Hamburg. HSV-Torjäger hatte zuletzt weniger Abschlüsse. Baumgart nimmt auch Mitspieler in die Pflicht. Einigkeit besteht mit Ex-Trainer Meier.
Robert Glatzel hörte genau zu, als Co-Trainer René Wagner am Karfreitag die Anweisungen auf dem Platz gab. Zwei Tage vor dem Auswärtsspiel des HSV bei Greuther Fürth (So., 13.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) übernahm Steffen Baumgarts Assistent die Leitung einer Übung. Sie diente dem Zweck, das Spiel geradlinig von hinten heraus aufzubauen, um so schnell wie möglich zum Abschluss zu kommen – idealerweise über den Mann mit der höchsten Treffsicherheit: Robert Glatzel.
Unter Baumgart soll das Angriffsspiel des HSV zielstrebiger werden. Der 52-Jährige ist dafür bekannt, das Spiel durch viele Flanken auf einen Strafraumstürmer zuschneiden zu können. Doch in den bisherigen vier Partien unter dem neuen Trainer wirkte Glatzel phasenweise abgeschnitten.
In dieser Zeit kam der 30-Jährige nur einmal alle 90 Minuten zum Abschluss, erfolgreich war er lediglich per Elfmeter gegen Osnabrück (1:2). Zum Vergleich: Unter Ex-Coach Tim Walter schoss Glatzel im Schnitt 3,4-mal pro Spiel aufs Tor. Es scheint, als suche die Mannschaft noch nach der richtigen Mischung, Baumgarts Vorgaben umzusetzen und sich gleichzeitig nicht einer ihrer größten Stärken zu berauben: der Torgefahr Glatzels.
HSV: Der Baumgart-Plan mit Glatzel
„Er kommt schon in Abschlusssituationen, hatte aber oftmals das Pech, dass ein Fuß oder ein Gegner dazwischen kamen“, sagt Baumgart über die Situation seines Stürmers, der mit 16 Treffern noch immer die Torjägerliste der Zweiten Liga anführt. Damit Glatzel wieder wichtige Tore für den HSV im Aufstiegsrennen erzielt, hat Baumgart durch Einheiten wie die am Karfreitag verstärkt darauf geachtet, seinen Angreifer in die richtige Position zu bringen.
„Aus meiner Sicht wird Robert in den nächsten Spielen häufiger treffen, weil wir ihn in bessere Situationen bringen werden. Er wird kein Stürmer sein, der sich die Torchancen alleine vorbereitet, sondern er braucht die Mannschaft. Daran haben wir gearbeitet“, sagt der HSV-Trainer, der grundsätzlich zufrieden mit der Spielweise Glatzels wirkt. „Was er gut macht, ist wie er für die Mannschaft arbeitet. Das war schon immer so. Er reibt sich auf und sichert viele Bälle.“
Ex-Trainer Meier: Glatzel gehört in den Strafraum
Es sind Qualitäten, die auch sein Ex-Trainer Norbert Meier im Jahr 2016 erkannte, als Glatzel den Durchbruch beim 1. FC Kaiserslautern schaffte. Nachdem der Angreifer zwischenzeitlich in die siebte Liga zum SV Heimstetten II abgestürzt war, sorgte der Wechsel in die viertklassige Regionalliga zum 1. FC Kaiserslautern II für den Wendepunkt in seiner bis dahin unglücklich verlaufenen Karriere.
Als Meier den abstiegsgefährdeten Zweitligisten zur Rückrunde übernahm, hatte Glatzel zwölf Tore in 16 Spielen für die zweite Mannschaft der Pfälzer geschossen. Um die sportliche Wende zu schaffen, beförderte der inzwischen 65-Jährige den damals 23 Jahre alten Angreifer endgültig zu den Profis, bei denen Glatzel nur zwei Minuten nach seiner Einwechslung zu seinem Tordebüt kam. „Ich habe ihn einfach reingeschmissen, und er hat sich gleich mit einem Treffer bedankt“, erinnert sich Meier im Gespräch mit dem Abendblatt.
Der heutige Nachwuchsleiter des Oberligisten TSV Meerbusch am Niederrhein hat ausschließlich positive Worte für seinen ehemaligen Schützling übrig. „Er hat den Torriecher, den man nicht lernen kann. Dementsprechend muss er aber auch eingesetzt werden“, sagt Meier, dem nicht entgangen ist, dass die verwertbaren Zuspiele auf Glatzel zuletzt eher Mangelware waren. „Robert will der Mannschaft helfen. Er lässt sich häufig ins Mittelfeld fallen und fehlt dann dort, wo seine größten Qualitäten liegen: im Strafraum.“
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Viel Lob für HSV-Stürmer Glatzel
Es ist die alte Debatte um Glatzels Positionierung, die auch schon Baumgart und Vorgänger Walter mit dem Stürmer führten. Der Torjäger nimmt gern aktiv am Spiel des HSV teil, doch für Meier ist er „nicht der Profi, der an zwei Gegenspielern mal eben vorbeisprinten kann“. Stattdessen sei Glatzel „ein Typ, der relativ weit vorne stehen muss, wenn er an den Ball kommt, um seine Stärken auszuspielen.“
Denn diese liegen nun mal im Abschluss. „Er antizipiert die Bälle gut und hat ein Gefühl für torgefährliche Situationen. Im Strafraum ist er gnadenlos effektiv“, lobt Meier, der Glatzel ein hohes Spielverständnis attestiert. Schon zu seiner Zeit bei Kaiserslautern sei der heutige HSV-Stürmer sehr abgeklärt gewesen.
HSV-Rat an Glatzel auf mentaler Ebene
Auch wenn Glatzel in Phasen, in denen er nicht so häufig trifft wie gewünscht, mit sich selbst hart ins Gericht gehe, komme es nun darauf an, positiv und vor allem selbstbewusst zu bleiben. Darin sind sich sowohl Meier als auch Baumgart einig.
„Er ist reflektiert und intelligent genug, um nicht an seiner momentanen Torquote kaputtzugehen, sondern Wege zu finden, wieder erfolgreich zu sein“, sagt Meier. „Es ist wichtig, dass Robert den Kopf oben behält. Da das bei ihm der Fall ist, sind wir optimistisch, dass er wieder zu Torchancen kommen und diese auch nutzen wird“, ergänzt Baumgart.
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HSV-Stürmer Glatzel: Tore für den Aufstieg
Für Meier ist Glatzel der Schlüsselspieler beim HSV im Saisonendspurt. Der Ex-Trainer empfindet die Rolle des Torjägers sogar noch wichtiger als die von Mittelfeldspieler Laszlo Benes, der mit zwölf Toren und zehn Vorlagen genauso viele Scorerpunkte gesammelt hat wie Glatzel (22). „Der HSV braucht Roberts Tore für den Aufstieg. Gerade in den engen Spielen benötigt eine Mannschaft einen Torjäger, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.“
Vielleicht trifft diese Beschreibung schon am Ostersonntag wieder auf Glatzel zu, wenn der HSV mit Fürth auf die bislang schwächste Rückrundenmannschaft der Liga trifft.