Politik will Auskünfte über Zinsmanipulationen der Großbanken. Deutsche-Bank-Chef Jain schickt Kollegen und erntet Kritik vom Vorgänger.

Berlin. In Berlin sollte der neue Co-Vorstandschef Anshu Jain der Deutschen Bank die Politiker über die weltweiten Zinsmanipulationen durch Großbanken im Libor-Skandal informieren. Doch dieser erscheint nicht persönlich und schickt stattessen seinen für Rechtsfragen zuständigen Vorstandskollegen Stephan Leithner vor. Auch der frühere Risikochef der Deutschen Bank, Hugo Bänziger, soll vor dem Ausschuss aussagen.

Der Zinsskandal hat die Finanzbranche in eine tiefe Vertrauenskrise gestürzt. Etliche Großbanken sollen wichtige Referenzzinssätze wie den Libor („London Interbank Offered Rate“) in den Jahren 2005 bis 2009 zu ihren Gunsten manipuliert haben. Der Libor wird unter anderem als Grundlage für Geldgeschäfte von Banken untereinander verwendet. Er wird täglich durch eine Abfrage der aktuellen Zinssätze bei Großbanken ermittelt.

Weltweit ermitteln die Behörden. Bei der Deutschen Bank läuft eine Sonderprüfung der Finanzaufsicht Bafin. Zwei Deutsche-Bank-Mitarbeiter wurden wegen der Tricksereien gefeuert. Die britische Großbank Barclays hatte als erste Fehler eingestanden und eine hohe Strafe gezahlt.

Die Einladungen der Politiker sind zwar keine Vorladungen. Dennoch: Bei der Opposition löste die Entscheidung einen Sturm der Entrüstung aus. Und auch der langjährige Deutsche-Bank-Chef und Jain-Vorgänger Josef Ackermann teilt aus: „Ich finde, dass der Chef hier auf die Bühne gehört“, erklärte er am Montagabend bei einer „Handelsblatt“-Veranstaltung in Frankfurt.

„Es ist bekannt: Ich habe mich immer diesen Fragen gestellt. Ich finde nach wie vor, das ist Aufgabe eines Chefs, sich dieser Verantwortung zu stellen“, sagte Ackermann. „Als Chef nimmt man die Kritik und manchmal auch das Lob. Ich finde schon, dass der Chef hier auf die Bühne gehört“, sagte Ackermann unter dem Applaus der etwa 500 Gäste.

In der Bank wurde Ackermanns Schelte mit Irritation aufgenommen. Das Institut hatte schon früher erklärt, es sei üblich, zu solchen Anhörungen einen sachkundigen Vertreter zu schicken.

Aus den Archiven kramten die Verteidiger der seit Juni 2012 amtierenden Doppelspitze Anshu Jain/Jürgen Fitschen zudem einen Fall aus dem Mai 2009: Damals bat der Bundestags-Finanzausschuss Ackermann, Auskunft zu Geschäften des Dax-Konzerns mit Steueroasen zu geben. Ackermann schickte Medienberichten zufolge nicht einmal einen Vertreter.

„Der Libor-Fall ist kriminell, absolut nicht entschuldbar. Jeder, der Verantwortung getragen hat, muss die Konsequenzen ziehen“, betonte Ackermann.

Es ist nicht die erste öffentliche Rüge Ackermanns für Jain: Bei einer „Spiegel“-Veranstaltung Ende Oktober in Hamburg nannte Ackermann Jains Äußerungen laut Medienberichten „schädlich“. Jain hatte der „Welt am Sontag“ gesagt, Europa müsse wegen der immensen Kosten der Euro-Rettung mit Inflation rechnen: „Das ist ein Preis, den wir für Europa werden zahlen müssen.“

Ackermann bekräftigte am Montag: „Die Inflationsproblematik, die viele so hochstilisieren, ist so nicht gegeben.“ Aktuell und in den nächsten Jahren sehe er keine Inflationsgefahren infolge der weit geöffneten Geldschleusen.

„Die EZB ist sich sehr bewusst, dass sie die Liquidität, die tendenziell entstehen könnte, abschöpfen muss, sobald die Konjunktur anspringt. Aber davon sind wir leider noch einige Jahre entfernt“, sagte Ackermann.