Razzia, Libor-Skandal, Gewinnwarnung – nun droht der Bank ein weiterer Schlag: Gericht sieht gute Gründe, die Bank zu verurteilen.

München. Die größte Deutsche Bank muss sich nach einem zehnjährigen Prozessmarathon darauf einstellen, Schadenersatz im Milliardenbereich leisten zu müssen. Das Oberlandesgericht München hat die Deutsche Bank am Freitag auf eine Niederlage im Milliardenprozess gegen die Kirch-Erben eingestimmt.

Das Gericht bekräftigte seine Einschätzung, dass der damalige Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer Anfang 2002 den vor der Pleite stehenden Medienzaren Leo Kirch öffentlich unter Druck gesetzt hat, um einen Sanierungsauftrag für die Bank zu ergattern. Damit könnte Breuer Kirch vorsätzlich rechtswidrig geschadet haben. Breuers Erklärungen dazu seien nicht plausibel, sagte Richter Guido Kotschy.

Die Argumente des Kreditinstituts überzeugten den Senat weiterhin nicht, sagte Vorsitzende Richter Kotschy. „Das, was von der Beklagten gekommen ist, ist nicht geeignet, ein zutreffendes Bild zu zeichnen“, sagte er.

Der Richter bekräftigte seine vorläufige Einschätzung vom November, wonach durch das umstrittene Interview von Ex-Bankchef Rolf Breuer zur Kreditwürdigkeit des mittlerweile verstorbenen Medienzars Leo Kirch ein Schaden von 120 Millionen bis 1,5 Milliarden Euro entstanden sei.

Im letzten angesetzten Prozesstag versuchten die Juristen der Deutschen Bank bereits für einen kostspieligen Schuldspruch vorzusorgen. Sie beantragten beim Senat, eine Revision gegen das Urteil zuzulassen.

Zudem forderten sie gerichtlichen Schutz davor, dass die Kirch-Seite ihr Geld per Gerichtsvollzieher beitreiben kann. Eine Vollstreckung würde die „Zahlungsdienstleistungen für die Kunden erheblich beeinträchtigen“ und führe zu „massiven Kollateralschäden“, formulierten die Juristen.

Der Streit zieht sich bereits seit zehn Jahren hin, mehrere Vergleichsversuche sind gescheitert. Breuer hatte in dem Verfahren beteuert, er habe mit seinem Interview Anfang Februar 2002 keinen Druck auf Kirch aufbauen oder ihm schaden wollen. Auf die Frage nach den Zukunftschancen des hochverschuldeten Kirch-Konzerns hatte der Manager seinerzeit gesagt: „Was man alles lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder sogar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen.“

Richter Kotschy betonte am Freitag, er folge weiterhin nicht der Sicht Breuers, dass es sich um einen Unfall gehandelt habe. Die Schreiben der Anwälte hätten die Zweifel des Senats nicht entkräftet, eher bestärkt. Zudem zeigte sich der Richter erbost über Teile der Prozessführung.

Dass das Kreditinstitut etwa eine Version einer Anfrage der Bundesbank vorgelegt habe, die nicht von Breuer abgezeichnet war, während die Prozessgegner ein Exemplar mit dem Handzeichen des einstigen Bankchefs vorlegte habe die Justiz „im höchsten Maße irritiert“, sagte Kotschy. „Das kann nicht zu ihren Gunsten ausgelegt werden.“

Die Verschwörungstheorie der Kirch-Seite, das alles minutiös geplant gewesen sei, sei aber auch übertrieben, so Kotschy. Eine Reihe von Konzerntöchtern hätten zudem keinen Anspruch auf Schadenersatz, machte er am Freitag klar.

Die Erben des Medienunternehmers fordern gut zwei Milliarden Euro. Sie argumentieren, erst nach dem Interview hätten die Banken den Geldhahn zugedreht und ein Einstieg des US-Konzerns Disney bei der damaligen Kirch-Tochter ProSieben sei geplatzt.

Richter Kotschy sagte mit Blick auf frühere Gerichtsurteile bis hin zum Bundesgerichtshof (BGH), sein Senat habe neue Ansätze zur Aufklärung genutzt: „Wir haben mehr Erkenntnisse, mehr Beweisaufnahme.“ Die Bank habe nicht widerlegt, dass sie bei Kirch Schäden verursacht habe.

Der Senat wollte die Verhandlung nach einer Mittagspause am Freitag fortsetzen.