Hamburg. Nach drei sieglosen Spielen fährt der HSV wieder drei Punkte ein. Dabei wirkte Walters Elf zu Beginn verunsichert.
Die Fans des HSV fühlten sich auch in der Nachspielzeit noch bestens unterhalten. „Super Hamburg, olé“, tönte es in Dauerschleife von der Nordtribüne. Ein ohrenbetäubender Lärm, der auch die restlichen 57.000 Anhänger im ausverkauften Volksparkstadion animierte einzusteigen. 6:1 (2:0) schlug der HSV im Nordduell Hannover 96.
Ein nach einer nervösen Anfangsphase vielleicht etwas zu hoch ausgefallener Heimsieg, der nach drei sieglosen Spielen in Serie von enormer Bedeutung ist. „Der Sieg war brutal wichtig“, sagte Torhüter Daniel Heuer Fernandes. „Ich bin sehr stolz auf die Mannschaft“, ergänzte Trainer Tim Walter. „Wir haben uns heute für unseren Aufwand belohnt.“
In der Tabelle zog der HSV am 1. FC Heidenheim, der am Abend 0:1 gegen Verfolger FC St. Pauli verlor, vorbei und befindet sich nun wieder auf einem direkten Aufstiegsplatz.
HSV zu Beginn verunsichert gegen Hannover
Walter konnte gegen Hannover wieder auf den zuletzt gelbgesperrten Kapitän Sebastian Schonlau setzen, der im Abwehrzentrum an der Seite von Jonas David verteidigte. Trotz der Rückkehr von Abwehrchef Schonlau wirkte der HSV zu Beginn verunsichert.
Nach nicht einmal drei Minuten vertändelte der aufgerückte David den Ball an der Mittellinie gegen Maximilian Beier und wusste sich nur noch mit einem Foul zu helfen. Eine frühe Gelbe Karte für den Verteidiger, entsprechend unruhig reagierten auch die HSV-Fans, die vor dem Spiel gegen die teuren Ticketpreise beim kommenden Heimspiel gegen den FC St. Pauli (21. April) protestiert hatten.
HSV fand erst später ins Spiel
Walter wollte Hannover „tief in die eigene Hälfte drängen“. In der Anfangsphase war davon allerdings nicht viel zu sehen. Der HSV tat sich zunächst schwer mit dem Pressing der vordersten Hannoveraner Angriffsreihe, die jedoch mangels Qualität keinen Ertrag aus ihren Ballgewinnen ziehen konnten. Als Sebastian Ernst völlig frei vor Daniel Heuer Fernandes auftauchte, vergab er kläglich (18.).
Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. Heidenheim 34 / 67:36 / 67
2. Darmstadt 98 34 / 50:33 / 67
3. HSV 34 / 70:45 / 66
4. Düsseldorf 34 / 60:43 / 58
5. FC St. Pauli 34 / 55:39 / 58
Und der HSV? Der reagierte zunehmend verunsicherter. Selbst der sonst so solide Jonas Meffert spielte einen viel zu kurz geratenen Rückpass in den Lauf des Ex-Hamburgers Louis Schaub, der im Dribbling am wie gewohnt stark mitspielenden Heuer Fernandes scheitert (19.). Es gab sogar Abstoß und keine Ecke nach dieser Szene, die als letzter Warnschuss für Walters Elf diente.
Vor dem Spiel hatte Walter noch gesagt: „Vielleicht stehen wir momentan für individuelle Fehler.“ Er hätte das Wort „vielleicht“ auch streichen können. „Es waren ein paar Unkonzentriertheiten dabei“, räumte Heuer Fernandes ein.
Diese HSV-Szene leitete die Wende ein
Dann aber kam es zu der Situation, die wohl die Wende im bis dahin fehlerhaften Spiel des HSV einleitete. Als letzter Mann rutschte Außenverteidiger Noah Katterbach von hinten mit einer Notbremsen-verdächtigen Grätsche in den schnelleren Stürmer Havard Nielsen. Der Hamburger traf gerade so noch mit der Fußspitze den Ball, ehe er den Gegner abräumte, wodurch es kein Foul war (33.).
Glück für den HSV, der anschließend von einem Fehler der Gäste profitierte. Hannovers Linksverteidiger Köhn schoss Jatta an, von dem der Ball zu Reis sprang. Der Niederländer bediente den in den Strafraum ziehenden Sonny Kittel, der platziert zum 1:0 ins linke Eck traf (34.). Die Erlösung für die 57.000 jubelnden Fans, die kurz darauf noch einmal „TOOOOR“ schreien durften.
