Sorgen.
Unter Kirchen-Mitarbeitern steht auch ein Generationswechsel an
Welche der kirchlichen Einrichtungen dauerhaft erhalten bleiben, wird sich erst in der Gebäudebedarfsplanung ergeben. Bezüglich der Kindertagesstätten betont Wegmann allerdings: Hier sei der Bedarf in der Stadt sehr hoch, die Kitas gehören zu den am meisten genutzten Einrichtungen der Kirche in der Landeshauptstadt. Schließungen seien deswegen unwahrscheinlich.
Auch bei den Mitarbeitern der Kirche steht ein gewisser Umbruch bevor. Aktuell gibt es 78 Pfarrstellen, von denen 60 refinanziert sind. Von letzteren soll es 2030 nur noch 30 geben. Beim Kirchenkreis geht man davon aus, dass die Notwendigkeit zur Reduzierung aber durch ein Übergehen in den Ruhestand und Wechsel in andere Stellen erfüllt werden kann. „Ich gehöre selbst zur Generation der Baby-Boomer, die in den kommenden Jahren in Rente geht“, erklärt Fucks. „Diese Entwicklung geht auch an der Kirche nicht vorbei – wie an der ganzen Gesellschaft.“
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