Lange ließen sich Anshu Jain und Jürgen Fitschen nicht in die Karten schauen. Nun steht der Konzern vor entscheidenden Weichenstellungen.

Frankfurt/Main. Nach 100 Tagen im Amt muss die neue Führungsspitze der Deutschen Bank Farbe bekennen. Bislang hielten sich Jürgen Fitschen und Anshu Jain bedeckt, wohin sie den deutschen Branchenprimus führen wollen. Sie kündigten zwar bereits einen „Kulturwandel“ an und wollen – vier Jahre nachdem die Finanzkrise die gesamte Wirtschaft an den Abgrund führte – neues Vertrauen aufbauen. Wie das genau gelingen soll, blieb aber bislang unklar. Am Dienstag (11. September) soll die neue Strategie vorgestellt werden.

„Ich behaupte, dass wir einsichtig sind, dass wir Konsequenzen gezogen haben und dass wir noch mehr Konsequenzen ziehen werden“, betonte Fitschen vor Kurzem bei einer Bankentagung in Frankfurt. Der 64-Jährige weiß: „Schöne Broschüren, wo alles richtig beschrieben ist, werden uns nicht einen Millimeter voranbringen.“

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Klar ist: Die Kosten sollen deutlich gesenkt werden. Langfristig wollen Jain/Fitschen drei Milliarden Euro pro Jahr einsparen. Bereits im Juli kündigten sie an, 1900 Stellen zu streichen, davon 1500 im Investmentbanking. Womöglich setzt das Führungsduo auch in anderen Sparten den Rotstift an, etwa in der Vermögensverwaltung.

Klar ist aber auch: Am Modell einer Universalbank von Privatkundenangeboten bis zum Kapitalmarktgeschäft will die seit Juni amtierende Deutsche-Bank-Führung nicht rütteln. Fitschen deutete eine stärkere Orientierung am Kunden an.

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Ein richtiger Ansatz, wie Bankenexperte Hans-Peter Burghof meint. Gerade im Investmentbanking müsse klar sein, dass die Kapitalmarktexperten „vor allem für ihre Kunden und nicht nur für sich selbst und die Banken arbeiten“: „Der Kunde muss glauben, dass eine Bank wirklich seine Bank ist.“

Aus Finanzkreisen heißt es, einen radikalen Umbruch werde es nicht geben. Vielmehr werde an vielen einzelnen Stellschrauben gedreht. Nach Informationen des „Handelsblattes“ wird das Management einige komplexe Produkte streichen, in Bereichen wie dem Aktienhandel abbauen und sich auf Wachstum in ausgewählten Ländern konzentrieren.

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Fitschen wehrt sich gegen Pauschalkritik am Investmentbanking: „Warum können wir nicht gemeinsam verhindern, dass mit dem Dreschflegel auf alles eingeschlagen wird, wo Derivat draufsteht?“ Bewährte und für die Absicherung von Geschäften wichtige Finanzierungsmodelle würden insgesamt torpediert.

Burghof gibt zu bedenken: „Angesichts unklarer regulatorischer Rahmenbedingungen und der großen Rechtsrisiken ist es nicht einfach, eine Strategie festzulegen.“ Auch viele Analysten sehen in den zahlreichen Klagen gegen das Institut das größte Risiko. Die Bank selbst räumt in ihrem Halbjahresbericht ein: „Die gesamtwirtschaftlichen Unsicherheiten, insbesondere bezüglich der europäischen Staatsschuldenkrise und der Erholung in den USA, sowie Rechtsrisiken beeinflussen auch die Deutsche Bank.“

Auf insgesamt rund drei Milliarden Euro bezifferte die Bank die rechtlichen Risiken im Geschäftsbericht 2011. Immer wieder landen Geschäfte aus Zeiten vor der Finanzkrise vor Gericht. Für Streit sorgen etwa US-Hypotheken oder Zinswetten. Auch der Konflikt um Schadenersatz wegen der Pleite des Kirch-Medienimperiums schwelt weiter. Zuletzt sorgten Manipulationen des Zinssatzes Libor für Unruhe, der Grundlage für Geschäfte in Billionen-Höhe ist. Nach bisherigen Erkenntnissen waren bei der Deutschen Bank nur einzelne Händler verwickelt. Ausgestanden ist das Thema aber noch nicht.

Für problematisch halten viele Analysten zudem die nach wie vor schwächere Kapitalausstattung der Deutschen Bank im Vergleich zu vielen Konkurrenten. Doch angesichts des schwachen Aktienkurses will das neue Management nach bisherigen Aussagen möglichst auf eine Kapitalerhöhung verzichten und die Lücken stattdessen durch einen beschleunigten Abbau von Risikopapieren schließen.

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Dass eine globale Bank wie die Deutsche Bank auch künftig mit ihren Geschäften kräftig verdienen will, daran zweifelt niemand. „Nur zu sagen: Wir wollen doch ein fairer Partner sein, aber mit dem Geld verdienen haben wir ein Problem, ist auch keine Lösung“, sagt Fitschen. Dass Investoren sich mit weniger als den 25 Prozent Vorsteuerrendite zufriedengeben müssen, die Vorgänger Josef Ackermann anstrebte, ist allen klar. Fitschen deutete die Richtung an, die für die Branche derzeit realistisch sei: 14 bis 15 Prozent.

Burghof meint: „Die Kapitalmärkte interessieren sich nicht mehr so sehr für kurzfristige Renditeziele. Es wird vielmehr auf Risiken geschaut.“ Die Finanzkrise habe gezeigt, dass Banken Gewinne sofort verbuchten, während Risiken in die Zukunft verschoben wurden.