Der ehemalige Deutsche-Bank -Chef Josef Ackermann hat dementiert, seine Nachfolger Anshu Jain und Jürgen Fitschen als „Loser“ bezeichnet zu haben: „Ich weise diese böswillige Behauptung zurück und behalte mir rechtliche Schritte vor“.

Frankfurt/Main. Für Anshu Jain ist es ein trüber Sommer. Rund 60 Tage sitzt er jetzt auf dem Chefsessel bei der Deutschen Bank – und kaum ein Tag vergeht, an dem der gebürtige Inder nicht in den Schlagzeilen ist. „Fehlstart“ steht da, „Der Skandal-Banker“, oder „Zinsskandal belastet Jain“. Die Regulierer wollen wissen, wieviel er als langjähriger Chef-Investmentbanker von den Tricksereien bei internationalen Referenzzinssätzen mitbekommen hat. Und die Investoren fordern Klarheit über die künftige Strategie, die Jain Deutschlands größtem Geldhaus verordnet.

+++ Ackermann spricht von "böswilliger Behauptung" +++

+++ Investmentbanker Jain will "Kulturwandel" einläuten +++

+++ Kommentar: Deutsche Bank sucht ein Konzept +++

Der Neue muss um die gerade erst gewonnene Macht kämpfen - und gegen den langen Schatten seines Vorgängers und Kritikers Josef Ackermann. Der Schweizer hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er Jain für den Falschen an der Spitze von Deutschlands größtem Geldhaus hält. Aus Ackermanns Umfeld hieß es wiederholt, am Investmentbanking – das Jain lange leitete – hingen einfach zu viele Rechtsstreitigkeiten: Die Klagen etwa zu US-Ramschhypotheken und fehlgeschlagenen Swapgeschäften stapeln sich. Die Bank sei damit auf Ewigkeiten angreifbar. Dabei führte Ackermann selbst viele Jahre das Kapitalmarktgeschäft, ehe er zum Bankchef aufstieg. Doch das spielte in der über Monate sorgsam am Köcheln gehaltenen Nachfolgedebatte nie eine große Rolle.

Dass Jain letztlich in einer Doppelspitze Deutschland-Chef Jürgen Fitschen zur Seite gestellt wurde – auch das hat Ackermanns Vorbehalte offenbar nicht ausgeräumt. Einen Zeitungsbericht, er habe das neue Führungsduo in kleiner Runde als „Loser“ (Verlierer) bezeichnet, ließ Ackermann zwar als „böswillige Behauptung“ zurückweisen. Doch ein Lob für die Manager in seinen Fußstapfen rang er sich stets nur dann ab, wenn es gar nicht mehr anders ging. Die Mauer zwischen Jain auf der einen und Ackermann auf der anderen Seite – sie war bei öffentlichen Auftritten zuletzt fast mit Händen zu greifen.

Durch den weltweiten Zinsskandal, in dem auch die Deutsche Bank zu den Beschuldigten gehört, dürfte sich das Ackermann-Lager bestätigt sehen. Denn die interne Untersuchung mag Jain nach den Worten von Aufsichtsratschef Paul Achleitner bislang entlastet haben. Aus der Schusslinie nimmt ihn das noch lange nicht: Die Sonderprüfung der Finanzaufsicht BaFin zum Referenzzinssatz Libor dauert an, die Aufseher haben immer noch viele Fragen. „Die Untersuchungen laufen mit Hochdruck weiter“, sagt ein Insider.

Flucht nach vorne

Bei den Aktionären macht Jain derweil gut Wetter und inszeniert sich als „Macher“, verspricht einen Kulturwandel und radikale Kostensenkungen. Vorschusslorbeeren hat er beim Amtsantritt an der Börse keine bekommen, die Deutsche-Bank-Aktie hat seit Juni 15 Prozent an Wert eingebüßt, das Papier dümpelt bei knapp 25 Euro vor sich hin. Der europäische Bankenindex legte im selben Zeitraum um neun Prozent zu.

Schon vor der für September erwarteten Verkündung der neuen Konzernstrategie will er demonstrieren: Alles wird anders. Jain will drei Milliarden Euro Kosten rausholen und sich so gegen die dauerhaft wegbrechenden Erträge stemmen. Knapp 2000 Leute setzt er vor die Tür, die meisten davon hochbezahlte Investmentbanker in New York und London – seine eigenen Leute, „Anshu's Army“.

Analysten haben Zweifel, ob das Sparpaket ausreicht. „Wir glauben, dass es weitere aggressive Schritte geben muss, um mit den Konkurrenten Schritt zu halten“, schreibt Frank Braden von S&P Capital IQ. Doch die Investoren sehen die Entschlossenheit. „Ackermann wollte ja vor seinem Abschied keine negativen Schlagzeilen mehr und hat den Jobabbau auf die lange Bank geschoben“, sagt der Manager einer deutschen Fondsgesellschaft, die zu den wichtigsten Aktionären der Bank gehört. „Dass Jain jetzt als eine seiner ersten Amtshandlungen den Rotstift ansetzt, ist gut.“

Jains Co-Pilot Fitschen duckt sich unterdessen ganz von der Schlusslinie weg. Als Kompromisskandidat gestartet, kann er abwarten, was passiert. In der ersten Analystenkonferenz zur neuen Strategie übernahm er die Begrüßung, dann sprach nur noch Jain. Das bestätigte Kritiker der Doppelspitze, die in Fitschen ohnehin eher den Repräsentanten im politischen Berlin sehen. Es zeigt aber auch: Im Libor-Skandal geht es für die Deutsche Bank vor allem um Jain.

Grüne wollen Deutsche-Bank-Chef Jain vorladen

Der neue Co-Vorstandschef der Deutschen Bank, Anshu Jain, hat unterdessen noch ganz andere Sorgen. Die Politik hat die Bankenwelt und ihre Top-Manager im Visier: Die Grünen wollen Jain den und weitere Top-Manager vor den Bundestag zitieren. Seine Fraktion strebe für September eine Anhörung im Finanzausschuss mit den Spitzen der deutschen Finanzindustrie an, sagte der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick, der Wochenzeitung „Die Zeit“ laut Vorabbericht.

„In den Großbanken läuft vieles immer noch wie vor der Krise“, sagte Schick dem Blatt. „Es kann nicht sein, dass das Volk die Banken mit Milliardensummen rettet, ohne dass die Volksvertreter Einblick in die Praktiken der Branche bekommen und die Fehler abstellen.“

Im Skandal um angebliche Zinsmanipulationen mehrerer europäischer Großbanken war auch die Deutsche Bank in die Schlagzeilen geraten. In den USA und Großbritannien gab es im Verlauf der Finanzkrise bereits Anhörungen von Bankmanagern vor dem Parlament. Nun könnte es auch in Deutschland eine Mehrheit dafür geben. (rtr/dapd/abendblatt.de)