Hamburg. Die Zweite Liga geht wieder los. Im Volkspark steht der dritte Neuzugang bevor. Am Millerntor ist der Trainer im Fokus.
Das Thermometer im Volkspark zeigte eine Außentemperatur von minus zwei Grad, doch Tim Walter hatte auch nach 90 Minuten Training noch Zeit für ein paar Späße. „Heute ist es nicht sunny, heute ist es neblig“, sagte der HSV-Trainer und grinste. Dabei drehte sich sein Wortspiel um eine Personalie, die Walter gar nicht gefallen dürfte: Sonny Kittel. Der Offensivspieler, der den HSV noch in dieser Woche verlassen will, gilt als einer der Lieblingsschüler von Walter.
HSV holt Stürmer Nemeth – St. Pauli rüstete den Kader groß auf
Sollte ein Wechsel nach Saudi-Arabien klappen, müsste der Coach künftig auf den 30-Jährigen verzichten. „Der Verein ist größer als der Trainer. Ich habe immer gesagt, dass ich ein besonderes Verhältnis zu Sonny habe, und das wird auch so bleiben“, sagte Walter, der sich dafür schon bald auf einen weiteren Neuzugang freuen könnte. András Németh (20) vom belgischen Erstligisten KRC Genk steht kurz vor einem Wechsel nach Hamburg. Der ungarische Stürmer soll laut „Bild“ 750.000 Euro kosten und bis 2026 unterschreiben. Er wäre der dritte Neuzugang des Winters. Einer weniger als der FC St. Pauli, der bereits vier Spieler geholt hat. Kurz vor dem Rückrundenstart vergleicht das Abendblatt die Lage bei den zwei Clubs.
Wintertransfers: Bei der Kaderplanung des HSV hängt jetzt alles an Kittel. Wie schon im Sommer ist noch nicht klar, ob der Wechsel am Ende klappt. Németh wäre in erster Linie ein Back-up für Robert Glatzel, sollte der Toptorjäger mal ausfallen. Nach dem Abgang von Tim Leibold (Kansas City) sowie den Verpflichtungen von Linksverteidiger Noah Katterbach (1. FC Köln/Leihe) und Innenverteidiger Francisco Montero (Besiktas Istanbul/Leihe) sucht der HSV noch einen Offensivspieler, der einen Kittel-Abgang kompensieren könnte. Am kommenden Mittwoch schließt das Transferfenster. Dann könnte der Club nur noch vereinslose Spieler wie etwa Max Kruse verpflichten. Der 34-Jährige, der mit dem HSV in Verbindung gebracht wurde, ist dort aber kein Thema.
Gleich drei neue Stürmer hat St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann (51) in der Winterpause geholt. Keiner von ihnen wird allerdings am Sonntag in Nürnberg in der Startelf stehen. Mittelstürmer Maurides Roque Junior (28) muss sich noch an die Spiel- und Trainingsintensität der Zweiten Liga gewöhnen. Der aus Norderstedt gekommene Außenstürmer Elias Saad (23) zeigt gute Ansätze, spürt in den Zweikämpfen aber auch den Unterschied zur Regionalliga. Und auch der neueste Zugang, der Engländer Oladapo Afolayan (25), braucht noch Eingewöhnungszeit, dürfte aber aus diesem Trio am ehesten zu einem Startelf-Kandidaten werden.
Dagegen hat der neue Abwehrspieler Karol Mets (29) schon in seinen beiden absolvierten Testspielen bei Borussia Mönchengladbach (1:0) und zuletzt gegen den dänischen FC Midtjylland (0:0) überzeugt. Dass es in beiden Partien keinen Gegentreffer gab, lag auch an dem zweikampf- und kommunikationsstarken Esten, der sogar den von seiner Schulterverletzung genesenen Jakov Medic (24) von der Position des linken Innenverteidigers verdrängt hat. Bisher hat St. Pauli im Winter keinen Spieler abgegeben. Dies könnte bei Torwart Dennis Smarsch (24) und Sturmleihgabe Igor Matanovic (19) sowie dem einen oder anderen Spieler, der nur wenig Einsatzzeit zu erwarten hat, aber auf den letzten Drücker noch passieren.
Auf diesen Positionen fehlen dem HSV Alternativen
Kaderbreite: Ohne Kittel würde dem HSV vor allem eine Alternative für das zentrale Mittelfeld fehlen. Ludovit Reis und László Bénes sind auf den Achterpositionen gesetzt, weil Anssi Suhonen nach seiner Oberschenkelverletzung noch Zeit braucht. Bénes stieg am Mittwoch wieder ins Mannschaftstraining ein. Als der Slowake am Montag im internen Testspiel fehlte, spielte Flügelstürmer Ransford Königsdörffer in der Mitte. Ein klares Zeichen, dass der HSV hier Handlungsbedarf hat. Zudem zeigte sich, dass die erste Elf nominell die wohl beste Mannschaft der Zweiten Liga ist – die Qualität in der Tiefe des Kaders aber fehlt. Schlüsselspieler wie Glatzel, Jonas Meffert oder Reis wären bei einem Ausfall kaum zu ersetzen.
