Libor-Skandal, Hypotheken-Zockerei – Investmentbanker der Deutschen Bank stehen am Pranger. Nun soll ihr oberster Chef Jain aufräumen.

Frankfurt/Main. Ausgerechnet Anshu Jain. Der Investmentbanker Londoner Prägung, der Bonuskönig, der immer wieder mit zwielichtigen Geschäften in Verbindung gebracht wird, will bei der Deutschen Bank einen „Kulturwandel“ in Gang setzen. Der 49 Jahre alte Manager, das wird am Dienstag deutlich, ist für die Strategie zuständig und das Sprachrohr der neuen Doppelspitze der deutschen Nummer eins.

„Wir sind uns bewusst, dass die Bankenindustrie einen Kulturwandel braucht – vor allem im Investmentbanking“, sagte Jain in einer Telefonkonferenz. Dabei wolle die Deutsche Bank eine Vorreiterrolle spielen. Die Vergütung der Manager kommt ebenso auf den Prüfstand wie die Verhaltensregeln für Mitarbeiter im aktuellen Geschäft.

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Für die Beschäftigten wird es alles andere als gemütlich: Noch in diesem Jahr sollen 1900 Jobs vor allem außerhalb Deutschlands gestrichen werden. Weitere Einschnitte hält sich das Management offen.

Der Sinneswandel kommt nicht von ungefähr. Seit der Finanzkrise 2007/2008 kriselt das Kapitalmarktgeschäft: Die Deutsche Bank und ihre Wettbewerber können sich nicht mehr auf Milliardengewinne im Investmentbanking verlassen.

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„Wir sind stolz auf unsere weltweit führende Investmentbanking- Plattform, aber wir passen sie kontinuierlich dem Marktumfeld an“, erklärte Jain, der nach wie vor die Sparte verantwortet. Während sich Konkurrenten wie die Royal Bank of Scotland weitgehend aus dem schwankungsanfälligen Geschäft verabschieden, will die Deutsche Bank die Schwäche der anderen nutzen, um selber zuzulegen. Der aktuelle Gegenwind sei keine Ausrede für mangelndes Wachstum, sagte Jain.

Der gebürtige Inder selbst sieht sich wegen der Schatten der Vergangenheit schon wenige Wochen nach Übernahme der Konzernspitze mit kaum verhohlenen Rücktrittsforderungen aus der Politik konfrontiert. Ob es um zwielichtige Hypothekengeschäfte in den USA vor der Finanzkrise geht oder um die Manipulation des Marktzinses Libor – Investmentbanker spielten eine zentrale Rolle.

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Darum muss sich auch Jain als Verantwortlicher der Sparte immer wieder unangenehme Fragen gefallen lassen. In Medienberichten wird kolportiert, Josef Ackermann habe Jain auch deswegen als seinen Nachfolger an der Spitze des Dax-Konzerns verhindern wollen.

Die Bank ist bemüht, Jain aus der Schusslinie zu nehmen – und greift dazu auch zu besonderen Mitteln. „Sie werden es ungewöhnlich finden, ein Schreiben vom Aufsichtsrat zu erhalten, aber wir haben ein neues Kapitel in der Entwicklung unserer Bank aufgeschlagen“, schreibt Chef-Kontrolleur Paul Achleitner in einem Brief an die Mitarbeiter. „Wandel beginnt oben und Wandel erfordert Transparenz und Kommunikation.“

Achleitner betont in dem Schreiben zur Libor-Affäre: „Nach aktuellem Stand der Untersuchungen war kein amtierendes oder früheres Mitglied des Vorstands auf irgendeine unangemessene Weise in die untersuchten Vorgänge um Referenzzinssätze verwickelt.“ Dass einzelne Mitarbeiter getrickst haben, räumt die Bank jedoch ein. Bei der britischen Großbank Barclays waren die Manipulationen des Libor während der Finanzkrise nach bisherigen Erkenntnissen von ganz oben angeordnet worden, Barclays-Chef Bob Diamond trat zurück .

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Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen (63), der für gute Kontakte in die Berliner Politik zuständig ist, erscheint bei der Vorlage der dürftigen Quartalsbilanz wie eine Randfigur. „Wir haben uns geeinigt, dass Anshu den Dialog mit Analysten und Investoren führt“, gibt der Niedersachse zu Protokoll. Am 11. September will das Führungsduo seinen kompletten Plan vorlegen, wie die gewandelte Deutsche Bank künftig Geld verdienen und zugleich ihrem Anspruch gerecht werden will, „Eckpfeiler einer modernen Gesellschaft“ zu sein.