Ron-Robert Zielers verunglückter Abstoß landete über Meffert bei Robert Glatzel, der Laszlo Benes bediente. Der Slowake wollte eigentlich einen Doppelpass mit seinem Stürmer spielen, doch sein Trick verunglückte und wurde zur perfekten Vorlage für ihn selber. Ein Lupfer – und Tor (41.). Plötzlich stand es 2:0 für einen gerade noch verunsicherten HSV.
Torreiche zweite Hälfte beim HSV
Eine vermeintlich beruhigende Führung, die allerdings nicht von langer Dauer war. Kurz nach der Pause stellte der gebürtige Hamburger Derrick Köhn mit einem Traumtor in den Winkel den Anschluss für Hannover her (52.).
In den folgenden Sekunden sah es danach aus, als würde das Gegentor die Hamburger in ihrer Anfangsnervosität zurückversetzen. Katterbachs Klärungsversuch missglückte komplett, aber Heuer Fernandes rettete in höchster Not gegen Muroya (53.).
Doch diese Chance zum Ausgleich sollte auf unbestimmte Zeit die letzte Hannoveraner Offensivaktion bleiben. Denn ab jetzt spielte nur noch der HSV. Kittel knallte den Ball an die Latte, den Nachschuss setzte Heyer über Umwege am Tor vorbei (55.). „Das 3:1 war ein wichtiger Knackpunkt“, sagte Glatzel, der nach dem Spiel mit einigen Mitspielern um den gesperrten Mario Vuskovic (Doping) essen ging. „Danach haben wir uns viele Chancen herausgespielt und der Sieg geriet nicht mehr in Gefahr.“
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Es war der Auftakt einer Drangphase der Walter-Elf. Kurz darauf foulte Luka Krajnc den aufgerückten Rechtsverteidiger Moritz Heyer im Strafraum. Alle im Stadion forderten Elfmeter, doch Schiedsrichter Florian Badstübner hatte den von eigentlich allen Positionen in der Arena klar sichtbaren regelwidrigen Kontakt nicht bemerkt. Nach dem schnellen Eingriff des Videoassistenten zeigte aber auch der Unparteiische auf den Punkt.
Benes, der bei seinem Strafstoß vor einer Woche in Düsseldorf erst im Nachschuss traf, trat erneut an und verwandelte diesmal souverän zum Doppelpack (61.). Nach drei Fehlschüssen war es das erste Elfmetertor für den HSV in dieser Saison.
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Es spielte weiterhin nur eine Mannschaft. „So ein Spiel bringt eine eigene Dynamik mit. Unser Gefühl wurde immer besser, als die Pässe klappten. Wir hatten extrem viel Spaß, waren konsequent im Angriff und geil auf Tore“, sagte Heuer Fernandes. Nächstes Beispiel für diese These: Der sehr agile Katterbach flankte butterweich auf den Kopf von Glatzel, der zum 4:1 einnickte (65.).
Als dann auch noch der eingewechselte Ransford Königsdörffer (76.) und Ludovit Reis (87.) auf 6:1 erhöhten, war die Partie im Volkspark perfekt. „Die Fans waren wieder überragend“, freut sich Heuer Fernandes. „Die Stimmung war wieder mal Wahnsinn, die Fans stehen immer an unserer Seite. Wir sind eine Familie, der ganze Verein“, ergänzte Katterbach.
Die Statistik:
- HSV: Heuer Fernandes – Heyer, David, Schonlau (81. Zumberi), Katterbach – Meffert (71. Suhonen) – Reis, Benes (79. Krahn) – Jatta (79. Nemeth), Glatzel, Kittel (71. Königsdörffer). – Trainer: Walter
- Hannover: Zieler – Muroya, Lührs, Krajnc, Köhn – Besuschkow - Kunze, Ernst (82. Momuluh) – Schaub (64. Teuchert) – Nielsen (74. Foti), Beier. – Trainer: Leitl
- Schiedsrichter: Florian Badstübner (Nürnberg)
- Tore: 1:0 Kittel (34.), 2:0 Benes (41.), 2:1 Köhn (52.), 3:1 Benes (61.), 4:1 Glatzel (65.), 5:1 Königsdörffer (76.), 6:1 Reis (87.)
- Schiedsrichter: Florian Badstübner (Nürnberg)
- Zuschauer: 57.000 (ausverkauft)
- Gelbe Karten: David (2), Benes (4), Reis (4) - Beier
- Torschüsse: 17:6
- Ecken: 6:3
- Ballbesitz: 58:42 Prozent