Hamburg. HSV-Aufsichtsrat sieht Boldt kritisch. Der Manager äußert sich zur Walter-Trennung, einem nicht geholten Verteidiger und seiner Zukunft.

HSV-Sportvorstand Jonas Boldt hat sich bei Sky gegen die wachsende Kritik aus dem Aufsichtsrat gewehrt. „Ich bin angetreten, um den Verein nachhaltig aufzubauen und eine Identität zurückzubringen. Das ist auch der Grund, warum ich ausgewählt wurde und dafür stehe ich auch. Es ist normal, dass Kritik aufkommt, wenn die Ergebnisse nicht stimmen“, sagte der Manager beim Bezahlsender.

„Wenn man mich nur anhand von Ergebnissen oder Transfers, die im Gesamtkonstrukt nach drei Wochen noch nicht eingeschlagen sind, beurteilt, dann hat man meine Rolle noch nicht ganz verstanden.“

Welche Transfers mit dieser Drei-Wochen-Zeitangabe gemeint sind, ist nicht bekannt. Eine konkrete Nachfrage gab es nicht in dem TV-Interview.

HSV-Aufsichtsrat sieht Jonas Boldt kritisch

Teile des Aufsichtsrats werfen Boldt vor, mutmaßlich zu lange an Ex-Trainer Tim Walter festgehalten, im Winter keinen neuen Innenverteidiger verpflichtet und nach zwei Niederlagen in den ersten drei Spielen dem neuen Coach Steffen Baumgart nicht öffentlich den Rücken gestärkt zu haben.

Boldt nehme nach eigenen Angaben „jede Form von sachlicher Kritik“ an, wenngleich er sich speziell gegen den Hauptkritikpunkt des Kontrollgremiums wehrt, Walter nicht schon nach der Hinrunde beurlaubt zu haben. Für dieses Szenario gab es im Dezember eine Mehrheit im Aufsichtsrat. Doch Boldt hielt vorerst an Walter fest, ehe er ihn nach vier Rückrunden-Spieltagen durch Baumgart ersetzte.

„Wenn man rein die Ergebnisse sieht, ist es danach nicht besser gelaufen. Ich weiß, was damit (der Kritik; d. Red.) gemeint ist: eine Winterpause gibt einem Trainer vermeintlich mehr Zeit. Faktisch ist es nur eine Woche. Wir hatten keine Sechs-Wochen-Vorbereitung“, argumentiert Boldt rückblickend.

Boldt über Kritik aus Aufsichtsrat: „typische Floskeln“

Zumal er sich beim gelungenen Rückrundenstart auf Schalke (2:0) in seiner Sichtweise bestätigt sah, dass Walter die Mannschaft defensiv stabilisieren kann. „Wir sind sehr gut gestartet auf Schalke. Dort haben wir vieles umgesetzt, was wir besprochen hatten.“

Es folgten allerdings zwei Heimspiele mit insgesamt acht Gegentoren gegen Karlsruhe (3:4) und Hannover (3:4). „Dann ging es leider in eine andere Richtung. Dass es mit einem neuen Trainer nicht automatisch besser wird, das sehen wir“, sagte Boldt über den Trainerwechsel und ergänzte bezogen auf die Kritik aus dem Aufsichtsrat. „Das sind so typische Floskeln.“

Jonas Boldt und Tim Walter nach dem Sieg des HSV auf Schalke.
Jonas Boldt und Tim Walter nach dem Sieg des HSV auf Schalke. © Imago / Team 2

Stattdessen setzt Boldt auf Kontinuität beim HSV. „Unsere Arbeit sollte es sein, mit den Menschen zu arbeiten und diese nicht beim ersten Widerstand fallen zu lassen – egal ob Spieler oder Trainer. Dafür stehe ich und dafür werde ich auch in Zukunft stehen.“

Warum Boldt im Winter keinen Innenverteidiger holte

Walters Nachfolger Baumgart bescheinigte Boldt „eine gute Mischung aus einer Lautstärke und einem in-den-Arm-nehmen.“ Die Stimmung in der Kabine sei „sehr gut“. Zudem bewertet es der Manager als positiv, dass der 52-Jährige die Meinung der Mitarbeiter in seine Entscheidungsprozesse miteinbeziehe. „Man merkt, dass sich die Mannschaft und der Staff deutlich mehr einbringt.“

Doch zurück zur Kritik aus dem Aufsichtsrat, der unter anderem moniert, dass im Winter kein neuer Innenverteidiger verpflichtet wurde. Teile des Kontrollgremiums sind unzufrieden, dass es in nunmehr drei Transferperioden nicht gelungen ist, einen adäquaten Ersatz für den wegen Dopings gesperrten Mario Vuskovic zu verpflichten. Eine Sichtweise, gegen die sich Boldt wehrt.

