Weltweit sollen erste Verhaftungen erfolgen. Deutsche Finanzaufsicht rät Banken zu Rückstellungen und hat Deutsche Bank im Visier.

Frankfurt/Main. Im Libor-Skandal stehen die US-Staatsanwälte und europäischen Wettbewerbsbehörden Kreisen zufolge kurz vor den ersten Festnahmen von Händlern. Dies sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen. Demnach haben mehrere Staatsanwälte aus Washington erst kürzlich Kontakt mit den Rechtsvertretern der verdächtigen Personen aufgenommen und ihnen mitgeteilt, dass die Strafanträge und Festnahmen kurz bevorstehen könnten. Die ersten Festnahmen könnte es in den nächsten Wochen geben, hieß es.

Zeitgleich zu den Strafanträgen arbeiten die Wettbewerbsbehörden in der Affäre um Zinsmanipulationen daran, die Großbanken zu überführen und mit Strafen zu belegen. Ein aus Europa stammender Informant sagte, die Geldhäuser hofften darauf, dass die Regulierungsbehörden die Hauptschuld in dem Fehlverhalten einzelner Händler sähen. In Europa konzentrierten sie sich auf einen Ring aus Händlern verschiedener Banken, die offenbar an der Manipulation des Libor und anderer Zinse beteiligt waren. Es seien mehr als eine Handvoll betroffen.

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Weltweit wird gegen mehr als ein Dutzend Großbanken ermittelt, weil sie in der Finanzkrise ab 2007 den Libor manipuliert haben sollen. Der Zinssatz wird einmal täglich in London ermittelt und basiert auf den Angaben der Institute zu ihren Refinanzierungskosten. Er dient als Basis für Finanztransaktionen im Volumen von mehr als 500 Billionen Dollar - von Hypotheken über Kreditkarten bis hin zu Derivaten. Die Ermittlungen in dem Skandal haben angezogen, seit Barclays ein Fehlverhalten von Händlern einräumte.

Bafin-Chefin legt Banken Rückstellungen nahe

Unterdessen hat die deutsche Finanzaufsicht Bafin die an der Manipulation des Libor-Zinssatzes beteiligten Banken vor empfindlichen Geldforderungen. „Wir versuchen derzeit, gemeinsam mit der britischen und der US-Aufsicht herauszufinden, inwiefern deutsche Institute an dem Skandal beteiligt waren“, sagte Bafin-Chefin Elke König dem Magazin „Der Spiegel“ „Grundsätzlich müssen Banken für eventuelle Schäden angemessene Rückstellungen bilden.“

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In dem Skandal konzentrieren sich die Ermittlungen in der Bundesrepublik auf die Deutsche Bank. Sie ist seit der Auflösung der WestLB als einziges deutsches Institut an der Libor-Festsetzung beteiligt. Bei der Deutschen Bank läuft deswegen eine Sonderprüfung durch die BaFin – das ist das schärfste Schwert der deutschen Finanzaufseher. Über den Skandal stürzte die gesamte Führungsspitze der britischen Bank Barclays. Sie hat als bisher einziges Geldhaus ein Fehlverhalten von Händlern eingeräumt und muss eine halbe Milliarde Dollar Strafe zahlen. Weltweit wird bei mehr als einem Dutzend Großbanken ermittelt. Mehrere Banken wollen den Skandal Finanzkreisen zufolge mit einem gemeinsamen Vergleich mit den Behörden hinter sich bringen.

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Die Bafin-Chefin schloss sich den Forderungen anderer Bankaufseher an, Alternativen zur bisherigen Festsetzung des Libor einzuführen. „Man könnte mehr Geschäfte an die Entwicklung von anderen Papieren knüpfen, Staatsanleihen etwa“, sagte König. „Jedenfalls sollte man als Grundlage für die Ermittlung des Libor reale Transaktionen verwenden – nicht irgendwelche Schätzwerte.“ Für solche Reformen haben sich unter anderem bereits die Notenbankchefs der USA, Großbritanniens und Kanadas ausgesprochen. Der kanadische Zentralbankchef Mark Carney brachte sogar eine Abschaffung des Libor ins Spiel und plädierte dafür, den Referenzzins stärker marktbasiert zu ermitteln.

„Der Libor-Zins lud zu Manipulation geradezu ein“, sagte König. „Es gibt keine Kontrollen von außen. Noch dazu geben die Institute lediglich Schätzungen ab, was sie für den Tag erwarten“, erklärte die Finanzaufseherin und fügte hinzu: „Aus heutiger Sicht macht mich das sprachlos.“ Seit vielen Jahren melden große internationale Banken einmal täglich dem britischen Bankenverband die Zinsen, zu denen sie sich von anderen Banken Geld leihen können. Auf dieser Basis ermittelt der Verband in der europäischen Finanzmetropole London den Referenzzins. Er dient als Grundlage für zahlreiche Geschäfte von Hypotheken über Kreditkarten bis hin zu Derivaten.

Die Deutsche Bank hat Finanzkreisen zufolge im Zusammenhang mit dem Libor im vergangenen Jahr nach internen Untersuchungen bereits zwei Händler beurlaubt. Für den neuen Vorstandschef Anshu Jain hat die Aufklärung des Skandals höchste Priorität, da dieser das Institut und die neue Führung in Bedrängnis bringen könnte, wie es in Finanzkreisen heißt. Das Institut sicherte sich in der Affäre um Zinsmanipulationen Insidern zufolge bereits bei der EU und in der Schweiz den Status eines Kronzeugen. Damit würde die Bank im Falle einer möglichen Strafe einen Nachlass bekommen. Die Vereinbarung mit den Ermittlern gehe jedoch nicht mit einem Schuldeingeständnis einher, hatte es im Umfeld der Bank geheißen.

Parallel zu der Libor-Sonderprüfung bei der Deutschen Bank nimmt die Bafin Finanzkreisen zufolge auch die Mechanismen zur Festlegung des europäischen Referenzzinssatzes Euribor unter die Lupe. Zwar habe die Behörde keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass deutsche Banken versucht haben, den Euribor zu manipulieren. Sie kontrolliere jedoch, ob die Institute ausreichende Vorkehrungen getroffen hätten, um Betrügereien wie beim Libor zu verhindern. An der Festlegung des Euribor beteiligt sind neben der Deutschen Bank die Commerzbank, DZ Bank, LBBW, BayernLB, Helaba, NordLB und Landesbank Berlin. Die Europäische Zentralbank (EZB) dringt Notenbankkreisen zufolge beim Euribor ebenfalls auf Reformen. Auch hier gehe es um die Frage, wie der Zinssatz künftig ermittelt werden soll. (Reuters/abendblatt.de)