Finanzministerium geht von rückläufigem Wachstum aus. Verschiedene Konjunkturbarometer und Experten sehen das Aufziehen dunkler Wolken.
Berlin/München. Die deutsche Wirtschaft konnte lange gegen den Trend in Europa zulegen. Doch der Höhenflug scheint ein Ende zu nehmen. Die jüngsten Konjunkturdaten sprechen ebenso für eine Abkühlung wie auch die Meinung führender Ökonomen. Das Bundesfinanzministerium geht davon aus, dass die Wirtschaft im zweiten Quartal schwächer gewachsen ist als im ersten Quartal des Jahres. Von Januar bis März betrug der Anstieg 0,5 Prozent.
„Die Schuldenkrise in Europa wird Deutschland noch stärker als bisher treffen“, sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger. „Der Tiefpunkt der Eurokrise ist noch lange nicht erreicht.“
Eine Trendwende in Richtung Abkühlung lässt sich bereits seit zwei Monaten an den Konjunkturbarometern ablesen. Nachdem die Stimmung in der deutschen Wirtschaft bis zum Jahresanfang immer besser wurde, kippte sie im Frühjahr.
+++ Deutsche Wirtschaft zieht erst zum Jahresende wieder an +++
+++ Keine Rezession, aber Stillstand in der EU +++
Ifo-Index: Niedrigster Stand seit zwei Jahren
Der Ifo-Geschäftsklimaindex, der als wichtigster Gradmesser für die deutsche Konjunktur gilt , stieg bis April sechsmal in Folge an. Im Mai und Juni fiel der Index wieder – zuletzt auf 105,3 Punkte, den niedrigsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Vor allem die Geschäftsaussichten für das kommende halbe Jahr bewerteten die 7.000 befragten Unternehmen wesentlich zurückhaltender ein als zuletzt.
Bofinger sagte: „Das einzige, was noch einigermaßen gut läuft, sind die Exporte, und die profitieren vom schwachen Euro.“ So meldete das Statische Bundesamt zuletzt für Mai ein Plus bei den Ausfuhren von 3,9 Prozent gegenüber April.
+++ Arbeitsmarkt schwächelt – keine Wende zum Schlechten +++
+++ Wirtschaftsstimmung hat sich eingetrübt +++
Deutschland konnte die schwächere Nachfrage in der Eurozone durch gute Geschäfte in Asien und den USA bisher noch wettmachen. Ob dies jedoch so weitergeht, bezweifelt Bofinger. Er verweist auf den Rückgang des Wirtschaftswachstums in China. Mit 7,6 Prozent fiel das Wachstum im zweiten Quartal so niedrig aus wie seit drei Jahren nicht mehr.
ZEW-Indikator sinkt zum dritten Mal
Das vor wenigen Tagen veröffentlichte Konjunkturbarometer des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) macht ebenfalls wenig Hoffnung. Der Indikator, für den das ZEW 273 deutsche Analysten und institutionelle Anleger befragte, sank im Juli den dritten Monat in Folge.
ZEW-Präsident Wolfgang Franz erläuterte zwar, dass der Rückgang nicht mehr so stark war wie in den Monaten zuvor. „Vielleicht sind das Vorboten einer erfreulichen Entwicklung im Jahr 2013“, sagte Franz. „Dennoch dürfen die Risiken nicht kleingeschrieben werden“, fügte er hinzu. Neben der schwachen Nachfrage aus der Eurozone nach deutschen Exportgütern belaste es die Konjunktur, dass wichtige Partnerländer außerhalb Europas nicht mehr so stark wachsen.
HWWI: Arbeitslosigkeit steigt leicht
Die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wird voraussichtlich auch zu Ende gehen . „Wegen der demografischen Entwicklung haben wir zwar weiterhin eine Entlastung“, sagte Bofinger. „Die Arbeitslosigkeit wird aber wieder anziehen.“ Der Konjunkturexperte des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Jörg Hinze, rechnet in den kommenden Monaten ebenfalls mit einer leicht steigenden Arbeitslosigkeit.
Im Gegensatz zu Bofinger sieht Hinze für die deutsche Wirtschaft jedoch die Chance, in der nahen Zukunft moderat zu wachsen. Allerdings sind sich die Ökonomen in einem Punkt einig: Dies ist nur möglich, wenn die Eurokrise nicht weiter eskaliert.