Düsseldorf. Trotz Rekord-Meldungen zur EM: In der Altstadt machen wieder Läden dicht. Hat die Altstadt ein grundsätzliches Problem? Wir haben nachgefragt.

Wenn die Europameisterschaft vorbei ist, wird es zumindest unter der Woche wieder ruhiger in der Altstadt. Auf Bolker, Ratinger und Co. werden deutlich weniger Menschen unterwegs sein. Und schon jetzt ist klar: Es wird ein vermindertes Angebot geben, denn mindestens zwei Läden werden ihre Pforten nicht wieder öffnen. Wohin geht‘s mit Düsseldorfs Feier-Viertel?

30.000 Euro Pacht an der Bolker Straße: Die müssen auch reinkommen

Dass der sogenannte Bier-Stadl nach einem halben Jahr schon aufgibt, mag auch an strukturellen Problemen liegen. Laut Rheinischer Post habe der monatliche Pachtzins für den Standort bei etwa 30.000 Euro gelegen, die gilt es erstmal wieder reinzukriegen. Namentlich, wenn nebenan und gegenüber wohletablierte Läden mit einer ganz ähnlichen Ausrichtung zur Verfügung stehen: Oberbayern, Kuhstall und Co.

Der Bierstadl-Betreiber ist jetzt raus, der Pachtgeber wechselt indes nicht: AB Inbev. Der Biergigant aus Belgien versucht, einen Fuß in die Tür der Altstadt zu bekommen. Dazu haben sie insgesamt vier Standorte in Düsseldorf aufgemacht und lassen Düsseldorfer Gastronomen darin Läden betreiben. Für ein kräftiges Entgeld und mit der Ansage, hier nur Brauerzeugnisse aus dem eigenen Portfolio auszuschenken.

Der Bierstadl wurde anscheinend vom Wirt der Villa Wahnsinn betrieben, also durchaus von jemandem, der sich in der Altstadt und vor allem auf der Bolker Straße auskennt. Das hat ihn allerdings auch nicht davor bewahrt, im Bierstadl schon nach sechs Monaten die Reißleine ziehen zu müssen. Verpächter AB Inbev hingegen gibt die Hoffnung nicht auf. Es heißt, dass bereits nach einem neuen Pächter gesucht wird. Die Ausrichtung solle ähnlich sein, meldet die Rheinische Post.

Dehoga-Spezialist: „Es war noch nie einfach, einen Club zu betreiben“

Thomas Kolaric vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) kennt die Altstadt. Insgesamt, so glaubt er, stehe sie gut da: „Insbesondere die Nachfragesituation ist nach wie vor gut.“ Allerdings sehe er ein mögliches Problem beim Image der Altstadt. „Wir haben schon lange diese Diskussion, ob Düsseldorfer überhaupt noch in die Altstadt gehen können. Sie ist zwar ein echter Hotspot, die Frage ist aber, welches Publikum sich hier bewegt.“

Bierstadl, Oberbayern und Villa Wahnsinn: Das Publikum in diesen Läden kommt häufig eher aus dem Umland. Im Falle des Bierstadls mochte das auch am erhältlichen Bier gelegen haben, das die von den Hausbrauereien verwöhnten Gäste auf Abstand hielt. Alt gab es im Bierstadl, dem selbsternannten Herz der Altstadt, nur in Form von Diebels. Kein Wunder, gehört die Issumer Traditionsbrauerei doch bereits seit einem knappen Vierteljahrhundert zum Belgischen Bier-Multi.

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Derweil muss internationales Bier nicht unbedingt eine Schwäche sein. Wenn es ohnehin ein tendenziell ortsfremdes Publikum ist, dass sich hier zum Feiern trifft, dann sind Füchschen, Schlüssel und Co. hier vielleicht auch nicht die großen Zugpferde. Einem internationalen Publikum sind Diebels, Becks und Spaten Helles mit größerer Wahrscheinlichkeit ein Begriff. Und internationale Gäste zieht es auf die Bolker.

Kolaric zeigt sich gerade angesichts der Fussball-EM überzeugt, dass die Altstadt insgesamt international gut bekannt sei. „Auch im Ausland weiß man offensichtlich, dass man in der Düsseldorfer Altstadt gut feiern kann.“ Damit spiele Düsseldorf in einer Liga mit Hamburgs berühmter Reeperbahn. „Die Parallelen sind da.“ Und die Zugkraft auch. Dennoch: „Einfach war es nie, hier einen Club zu betreiben. Und angesichts von Inflation und hohen Personalkosten wird das auch so bleiben.“

Ratinger Straße: Das gallische Dorf der Altstadt?

Und doch: Es kann eben sehr gut funktionieren, wie Daniel Vollmer von der Retematäng zeigt. Der Gastwirt betrieb bis letztes Jahr auch das Schickimicki, gab es aber an einen ehemaligen Kellner ab. Die Gründe waren derweil private: „Ich bin Familienvater geworden, da wollte ich etwas kürzertreten.“ Die Retematäng liegt, wie der Name schon sagt, auf der Ratinger Straße. Vollmer erklärt, dass man hier noch gut ausgehen könne: „Die Ratinger war ja immer mehr was für die Düsseldorfer. Die ganzen Junggesellenabschiede von außerhalb bleiben ja eher auf der Bolker.“ Im Ergebnis haben die Läden auf der Ratinger Straße dadurch ein homogeneres Publikum: „Hier gibt‘s kein Palaver.“

Sein Bier bezieht der Wirt quasi vom Nachbarn: „Das kommt aus dem Füchschen.“ AB Inbev ist hier weit weg. Und doch: „Es scheint ja einen Bedarf zu geben auf der Bolker Straße.“ Der Bierstadl sei ihm bis zur Schließung zwar kein Begriff gewesen, aber „dass Läden wie das Oberbayern und der Kuhstall ihr Publikum seit Jahrzehnten finden, spricht ja auch für sie.“ Leben und lebenlassen, heißt es also auf der ruhigeren Ratinger.

Auch auf der Ratinger Straße gibt es Schließungen

Doch auch die Ratinger Straße kennt es, wenn Läden ihre Türen schließen müssen. Jüngst traf es den reanimierten Ratinger Hof, den Stanislava Balueva übernommen hatte. Die studierte Soziologin hatte den Laden, in dem legendäre Acts wie Mittagspause, DAF und die Fehlfarben zusammenfanden, erst im Juli 2023 übernommen. Nun standen Verhandlungen mit dem Pachtgeber an, der wollte mit 7000 Euro monatlichem Zins aber deutlich zu viel, wie Balueva der Rheinischen Post sagte. Namentlich, weil der Ratinger Hof bewusst „nicht renditeorientiert, sondern gewinnrückführend“ geführt wurde, wie Balueva vor geraumer Zeit gegenüber unserer Redaktion erklärte. Die neuen Konditionen waren augenscheinlich nicht zu stemmen.

„Schade“ sei das, sagt Vollmer. Er habe den Eindruck gehabt, im Ratinger Hof sei gute Arbeit geleistet worden. „Konzertlocations sind einfach unglaublich schwierig.“ Und es fehle an ihnen in der Landeshauptstadt. Bürgermeisterin Clara Gerlach hatte die Idee aufgebracht, die Stadt könne sich des Ratinger Hofs ja annehmen und als Pächter einsteigen. Das hält Vollmer für eine gute Idee. „Es wäre gut, wenn wir eine solche Konzert-Location haben würden“. Womöglich ist das allerletzte Kapitel des Ratinger Hofs also doch noch nicht geschrieben.

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