Der offenbar erfolgreich durchgeführte Schuldenschnitt ist nur ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung. Eine Analyse zeigt, warum Griechenland noch nicht über dem Berg ist.

Frankfurt/Main. Griechenland hat den Schuldenschnitt offenbar erfolgreich absolviert. Doch die Gefahr einer Staatspleite ist damit noch längst nicht abgewendet. Es ist aber ein kleiner Schritt für Griechenland in die richtige Richtung. Über den Berg ist das immer noch hochverschuldete Griechenland noch lange nicht, es bestehen weiter große Risiken.

Die größte Gefahr ist, dass sich die Athener Regierung nicht mehr an die versprochene Ausgabendisziplin hält. In wenigen Wochen soll es Neuwahlen geben. Die würden von der Wut der griechischen Bevölkerung über die tiefen Einschnitte bestimmt. Ein Wahltermin steht noch nicht fest. Nicht nur Griechen, auch die Euro-Partner haben ein Interesse daran, dass die Übergangsregierung von Lucas Papademos wenigstens bis Jahresende weitermacht.

Nach Berechnungen des Chefvolkswirts der Commerzbank, Jörg Krämer, ist die Wahrscheinlichkeit für einen Zahlungsausfall Griechenlands weiter sehr hoch – sollte Griechenland vom angekündigten Sparkurs abweichen. „Ich sehe eine Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent, dass eine entnervte Staatengemeinschaft den Geldhahn zudrehen würde“, sagte er am Freitag in Frankfurt am Main.

Der Schuldenschnitt bringt Krämer zufolge gut 100 Milliarden Euro. Dennoch hängt Griechenland weiterhin am Tropf der sogenannten Troika, die aus dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU besteht. Die Troika bereitet am Freitag eine neue Geldspritze in Höhe von 130 Milliarden Euro vor, nachdem sie das Griechenland-Ergebnis bewertet hat. Das zeigt, wie verzweifelt die Lage ist. Die öffentliche Hand schmeißt damit schlechtem Geld gutes hinterher.

Hinzukommt, dass davon der Löwenanteil kein Steuergeld ist. Es handelt sich um frisch gedrucktes Geld. Das fließt beispielsweise von der Bundesbank in den IWF. Immerhin soll es auf einem Sonderkonto vor dem direkten Zugriff Athens geschützt werden. Durch das Gelddrucken steigt aber zwangsläufig die Gefahr von Preissteigerungen und hohen Inflationsraten.

Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos hatte am Freitag angekündigt, dass genügend Gläubiger auf ihre Forderungen Richtung Athen verzichten werden. Je nach Rechenweise sind es zwischen 83,5 Prozent und 85,8 Prozent. Das genügt, um die anderen Gläubiger mithilfe von Umschuldungsklauseln (CAC) zur Teilnahme zu zwingen. „Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg zwingt damit eine Regierung in Westeuropa Anleger auf ihre Ansprüche zu verzichten,“ stellte Krämer fest.

Eine Kernfrage wird sein, ob sich das alle gefallen lassen. Hoch bezahlte Anwälte stehen bereits in den Startlöchern – sie wollen für ihre Mandanten alles herausholen. Sogar ein Menschenrecht auf Rendite sollte bereits eingeklagt werden. In der Vergangenheit haben ähnliche Klagen Erfolg gehabt. Nur trat das Phänomen bisher ausschließlich in Afrika und südamerikanischen Bananenrepubliken auf.

Unterdessen zeigte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel zufriden mit dem Schuldenschnitt. Die CDU-Politikerin begrüßt die hohe Beteiligung privater Gläubiger an der Umschuldung Griechenlands. Merkels Sprecher Steffen Seibert sagte am Freitag in Berlin, das Ergebnis sei ermutigend und werde Griechenland helfen, Stabilität zu gewinnen. Die Griechen müssten die daraus resultierenden Chancen nun aber auch nutzen.

Griechenland habe sich ein ehrgeiziges Programm gegeben, das nun umzusetzen sei, sagte Seibert. Die Bundesregierung biete hierbei ihre Hilfe an. Seibert fügte hinzu, mit der großen Zustimmung zum geplanten Schuldenschnitt werde der Weg freigemacht für die historisch größte Umschuldung eines Staates. Bei allen Schwierigkeiten und persönlichen Härten gäben die internationale Gemeinschaft und die privaten Gläubiger dem Staat Griechenland nunmehr auch eine große Chance.

Von Roman Keßler mit dapd