Der Branche steht ein massiver Strukturwandel bevor, schlussfolgert die Studie “Automobilzulieferer 2009“. Dafür sprechen auch die aktuellen Zahlen: Schaeffler schickt 20.000 Angestellte in Kurzarbeit, andere Zulieferer wie Edscha mit 6500 Mitarbeitern sind bereits insolvent.
Düsseldorf. Die weltweite Krise der Automobilindustrie wird für immer mehr Zulieferer in Deutschland zur Existenzbedrohung. Erste Unternehmen wie der Remscheider Cabrio-Dach-Hersteller Edscha, der Leverkusener Bremsbeläge-Produzent TMD Friction und der Lenksysteme-Spezialist Tedrive haben Insolvenz angemeldet.
Nach Überzeugung des Leiters der Bamberger Forschungsstelle Automobilwirtschaft Wolfgang Meinig ist das nur der Anfang. "Die Talsohle ist überhaupt noch nicht in Sicht", sagte er. Die Zulieferindustrie leide noch stärker als die Autohersteller selbst unter der gegenwärtigen Krise. "Die Zulieferer verfügen häufig nur über eine geringe Kapitaldecke", sagte Meinig. Und sie bekämen von den großen Herstellern oft einen überproportionalen Anteil an den Entwicklungskosten aufgebürdet und könnten nur hoffen, dass sich die Investitionen während des Produktionszyklus amortisierten.
20.000 Kurzarbeiter bei Schaeffler
Außerdem hätten die Zulieferbetriebe derzeit vielfach große Probleme, notwendige Finanzmittel zu erhalten. Tausende, wenn nicht Zehntausende Arbeitsplätze bei den Automobilzulieferern sind dadurch in Gefahr. Dass es dabei auch bekannte Namen trifft, zeigt der Fall Edscha: Das Unternehmen, einer der 100 größten Automobilzulieferer weltweit, ist ein führender Anbieter von Cabrio-Dachsystemen und beschäftigt weltweit rund 6500 Mitarbeiter.
Der angeschlagene Autozulieferer Schaeffler schickt unterdessen rund 20.000 seiner insgesamt 31.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Fast alle der 25 Standorte in Deutschland seien betroffen, sagte der stellvertretende Konzernsprecher Thomas Reuß am Dienstag. Grund sei der drastische Auftragsrückgang aus der Automobilindustrie.
Eine aktuelle Untersuchung der Unternehmensberatung Bain & Company kommt zu dem Ergebnis, dass der Branche ein massiver Strukturwandel bevorsteht. Das Ausmaß des Nachfrage- und damit Produktionsrückgangs sei weit größer als bisher angenommen, heißt es in der Studie "Automobilzulieferer 2009". Die Experten gehen davon aus, dass die Automobilindustrie frühestens in fünf Jahren wieder das Produktionsvolumen von 2007 erreicht.
Schreckensszenario für die Branche
Die Zuliefererbranche muss der Studie zufolge nicht nur Überkapazitäten abbauen, sondern sich auch auf eine drastische Veränderung der Nachfrage einstellen. Bain & Company erwarten einen verstärkten Trend zu kleineren und teilweise auch Elektro-Fahrzeugen sowie überproportionales Wachstum bei Billigautos für Schwellenländer wie China oder Indien. Ein Alarmsignal für die Zulieferer - je kleiner und billiger ein Auto ist, desto schwieriger wird es für die Zulieferer, ausreichend Gewinn zu machen.
Die Krise wird also das Gesicht der Branche verändern. Der Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Geislingen, Willi Diez, erwartet schon bald eine regelrechte Übernahmewelle. Nicht alle Zulieferer, die jetzt in Schwierigkeiten gerieten, würden einfach vom Markt verschwinden. So mancher werde sich plötzlich unter dem Dach eines neuen Mutterkonzerns wiederfinden. "Für die großen Zulieferer ist das ein idealer Zeitpunkt, um eine Übernahmewelle zu starten. So billig war es schon lange nicht mehr", urteilt Diez.