Gemeinsam mit Profifußballdirektor Claus Costa habe er „viele Möglichkeiten abgewogen“. Mit dem tschechischen Nationalspieler David Zima waren sich die Hamburger bereits über eine Leihe mit Kaufoption einig und auch der Berater des Spielers hatte signalisiert, eine Einigung mit dem abgebenden Verein FC Turin zu erzielen. Doch drei Tage vor Ende der Transferperiode funkte Slavia Prag dazwischen und schnappte dem HSV seinen Wunschverteidiger auf der Zielgeraden weg.

Boldt lobt seine HSV-Transfers

Eine Alternative wurde danach nicht verpflichtet. „Wenn wir nicht überzeugt sind, besser zu werden, werden wir keine Transfers tätigen, nur um kurzfristig die Öffentlichkeit zu beruhigen“, stellte Boldt klar und ergänzte über seine Leistung auf dem Transfermarkt: „Wir haben die Messlatte sehr hochgelegt. Mit Schonlau und Vuskovic hatten wir lange Zeit das beste Innenverteidiger-Duo der Liga. Es ist der Fluch der guten Tat, dass die Erwartungshaltung wächst.“

Solche Transfers zu tätigen, sei „nicht selbstverständlich, insbesondere in der Zweiten Liga“, sagte der Manager. „Trotzdem haben wir gute Innenverteidiger dazubekommen. Dennis Hadzikadunic zeigt eine ansteigende Form. Am Ende (im Winter; d. Red.) hat aber das Gesamtkonstrukt gewackelt und dann sieht man auf einzelnen Positionen nicht gut aus.“

Mit dem Walterball fremdelte er, doch unter Steffen Baumgart hat Dennis Hadzikadunic (l.; neben Sebastian Schonlau) einen Stammplatz in der HSV-Abwehr sicher.
Mit dem Walterball fremdelte er, doch unter Steffen Baumgart hat Dennis Hadzikadunic (l.; neben Sebastian Schonlau) einen Stammplatz in der HSV-Abwehr sicher. © Witters

Boldt: Haben HSV-Mitglieder ihr Votum verstanden?

Mit Blick auf die Mitgliederversammlung des HSV vor einer Woche, als der Rechtsformwechsel von der AG in eine KGaA beschlossen, aber die Möglichkeit, neue Investoren zu gewinnen, verhindert wurde, sei Boldt sogar froh, für Wintertransfers keine großen Summen ausgegeben zu haben. „Auf der Mitgliederversammlung ist es uns verwehrt worden, neues Kapital einzusammeln. Umso wichtiger ist es, dass wir nicht ,vogelwild' die große Kohle rausgeblasen haben, so wie es in der Vergangenheit der Fall war.“

Allerdings waren finanzielle Mittel vorhanden, einen neuen Innenverteidiger zu verpflichten.

Boldt macht kein Geheimnis daraus, nicht gänzlich zufrieden mit dem Ergebnis der Mitglieder zu sein. „Es steht jedem zu, seine Meinung zu äußern. Die Frage ist, ob jeder wirklich weiß, was er da abgestimmt hat. Ganz so überraschend war das Ergebnis nicht, insbesondere als ich vernommen habe, wie die Verteilung im Saal war“, sagte der auf der Versammlung nicht anwesende Boldt über den prozentualen Anteil einer Investoren-kritischen Fraktion der Ultras. „Ich durfte leider nicht abstimmen, weil meine Mitgliedschaft noch kein halbes Jahr her war.“

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HSV-Boss Boldt über seine Zukunft

Finanzvorstand Eric Huwer habe „sehr viel dafür getan, diesen Prozess super vorzubereiten“. „Nur: Wir sprechen über knapp 110.000 Mitglieder und am Ende erscheinen 500. Das ist vielleicht ein demokratischer Prozess, aber kein repräsentativer“, sagte Boldt über die Quote von 0,4 Prozent der anwesenden HSV-Mitglieder. „Wenn wir in die Zukunft schauen, hat man das zu respektieren. Trotzdem muss man sich die Frage stellen, ob das der richtige Weg ist, den wir gehen. Man kann nicht Erfolg fordern und gleichzeitig Einschnitte tätigen und überall Kosten zu reduzieren.“

Bezogen auf die wirtschaftliche Situation des HSV ergänzte Boldt nach dem Mitgliedervotum: „Wir fallen jetzt nicht in ein Loch.“ Allerdings wurde durch den Rechtsformwechsel in eine KGaA auch ein 30-Millionen-Euro-Kredit von Klaus-Michael Kühne in Anteile umgewandelt. Aus Fremd- wurde Eigenkapital, über das nun frei verfügt werden kann. Von einem finanziellen Loch ist der HSV daher zweifellos weit entfernt.

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Abschließend zählte Boldt in dem TV-Interview einige seiner Verdienste auf. „Bis auf den Aufstieg, den wir auch unbedingt erreichen wollen, haben wir den Club durch schwere Zeiten geführt, ihn vor einer Insolvenz gerettet und ins Wachsen gebracht. Wenn wir diesen Weg weitergehen, bin ich überzeugt, dass wir aufsteigen und uns in der Ersten Liga weiterentwickeln. Ob das so gesehen und so bewertet wird, das kann ich alleine nicht beeinflussen. Ich versuche, die Menschen zu überzeugen.“