Kritik an Investoren und Geschäftsführung. Schlüssige Konzepte fehlten. Berater hätten nur “viel Geld kassiert“.
Stuttgart. Die Geschichte der Spielzeuglegende beginnt mit dem Flaschnermeister Theodor Friedrich Wilhelm Märklin aus Göppingen. Im Jahr 1859 fertigt dieser noch keine Loks, sondern detailgetreue Puppenküchen aus Blech. 1891 stellt das Unternehmen auf der Leipziger Ostermesse schließlich die erste Modelleisenbahn vor: eine kleine Dampflok mit Tender, die von einem mechanischen Uhrwerk angetrieben wird. Ein Produkt, das in stets modernisierter Form Generationen begeistern sollte. Doch nun musste die Märklin GmbH in Göppingen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen.
Gespräche mit den Banken über weitere Kredite seien ergebnislos verlaufen, so die Begründung des Unternehmens. Die Produktion solle aber ohne Einschränkungen weitergehen, sagte Geschäftsführer Dietmar Mundil. Der vom Amtsgericht eingesetzte vorläufige Insolvenzverwalter Michael Pluta sagte, es sei noch zu früh, um eine Prognose über die Zukunft des Unternehmens abgeben zu können.
Bei Märklin waren Kreditlinien in Höhe von 50 Millionen Euro ausgelaufen, über deren Verlängerung es keine Einigung mit den Banken gegeben hatte. Geschäftsbanken des Herstellers von Modelleisenbahnen sind die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und die Kreissparkasse Göppingen. Dem Vernehmen nach hatte das Unternehmen keine Sanierungskonzepte vorlegen können, die die Banken überzeugten. In Unternehmenskreisen hieß es dazu, die Zeit für die Ausarbeitung solcher Pläne sei zu kurz gewesen. "Hätte man Zeit bis Ende März gehabt, hätte es wahrscheinlich geklappt", so ein Insider. Tatsächlich muss Märklin aber schon Ende Februar neue Kredite aufnehmen.
Die Erste Bevollmächtigte der IG Metall in Göppingen, Renate Gmoser, hat unterdessen den für die vergangenen Jahre verantwortlichen Geschäftsführern Managementfehler vorgeworfen. Diese hätten für teures Geld immer neue Berater ins Haus geholt. Bevor aber irgendwelche Ideen umgesetzt worden seien, hätten andere Berater schon wieder neue Ideen entwickelt. Ähnlich sieht es Winfried Bitter, Geschäftsführer des Modelleisenbahn Center W. Schüler. Die Berater hätten eine "hundsmiserable Arbeit" abgeliefert, dafür aber viel Geld kassiert. Zudem sollen die Eigentümer, die Finanzinvestoren Kingsbridge und Goldman Sachs, zeitweise Geld aus dem Unternehmen gezogen haben. Die Investoren fuhren einen harten Sparkurs und schlossen unter anderem die Produktionsstätte im thüringischen Sonneberg mit rund 220 Mitarbeitern. Im vergangenen Jahr hatten sie angekündigt, die Personalkosten von derzeit 50 Millionen Euro um fünf Millionen Euro zu drücken.
Niemand habe zudem so recht gewusst, was denn der Kunde wolle, sagt Volker Schmid, der Geschäftsführer des Verbandes der Spielwarenindustrie. Einer der Fehler des Managements sei es gewesen, eine zu große Zahl neuer Produkte zu entwickeln. Diese hätten aber eher Geld gekostet als Erträge gebracht. Die Kunden hätten die Produkte schon nachgefragt, sagte dagegen Bitter - wenn sie denn verfügbar gewesen wären. Doch die Lieferprobleme, die Märklin-Kunden schon lange beklagen, hätten sich in den vergangenen Jahren massiv verstärkt. Aber Bitter will nicht alles schlecht reden. Er lobt die Mitarbeiter - "sie sind hoch motiviert und engagiert, um die Defizite der Führungskräfte auszugleichen." Auch sei die Produktqualität gut.
Das hat seinen Preis. Im Schnitt kostet eine Märklin-Lok 220 Euro - und der Preis kann bis 1000 Euro hochschnellen. Ein Problem sieht Bitter darin nicht. Wie er stehen auch viele andere Händler zu dem Göppinger Modellbahnhersteller. Der Handel setzt darauf, dass "der Insolvenzverwalter den Handelsgruppen möglichst schnell neue Verträge anbietet, damit das Unternehmen fortgeführt werden kann und die Marke Märklin Kunden und Handel erhalten bleibt", sagt Willy Fischel, Geschäftsführer des Bundesverbandes des Spielwaren-Einzelhandels. Ansonsten drohe der Marke ein erheblicher Schaden. Einige Händler rechnen dennoch mit Hamsterkäufen von Sammlern und Eisenbahnfans. Begründet sei dies aber nicht. "Das Geschäft geht normal weiter", verspricht Schüler-Geschäftsführer Bitter.
Die Stimmung bei den Beschäftigten ist derweil schlecht. "Auch weil das Gehalt für Januar noch nicht gezahlt worden ist", sagt Gewerkschafterin Gmoser. "Und jetzt kommt noch die Unsicherheit über die Arbeitsplätze hinzu." Märklin beschäftigt in Göppingen 650 Mitarbeiter, 600 sind in Ungarn tätig. Zudem sind bei der Tochter Trix in Nürnberg, 60 Beschäftigte tätig. Auch für Trix wurde Insolvenzantrag gestellt.