Hamburg. HSV-Ultras verhindern auf der Mitgliederversammlung weiteren Anteilsverkauf. Wie der Club nun darauf reagiert.

Die Gesichter auf dem Podium der Wilhelmsburger Inselpark-Arena sprachen Bände, als Versammlungsleiter Kai Esselsgroth das Ergebnis der zweiten Abstimmung auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung des HSV verkündete. Gerade einmal 62,2 Prozent (272 Mitglieder) stimmten am Sonnabend für den weiteren Anteilsverkauf an neue Investoren. 37,8 Prozent (165 Mitglieder) waren dagegen.

Damit wurde die erforderliche Dreiviertelmehrheit deutlich verfehlt. Das Ergebnis ist eine Niederlage für das Präsidium und den Vorstand, wie an den enttäuschten Gesichtern abzulesen war.

HSV: Die Rekonstruktion einer Niederlage

Zuvor hatten sich Vizepräsident und Aufsichtsratschef Michael Papenfuß, HSV-Finanzvorstand Eric Huwer und Supporters-Chef Sven Freese für die Freigabe weiterer Aktienverkäufe starkgemacht. „Mit einem doppelten Ja sind wir so nah wie noch nie an einem schuldenfreien HSV und haben die Finanzverbindlichkeiten sehr bald auf null gestellt“, warb Huwer für die Stimmen der Mitglieder.

Doch auch seine rund 20-minütige und inhaltsstarke Rede half nicht: Die Mitglieder haben sich gegen den Verkauf weiterer Anteile gewehrt. „Die Herausgabe weiterer Aktien ist aktuell nicht möglich“, stellte Papenfuß im Anschluss klar.

HSV-Mitglieder beschließen Kühne-Deal

In einer ersten Abstimmung beschlossen wurde dagegen der Rechtsformwechsel von der AG in eine KGaA und damit auch die Umwandlung des 30-Millionen-Euro-Darlehens von Klaus-Michael Kühne in rund acht Prozent weiterer Anteile. Aus dem bisherigen Fremd- wird nun Eigenkapital, das nicht zurückgezahlt werden muss.

„Die Reduzierung der Anteile des HSV e.V. auf 68,2 Prozent ist angenommen worden. Dahingehend wird auch die Satzung geändert“, sagte Papenfuß. Vorbehaltlich des anstehenden Notartermins hält Kühne künftig 21,4 Prozent der Anteile am HSV.

Was das jetzt für den HSV bedeutet

Im Zuge der Rechtsformänderung wird die operative Führung von der Vermögensbeteiligung getrennt. So wird der Vorstand um Eric Huwer (Finanzen) und Jonas Boldt (Sport) in einer HSV Fußball Management AG agieren, die nun zu 100 Prozent im Besitz des e.V. ist.

Zudem bleiben die personell ebenfalls unveränderten Kontrollorgane Aufsichtsrat und Beirat in ihrer aktuellen Form bestehen. Papenfuß kündigte lediglich an, den aktuell sechsköpfigen Aufsichtsrat perspektivisch wieder auf sieben Personen zu erweitern, nachdem Präsident Marcell Jansen im Januar nach internen Querelen aus dem Gremium zurückgetreten war.

Vizepräsident Michael Papenfuß, Finanzvorstand Eric Huwer und Supporters-Chef Sven Freese warben dafür, in beiden Abstimmungsschritten mit Ja zu votieren.
Vizepräsident Michael Papenfuß, Finanzvorstand Eric Huwer und Supporters-Chef Sven Freese warben dafür, in beiden Abstimmungsschritten mit Ja zu votieren. © Witters

Die Gewichtung der Investoren wird künftig in einer HSV Fußball AG & Co. KGaA abgebildet, die einen eigenen Aufsichtsrat erhält und damit keinen direkten Machteinfluss ausüben kann. Somit wurden die Mitgliederrechte gestärkt. Eine Möglichkeit, mehr Kapital einzusammeln, wurde dagegen verhindert.

In der Folge kann auch das 20 Millionen Euro schwere Darlehen für die Stadionmodernisierung nicht per einseitiger Option der vier Geldgeber um Klaus-Michael Kühne und Ex-Aufsichtsrat Felix Goedhart in Anteile umgewandelt werden. „Das hat uns nicht gefallen, aber das ist Demokratie“, sagte Papenfuß. „Wir fragen uns natürlich, was wir in der Aufklärung hätten besser machen können. Dazu müssen wir den Austausch mit den Mitgliedern suchen.“

Kühne wollte HSV weitere zehn Millionen erlassen

Der vorerst gescheiterte Plan des HSV sah vor, die Begrenzung der zu veräußernden Anteile von nun 68 auf 50 Prozent zu reduzieren. Nach der Wandelanleihe Kühnes sollte die Möglichkeit geschaffen werden, weitere 18 Prozent der Aktien verkaufen zu können. „Man kann einen dreistelligen Millionenbetrag zusätzlich hereinholen“, hatte Papenfuß im Abendblatt-Podcast angekündigt.

