Hamburg. Zweijährige Dopingsperre für HSV-Profi: Experten greifen Urteil an. Auch Argument von Vuskovic-Gutachter entkräftet. Wie geht's weiter?
Als Stephan Oberholz HSV-Profi Mario Vuskovic für zwei Jahre wegen Dopings (Epo) sperrte, hatte der DFB-Richter bereits eine Vorahnung. Gegen das Urteil des Sportgerichts könne Berufung eingelegt werden, teilte Oberholz mit und wies darauf hin, dass dieses Recht auch für die am Prozess nicht beteiligten Antidoping-Organisationen Nada und Wada gelte.
Eine Woche später steht fest, dass außer der Wada, die allerdings die gleichen Interessen wie die Nada verfolgt, jede Partei Oberholz’ Urteil anfechtet.
Mario Vuskovic: Dritte Berufung wirkt skurril
Nach Vuskovics Anwälten und der Nada legte auch der DFB-Kontrollausschuss, der die Anklage übernimmt, Rechtsmittel ein. Ein auf den ersten Blick skurril wirkender Schritt. Schließlich war es der Kontrollausschuss, der sich am dritten Prozesstag bei seinem Vergleichsangebot mit einer rechtswidrigen Sperre von unter einem Jahr für Vuskovic relativ wenig für das Regelwerk interessierte.
Drei Wochen später scheint sich Anton Nachreiners Rechtsverständnis wieder an den eigenen Antidoping-Richtlinien zu orientieren. „Im Laufe des weiteren Verfahrens könnten womöglich neue Informationen und Fakten zutage treten“, begründet der Vorsitzende des Kontrollausschuss seine Entscheidung, mit der er sich alle Optionen offenhalten wolle.
Vuskovic will direkt vor den CAS
Bis Ende April haben alle drei Berufungsführer Zeit, ihre Begründungen einzureichen. Zuvor muss geklärt werden, welches Gericht für das Verfahren verantwortlich ist. Im Normalfall ginge es vor dem DFB-Bundesgericht weiter. Doch die Verteidigung möchte den Prozess beschleunigen und direkt vor den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) ziehen. Ein solcher Antrag liegt den Richtern in Lausanne vor.
Einen weiteren Antrag, das Verfahren bis zur Antwort des CAS vor dem Bundesgericht ruhen zu lassen, reichten Vuskovics Anwälte in Frankfurt ein. Das Bundesgericht wolle in „voraussichtlich zwei Wochen“ darüber entscheiden, kündigte der Vorsitzende Achim Späth an.
„Unsinnig“: Die Fehler im Vuskovic-Urteil
Klar scheint bei all diesen Irrungen und Wirrungen lediglich, dass Oberholz’ verhängte Sperre keinen Bestand haben dürfte. Sollten sich die bisherigen Fehler nicht wiederholen, geht es nun entweder um einen Freispruch oder eine vierjährige Sperre.
Wie berichtet, bietet die Urteilsbegründung für alle Seiten reichlich Angriffsfläche. Da Oberholz seinen Beweisbeschluss einer erneuten Epo-Analyse nicht umsetzte und Vuskovic trotzdem verurteilte, hatte Anwalt Horst Kletke im Abendblatt für Freispruch plädiert. Auch die Begründung für das Strafmaß von zwei Jahren findet sich im Regelwerk des DFB nicht wieder (das Abendblatt berichtete).
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Neben fachlichen kommen auch wissenschaftliche Fehler hinzu. So wich Oberholz von der vierjährigen Regelsperre ab, weil bei Vuskovic nur ein geringer Epo-Anteil nachgewiesen worden sei und es sich nicht um strukturiertes Doping handele. „Wissenschaftlich ist diese Argumentation unsinnig“, sagt Epo-Experte Wolfgang Jelkmann dem Abendblatt.
Vuskovic: Epo-Forscher zeigt DFB-Panne auf
Der Lübecker Universitätsprofessor a. D. war 2009 als Gutachter beim Blutdopingprozess gegen die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein mit dabei. Wie hoch der nachgewiesene Anteil an körperfremdem Epo sei, sage nichts über die Schwere des Vergehens aus. „Die Halbwertszeit von intravenös verabreichtem Epo liegt bei sechs bis acht Stunden, bereits nach 18 Stunden ist es nicht mehr nachweisbar“, sagt Jelkmann. „Man könnte Epo also nachmittags verabreichen und am nächsten Morgen wäre nichts mehr nachweisbar.“
Auch für den unwahrscheinlichen Fall, dass Vuskovic Spritzen unter der Haut (subkutan) erhalten habe, seit Epo nur „zwei bis drei Tage nachweisbar“.
Oberholz’ Aussage, es handele sich nicht um strukturiertes Doping, sei spekulativ. „Das kann der Richter natürlich nicht wissen, da Vuskovic nicht permanent getestet wurde“, sagt Jelkmann.
Mario Vuskovic: Verwunderung über DFB-Urteil
Der Forscher deckt allerdings außerdem Fehler der Verteidigung auf, die den positiven Befund auch deshalb anzweifelt, weil Vuskovics Probe einen hohen körpereigenen Epo-Wert aufzeige. Bei Blutdopern sei hingegen das Gegenteil der Fall, sagt Gutachter Lorenz Hofbauer. „Das ist für mich kein Argument“, erwidert Jelkmann, der diese These nur bei strukturiertem Doping und frühestens nach zwei bis drei Wochen Behandlung mit Epo zulasse. „Aber wir wissen nichts von mehreren Spritzen.“
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Was aber bleibt vom Urteil des Sportgerichts überhaupt noch übrig? Wie das Abendblatt erfuhr, sind sowohl Rechtsexperten als auch Wissenschaftler über die unzureichende Urteilsbegründung verwundert. Eine Theorie, für die es aber keine Beweise gibt: Oberholz hat sich bewusst für ein schwammiges Urteil entschieden, um die Entscheidung durch die Berufungen aller Parteien an eine höhere Instanz weiterzureichen. Sollte das tatsächlich sein Plan gewesen sein, dann hätte er zumindest damit recht gehabt.