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Die stolze Zahl von 32 Spielern, darunter nicht weniger als zwölf Verteidiger, führt der FC St. Pauli auf seiner Homepage auf. Dieser Wert muss allerdings relativiert werden. So stehen die Innenverteidiger David Nemeth (Schambeinentzündung) und der seit zwei Jahren wegen einer langwierigen Sprunggelenkverletzung nicht mehr eingesetzte Christopher Avevor vorerst nicht zur Verfügung. Grundsätzlich ist jede Position im von Trainer Fabian Hürzeler (29) favorisierten 5-2-3-System mindestens doppelt besetzt, allerdings haben die Leistungsträger Leart Paqarada (28), Jackson Irvine (29) und Marcel Hartel (27) keine wirklich adäquaten Stellvertreter. Im Angriff sticht dagegen keiner der acht Kandidaten für die drei Positionen heraus, auch wenn David Otto und Connor Metcalfe (beide 23) vom Trainerwechsel profitiert haben.
Bei St. Pauli kehrte nach der Trennung von Timo Schultz Ruhe ein
Clubführung: Nachdem HSV-Präsident Marcell Jansen zwei Abwahlanträge überstanden hat, herrscht nun nach monatelangen Machtkämpfen Klarheit. Sportvorstand Jonas Boldt hat verlängert und mit Eric Huwer einen Vertrauten als Finanzvorstand an seiner Seite. Das angespannte Verhältnis zu Jansen aber bleibt. „Ich bin zweieinhalb Jahre gut mit ihm ausgekommen. Wir konnten uns immer alles offen sagen“, sagte Boldt am Mittwoch im Podcast von NDR 90,3. „Das Verhältnis hat sich vor einem Jahr etwas verändert. Die Gründe sind bekannt“, so Boldt, der auf den Führungsstreit mit Ex-Vorstand Thomas Wüstefeld anspielt, der von Jansen lange geschützt wurde.
Eine Woche vor der Hauptversammlung der Gesellschafter macht Boldt deutlich, dass diese Zeit Risse hinterlassen hat. Er sagt aber auch: „Ich bin kein nachtragender Mensch. Ich habe nichts dagegen, wenn jemand Fehler gemacht hat – das tue ich auch –, sie einsieht und Dinge dementsprechend anpasst. Das wird sich zeigen.“ An Wüstefeld lässt Boldt kein gutes Haar. „Das vergangene Jahr war sehr turbulent. Wenn man tagtäglich zusammenarbeitet, belogen und hintergangen wird, dann ist das etwas, was mir widerstrebt.“
Nach der Freistellung von Timo Schultz am 6. Dezember kehrte bei St. Pauli vergleichsweise schnell wieder Ruhe im Vereinsumfeld ein. Das hing auch damit zusammen, dass Nachfolger Hürzeler einen fokussierten und motivierten Eindruck hinterlässt, was sich auch in den Testspielen widerspiegelte. Dies alles wird nur nicht viel wert sein, wenn die ersten Rückrundenspiele misslingen. Dann würde vor allem Sportchef Bornemann für seine mutige, aber auch riskante Trainerentscheidung sowie für seine eher kreativen Transfers von Spielern, die die Liga nicht kennen, in den Fokus der Kritik geraten.
HSV hat ein lösbares Auftaktprogramm in die Rückrunde
Startprogramm: Das HSV-Heimspiel gegen Aufsteiger Eintracht Braunschweig am Sonntag im wahrscheinlich ausverkauften Volksparkstadion verspricht einen optimalen Start ins neue Jahr. Allerdings holte der HSV aus den Partien gegen die Mitaufsteiger 1. FC Magdeburg und 1. FC Kaiserslautern in der Hinrunde zu Hause nur einen Punkt. Braunschweig gilt als konterstark, setzt im Sturm auf Neuzugang und Ex-HSV-Profi Manuel Wintzheimer, der vom 1. FC Nürnberg ausgeliehen wurde. Topstürmer Anthony Ujah (32) fällt aus, Topspieler Immanuel Pherai (21) sitzt nach einer Muskelverletzung zunächst auf der Bank. Mit Braunschweig, Hansa Rostock und Arminia Bielefeld hat der HSV ein lösbares Auftaktprogramm.
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Mit einem Duell der Enttäuschten startet der FC St. Pauli am Sonntag (13.30 Uhr) in die Rückrunde beim 1. FC Nürnberg, der zu Saisonbeginn von vielen Experten auch angesichts seiner Verstärkungen als Aufstiegskandidat angesehen wurde, aktuell aber nur auf Platz elf liegt (19 Punkte). Mit einem Sieg könnte St. Pauli die Franken sogar überholen. Rein statistisch stehen die Chancen dafür nicht schlecht.
In den vergangenen fünf Spielen in Nürnberg siegten die Kiezkicker viermal und holten ein Unentschieden. Spätestens aber in den beiden folgenden Heimspielen gegen Hannover 96 (5.2.) und den 1. FC Kaiserslautern (12.2.) muss der erste Sieg seit dem 3:0 im Stadtderby gegen den HSV am 14. Oktober gelingen, um eine erneute Trainerdiskussion zu vermeiden.