Die größte deutsche Bank ist mitverantwortlich am Untergang des Medienunternehmers. Bank-Chef Fitschen unter Beschuss.

München. Steuerrazzia, Gewinnwarnung Libor-Skandal und jetzt auch noch das Urteil im Kirch-Prozess: In jüngster Zeit läuft es nicht rund für die Deutsche Bank und das Urteil vom Oberlandesgericht München verdüstert die Lage zusätzlich. Das Geldinstitut muss nun auch noch den Erben des Medienunternehmers Leo Kirch Schadenersatz zahlen.

„Im Prinzip ging diese Woche für die Deutsche Bank alles schief, was schiefgehen konnte“, brachte es ein Börsianer auf den Punkt. Die Aktie der Bank lag zum Wochenschluss 2,5 Prozent im Minus.

Das Geldhaus und sein früherer Chef seien mitverantwortlich für die Pleite von weiten Teilen des Konzerns 2002, urteilte das Gericht am Freitag. Gutachter sollen die Höhe bestimmen. Richter Guido Kotschy sah es für zahlreiche Teile des Konzerns als erwiesen an, dass Äußerungen des früheren Bankchefs Rolf Breuer das Ende des Imperiums besiegelt hätten. Breuer hatte vor zehn Jahren in einem Interview indirekt Zweifel an der Kreditwürdigkeit Kirchs geäußert.

Kirch-Anwalt Peter Gauweiler erklärte nach dem Schuldspruch, das Urteil gehe weit darüber hinaus, was seine Partei erhofft hatte. Die Erben verlangten insgesamt zwei Milliarden Euro von der Deutschen Bank. Allerdings schloss das Gericht für einige der einst 17 Kirch-Gesellschaften Ansprüche aus. Revision gegen sein Urteil schloss das Gericht aus.

Die Anwälte der Deutschen Bank kündigten dennoch an, Rechtsmittel dagegen zu prüfen. So will die Deutsche Bank nach Angaben aus informierten Kreisen das Urteil vor dem Bundesgerichtshof (BGH) anfechten. „Prozessbeobachter gehen davon aus, dass die Bank Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH einlegen wird“, hieß es am Freitag. Geld fließt in dem Dauerstreit also weiter nicht. Ein Sprecher der Bank erklärte, die Bank werde die schriftliche Urteilsbegründung prüfen und dann über das weitere Vorgehen entscheiden.

Im Kirch-Prozess hatte Richter Kotschy mehrmals deutlich gemacht, dass er der Deutschen Bank ihre Version nicht abkauft. Schon im November hatte er die Einschätzung geäußert, durch das umstrittene Interview von Ex-Bankchef Breuer zur Kreditwürdigkeit des mittlerweile verstorbenen Medienzars sei Kirch ein Schaden von 120 Millionen bis 1,5 Milliarden Euro entstanden. Am Freitagmorgen hatte er diese Einschätzung bekräftigt. Ein Sprecher der Bank verwies nach dem Urteil darauf, dass zunächst kein Geld an die Gegenpartei fließe und die Summe nach wie vor offen sei.

Die Bank zeigte sich im Übrigen unbeirrt: „Die Bank ist weiter davon überzeugt, dass die von der Klägerseite geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen und das Interview von Herrn Dr. Breuer die angeblichen Schäden nicht verursacht hat“, erklärte das krisengeschüttelte Unternehmen.

Der Streit zieht sich bereits seit zehn Jahren hin, mehrere Vergleichsversuche sind gescheitert. Breuer hatte in dem Verfahren beteuert, er habe mit seinem Interview Anfang Februar 2002 keinen Druck auf Kirch aufbauen oder ihm schaden wollen. Auf die Frage nach den Zukunftschancen des hochverschuldeten Kirch-Konzerns hatte der Manager seinerzeit gesagt: „Was man alles lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder sogar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen.“

Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen wies Anschuldigungen der Steuerhinterziehung zurück. „Die Vorwürfe haben mich erschüttert. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie sich als unbegründet erweisen werden“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Er sei in seinem Berufsleben stets den Prinzipien des ehrbaren Kaufmanns treu geblieben.

„Insofern fühle ich mich ungerecht behandelt und werde mich auch dagegen wehren.“ Für einen Rücktritt sehe er keinen Grund. Er erhob seinerseits Vorwürfe gegen die Strafverfolger, die in dieser Woche bei einer Großrazzia in Gebäuden des Instituts Akten beschlagnahmt haben: „Meines Erachtens war das Vorgehen der Staatsanwaltschaft überzogen“, sagte er dem „Handelsblatt“.

Fitschen und sein Finanzvorstand Stefan Krause gehören zu den 25 Mitarbeitern der Bank, gegen die in der Affäre um Steuerbetrug im Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten unter anderem wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt wird. Rund 500 Polizisten und Steuerfahnder hatten am Mittwoch die Frankfurter Zentrale der Bank durchsucht.

Vier Angestellte sitzen seit der Razzia wegen des Verdachts der Geldwäsche und der Vertuschung in Haft. Dabei handelt es sich Finanzkreisen zufolge um Mitarbeiter der Rechts- und der IT-Abteilung, darunter auch ein Jurist, der die Bank bei zahlreichen Rechtsstreitigkeiten vertritt. Konkret wird einigen von ihnen vorgeworfen, E-Mails zu den fraglichen Geschäften gelöscht zu haben, um sie den Ermittlern vorzuenthalten.

Grundsätzlich räumte Fitschen, der sich zusammen mit Co-Chef Anshu Jain einen „Kulturwandel“ in der Bank auf die Fahnen geschrieben hat, in den Interviews auch Fehler seines Hauses ein. „In dem Bestreben, als deutsche Bank auch international erfolgreich zu sein, hat mein Institut sich auch auf neue Märkte und Produkte konzentriert. Dabei ist in einigen Fällen das rechte Maß verloren gegangen.“

Die Deutsche Bank ist in zahlreiche Rechtsstreitigkeiten verstrickt, vor allem in den USA - dabei geht es zumeist um streitbare Geschäfte der Investmentbanker, also in Jains früherem Zuständigkeitsbereich. Auch die fraglichen Kundengeschäfte mit CO2-Verschmutzungsrechten lagen in der Sparte, wie Fitschen betonte. „Es ist außerordentlich ärgerlich, dass die Deutsche Bank diese Fehler gemacht hat“, sagte er mit Blick auf die diversen Affären.

Fitschen und Krause sind nach Angaben der Bank ins Visier der Ermittler geraten, weil sie die Umsatzsteuererklärung für 2009 unterschrieben haben. Darin hatte das Institut 310 Millionen Euro Steuererstattungen geltend gemacht, die es nur wegen der Betrügereien beanspruchen konnte.

Die Bank hatte die Erklärung später zwar korrigiert und auf die Ansprüche „vorläufig verzichtet“ - nach Ansicht der Ermittler kam dieser Schritt aber zu spät. Laut Fitschen läuft die interne Aufklärung des Falls noch. „Ich bedaure es auch sehr, dass wir noch nicht weiter sind.“ Er räumte zudem ein, dass die Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft ausbaufähig sei.