Hamburg. Eine Aufsichtsratswahl und drei Streitthemen um Präsident Jansen, Ex-Vorstand Wüstefeld, Investor Kühne und Aufsichtsrat Dinsel.
Wer am vergangenen Sonntag beim 4:2-Sieg des HSV gegen Eintracht Braunschweig live im Stadion dabei war, der wird guten Gewissens bezeugen, dass der Volkspark mitunter zu einem echten Tollhaus mutieren kann. Dass es für diese Einschätzung aber nicht mal eines Spiels mit sechs Toren bedarf, dürfte sich an diesem Donnerstagmorgen bestätigen.
Denn auch wenn ab 10 Uhr im Stadion die Hauptversammlung, also das Zusammentreffen aller HSV-Anteilseigner, stattfindet, ist ein echtes Spektakel garantiert. Die Zutaten diesmal: ein angeschlagener HSV-Präsident, ein verstoßener Ex-Vorstand, ein ungewollter Kontrolleur und ein handfester Zoff mit dem gewichtigsten Einzelaktionär. Ach ja, zwei Aufsichtsräte müssen dann auch noch bestellt werden. Mindestens.
HSV bestellt neue Aufsichtsräte
Zunächst aber alles schön der Reihe nach: An diesem Donnerstag findet nun also endlich die bereits im vergangenen November avisierte Hauptversammlung der Aktionäre der HSV AG statt. Eingeladen hat der HSV-Vorstand, kommen dürfen neben dem HSV-Präsidium als Vertreter des 75,1-Prozent-Mehrheitseigner auch die Anleger oder deren Vertreter.
15,21 Prozent sind in Besitz der Kühne Holding AG von Milliardär Klaus-Michael Kühne, 5,07 Prozent hält die CaLeJo GmbH von Ex-HSV-Vorstand Thomas Wüstefeld. Die restlichen 4,61 Prozent teilen sich mehrere Kleinaktionäre (Familie Burmeister, Helmut Bohnhorst, die Erben des 2016 verstorbenen Alexander Margaritoff und die AMPri Handelsgesellschaft).
So weit, so gut, so unspektakulär. Doch anders als bei den vorherigen Hauptversammlungen, in denen es meist nur darum ging, dass der Finanzvorstand die neuesten Zahlen präsentierte und der Sportvorstand einen kurzen Einblick in die sportliche Entwicklung gewährte, gibt es diesmal jede Menge zu bereden.
Da wären zum einen die angekündigten Wechsel im Aufsichtsrat: Für Andreas Peters, der selbst nicht mehr wollte, und Lena Schrum, die vor allem bei Präsident Marcell Jansen in Ungnade gefallen sein soll, stehen Blockhouse-Manager Stephan von Bülow und der frühere Ultravorsänger Henrik Köncke bereit. Jansens Wunsch, auch den für ihn unbequemen Hans-Walter Peters durch HanseMerkur-Vorstand Eric Bussert zu ersetzten, fand im eigenen Präsidium keine Mehrheit.
Warum HSV-Aktionäre Jansen kritisieren
Doch das war es noch nicht. So erfuhr das Abendblatt, dass alle Einzelaktionäre (außer Wüstefeld) das Präsidium in einem am Freitag zugestellten Brief aufgefordert hatten, auch über eine Neubesetzung von Aufsichtsrat Detlef Dinsel nachzudenken – und kritisierten auch vehement die Ablösung der gerade erst vor einem Jahr installierten Schrum. Der Vorwurf an Jansen, er wolle lediglich eine kritisch nachfragende Aufsichtsrätin zugunsten des eigenen Machterhalts loswerden, soll nach Abendblatt-Informationen auch in der Versammlung vorgetragen werden.
Und die Aktionäre sind mit ihrer Kritik nicht allein. Auch die Abteilungsleitung der Supporters bat das Präsidium in einer E-Mail zu Wochenbeginn, über die umstrittene Besetzung nachzudenken. Jansens Entscheidung, Dinsel für den Aufsichtsrat zu gewinnen, war zuvor schon auf der Mitgliederversammlung schwer kritisiert worden. Allerdings sollen mehrere Gesprächsangebote Dinsels sowohl von den Aktionären als auch von den Supporters abgelehnt worden sein.