Etwas weniger als drei Prozent (zehn Millionen Euro) hätte voraussichtlich erneut Kühne erworben. Der 86-Jährige hatte signalisiert, von seiner einseitigen Option im Zuge des Stadiondeals Gebrauch machen zu wollen. „Er wäre damit immer noch unter 25 Prozent geblieben“, sagte Papenfuß bezogen auf die in der Satzung vorgesehene Obergrenze eines Gesellschafters.

Ohne Namen zu nennen, bestätigte auch Huwer diesen anvisierten, nun aber nicht mehr möglichen Deal. „Es gäbe einen Gesprächspartner, der auf seine Rückzahlung verzichten würde.“

HSV organisierte sich keine Mehrheit

Durch das Nein der Mitglieder muss der HSV den gesamten Stadionkredit (20 Millionen Euro) zurückzahlen. Zu den Gegnern, sich für Investoren zu öffnen, zählte insbesondere eine Fraktion der Ultras. Den Befürwortern wurde letztlich zum Verhängnis, dass nur rund 450 von 109.000 Mitgliedern zur Versammlung erschienen sind. Dadurch stieg der prozentuale Anteil der Investoren-kritischen Fanszene.

Allerdings fällt es der Arbeitsgruppe Rechtsform auch auf die Füße, sich im Vorwege der Versammlung keine Mehrheit organisiert zu haben, wie es bei Abstimmungen in der Politik üblich ist.

„Uns ging es nicht um Mobilisierung, sondern um Information. Jeder kann sich seine Meinung bilden“, hatte Anne Gnauk, stellvertretende Geschäftsführerin des HSV e.V., im Abendblatt angekündigt. „Wir sind innerhalb der Arbeitsgruppe davon überzeugt, dass dieses Modell sehr zukunftsträchtig ist.“

Anne Gnauk, stellvertretende Geschäftsführerin des HSV e.V., und Vizepräsident sowie Aufsichtsratschef Michael Papenfuß beim Abendblatt.
Anne Gnauk, stellvertretende Geschäftsführerin des HSV e.V., und Vizepräsident sowie Aufsichtsratschef Michael Papenfuß beim Abendblatt. © HA | Thorsten Ahlf

HSV hadert mit Veto der Ultras

In Wilhelmsburg wurde der HSV davon überrascht, dass die Ultras dieser Sichtweise nur zum Teil folgten. „Ich kann mir nicht vorstellen, was ein aktiver Fan dagegen haben sollte“, hatte Papenfuß im Abendblatt-Podcast gesagt.

Der Grund seiner letztlich zu optimistischen Einschätzung: Das Modell der KGaA sei nach Gesprächen mit der aktiven Fanszene sogar noch einmal angepasst worden, um „auf deren Befindlichkeiten einzugehen“. Und trotzdem gelang dem HSV nicht der erhoffte Durchbruch.

Um die Kritiker zu überzeugen, hatte sich Papenfuß für eine Diskussion am Sonnabend mit Argumenten gewappnet. Zu diesem Zeitpunkt stand die Abwehrhaltung der Ultras allerdings schon fest. Das Investoren-kritische Lager meldete weder einen Wortbeitrag an, noch konfrontierte es die Arbeitsgruppe mit Kritik. „Ich gehe gern auf kritische Punkte ein. Wenn ich aber gar keine Fragen gestellt bekomme, dann bin ich machtlos“, monierte Papenfuß die offenbar fehlende Gesprächsbereitschaft der aktiven Fanszene.

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HSV will Abstimmung wiederholen

Das letzte Wort soll allerdings noch nicht gesprochen sein. Unter Einbeziehung der Fanbeauftragten soll nun in der Arbeitsgruppe Rechtsform besprochen werden, wie auf die aktive Fanszene zugegangen werden soll. Denn Papenfuß bekräftigte, an seinem Vorhaben festhalten zu wollen, in Zukunft die Möglichkeit für weitere Anteilsverkäufe zu schaffen.

„Wir müssen mehr Überzeugungsarbeit leisten und diese Gruppe (die Ultras; d. Red.) erreichen, um klarzumachen, was wir unter Nachhaltigkeit verstehen“, sagte Papenfuß.

Wird die Abstimmung, bis zu 50 Prozent der Anteile verkaufen zu können, also so oft wiederholt, bis den Verantwortlichen das Ergebnis passt? „Diesen Schritt werden wir wiederholen. Ich werde wieder angreifen“, kündigte Papenfuß an.