Franzosen und Deutsche streiten sich um mehr Einfluss bei der Airbus-Mutter EADS. Wirft Topmanager Tom Enders womöglich hin?
München. Für den scheidenden Vorstandschef des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS könnte es ein denkwürdiger Geburtstag werden. Wenn der Franzose Louis Gallois morgen 68 Jahre alt wird, tagt auch der EADS-Verwaltungsrat und wird dabei entweder eine Friedenspfeife rauchen oder aber das Kriegsbeil ausgraben. Es droht ein erneutes Aufbrechen deutsch-französischer Zwietracht. "Tom wird das nicht von einem Staat mit sich machen lassen, dann müssten sie sich einen anderen CEO suchen", sagt ein Insider vor dem Treffen. "Tom" ist der amtierende Airbus-Chef Thomas Enders und soll im Juni eigentlich neuer EADS-Boss werden.
Das ist so abgesprochen. Turnusmäßig wechseln sich Deutsche und Franzosen in EADS-Spitzenposten und bei Töchtern wie Airbus ab, entsprechend dem fragilen deutsch-französischen Gleichgewicht, das den Konzern seit der Gründung begleitet. Enders ist aber im Gegensatz zu Gallois nicht gerade für diplomatische Fähigkeiten bekannt. Der Hobby-Fallschirmspringer mit dem konzerninternen Spitznamen Major Tom vertritt seine Ansichten klar und deutlich. Seine primäre Aufgabe als neuer Chef sei es, politischen Einfluss zurückzudrängen, das macht der 53-Jährige bei jeder Gelegenheit deutlich. Staaten müssten keine EADS-Eigner sein. In französischen Ohren muss das wie eine Kriegserklärung klingen. Dort ist der Staat mit 15 Prozent an der EADS beteiligt. Er sieht Luft- und Raumfahrt als politische Schlüsselindustrie, die man am liebsten autark kontrollieren würde. Weitere 7,5 Prozent hält die französische Lagardere-Gruppe. Die deutsche Seite kommt auch auf 22,5 Prozent, die sich auf Daimler und die Staatsbank KfW verteilen.
Dieses Gleichgewicht der Aktionäre hat oft ein wirtschaftlich ungesundes Proporzdenken erzwungen, weshalb Enders eine Zukunft ohne nationalstaatliche Gängelei plant. Was er damit wagt, zeigt sich schon vor seiner Berufung zum EADS-Chef. Sein Personaltableau für Spitzenjobs wird in Frankreich abgelehnt. Offen gesagt wurde das zwar noch nicht, aber hinter den Kulissen deutlich gemacht, heißt es auf deutscher Seite.
Enders will Airbus-Finanzvorstand Harald Wilhelm zum EADS-Finanzchef machen oder zumindest den amtierenden Hans Peter Ring als solchen behalten. Lutz Bertling soll Chef der Hubschraubertochter Eurocopter bleiben. Die drei Manager sind Deutsche. Den Franzosen reicht es angeblich aber nicht, dass beim kommenden Personalkarussell der von Daimler entsandte deutsche Verwaltungsratschef Bodo Uebber von einem Franzosen abgelöst wird und mit Fabrice Brégier ebenfalls ein Franzose neuer Airbus-Chef wird. Der Nachbar will demnach auch bei Eurocopter und als EADS-Finanzchef einen Landsmann.
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"Ein Enders wird das nicht tolerieren", stellt ein Vertrauter klar. Eher werde er hinwerfen und es auf einen Eklat ankommen lassen. Aufhorchen ließ auch Enders selbst. "Ich hoffe, dass ich in einem Jahr immer noch einen spannenden Job in der Flugzeugindustrie habe", sagte er gerade in Hamburg.
Wie ernst es den Franzosen ist, wagt auf deutscher Seite niemand einzuschätzen. Frankreich wählt im Frühjahr seinen Staatspräsidenten. Die Bühne EADS eigne sich gut für Muskelspiele und Wahlkampf, heißt es. In Frankreich sei zudem eine Diskussion darüber ausgebrochen, wer Uebber als EADS-Oberaufseher nachfolgt. Eigentlich war dafür Arnaud Lagardere als Chef der gleichnamigen Firmengruppe vorgesehen. Aber Lagardere will wie Daimler der EADS den Rücken kehren und sei nicht mehr mit dem Herzen dabei, heißt es in Frankreich. So liebäugelt die dortige Politik alternativ mit Gallois. Der wollte eigentlich in den Ruhestand gehen, hat aber nun zu erkennen gegeben, dass er zur Verfügung stünde, falls er gerufen wird.
"Mit Gallois kann Enders leben", heißt es auf deutscher Seite. Für die anderen französischen Personalwünsche gelte das nicht. Schon im Dezember war erwartet worden, dass der Verwaltungsrat die Spitzenpersonalien beschließt. Nun hat er am Donnerstag eine neue Chance. Bleibt eine Einigung wieder aus, könnte das als Signal dafür verstanden werden, dass die Franzosen Enders zum Verzicht treiben und die Karten völlig neu mischen wollen.
Sollten aber Enders und Brégier wie vorgesehen aufrücken, hätte das wohl auch Auswirkungen auf den Posten des Airbus-Deutschland-Chefs in Hamburg: Günter Butschek, bisher Produktionsvorstand für das Gesamtunternehmen in Toulouse und in Personalunion Vorsitzender der Geschäftsführung der deutschen Tochter, soll dann als Nachfolger von Bregiér Airbus-Vizechef und Manager für das Tagesgeschäft (COO) werden, berichtete das "Manager Magazin". "Das hat eine gewisse Logik", heißt es dazu im Umfeld des Unternehmens. Ob Butschek auch in dem neuen Amt die Verantwortung für das Deutschland-Geschäft behielte, ist jedoch noch unklar.