Den letzten Versuch startete der Investor, der mit Jansen seit längerer Zeit ein Vertrauensverhältnis pflegt und der bereits beim FC Augsburg mit Anteilen viel Geld verdiente, am Sonntag, als er zweieinhalb Stunden vor dem Anpfiff des Spiels gegen Braunschweig ein klärendes Gespräch mit den Anteilseignern wollte. Die Aktionäre lehnten ab. Nun kommt es an diesem Donnerstag zum Treffen, da auch Dinsel bei der Versammlung vorstellig wird.
HSV-Aktionäre tagen: Jansen droht Ärger
Der Streit um Dinsel ist nicht der einzige Zoff auf der Tagesordnung. Spannend dürfte auch sein, ob die Kleinaktionäre (Burmeister, Bohnhorst, Margaritoff und Thomas Böhme von AMPri) ihre Fundamentalkritik an Präsident und Aufsichtsratschef Jansen erneuern. Ende Oktober hatten sie in einem Brandbrief geschrieben: „Wir entziehen Ihnen als Aufsichtsratsvorsitzendem aufgrund Ihres Verhaltens ab sofort unser Vertrauen.“
Hauptanstoß des Aufbegehrens war Jansens Umgang mit Ex-Vorstand Wüstefeld, der ganz nebenbei auch noch HSV-Aktionär ist. Und an dieser Stelle wird es nun wirklich spannend. Denn: Anteilseigner Wüstefeld hatte sich im vergangenen Jahr mit Anteilseigner Kühne überworfen, nachdem er von dessen Kühne Holding 5,11 Prozent der AG-Anteile für 14,2 Millionen Euro erworben hatte. Der ungeheuerliche Vorwurf seiner Anwälte: „arglistige Täuschung“. Gegenüber dem Abendblatt hatte Wüstefeld moniert, dass ihm beim Millionendeal mit der Kühne Holding „relevante Unterlagen und Informationen für die gesamte Instandhaltung und Sanierung des Volksparkstadions“ nicht zur Verfügung gestellt worden seien.
Kühnes Vertrauter Karl Gernandt, der ebenfalls an diesem Donnerstag auf der Hauptversammlung anwesend sein wird, konterte im Abendblatt: „Die Kühne Holding AG bestätigt die von der CaLeJo GmbH initiierte juristische Auseinandersetzung. Wir können die auch öffentlich aufgestellten Behauptungen im Zusammenhang mit dem im letzten Jahr abgeschlossenen und in der Hauptversammlung der HSV AG genehmigten Aktienkaufvertrag in keiner Weise nachvollziehen und werden uns weiterhin vertragsgemäß verhalten, fordern dies allerdings auch von allen übrigen Beteiligen.“
HSV: Wüstefeld hat Kühne Geld für Anteile gezahlt
Den wohlgemeinten Rat zum Schluss darf Wüstefeld durchaus als Drohung verstehen. Denn nach Abendblatt-Informationen hat der 53-Jährige nach dem durch ihn in die Öffentlichkeit geratenen Disput mittlerweile den Vorwurf der „arglistigen Täuschung“ fallen gelassen und die fällige Kaufsumme überwiesen, konnte damit aber den Streit noch nicht beilegen.
Der Hintergrund: Dank einer zuvor vertraglich festgelegten Put-Option ist Wüstefeld bereits seit Monaten dazu verpflichtet, rund zwei weitere Prozent der HSV-Anteile der Kühne-Holding für eine Millionensumme zu übernehmen. Dieser Verpflichtung soll Wüstefeld, der eine Nachfrage des Abendblatts unbeantwortet ließ, noch immer nicht nachgekommen sein. Es bleibt abzuwarten, ob nun wiederum Kühne juristische Schritte gegen Wüstefeld in Erwägung zieht.
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Von der Ursprungsidee, dass sowohl Kühne als auch Wüstefeld und Dinsel, der ebenfalls an einem Anteilserwerb interessiert war, jeder rund sieben Prozent der AG-Anteile übernehmen, ist längst nichts mehr übrig. Wüstefeld und Dinsel haben auch bei den restlichen Anteilseignern einen schweren Stand – genauso wie auch Präsident Jansen, den die geballte Kritik allerdings kaltlassen soll.
An Gesprächsthemen sollte es auf der Hauptversammlung jedenfalls nicht mangeln. Und sollte es eskalieren, bleibt den Aktionären immer noch die Möglichkeit, die Versammlung zu verlassen und beim Training der Profis vorbeizuschauen. Das findet parallel zur Versammlung genau neben dem Stadion statt. Das Trainingsziel: das nächste Spektakel.