Hamburg. Createfootball kombiniert Daten der relevantesten Statistikseiten. So schätzt Gründer Mats Beckmann St. Paulis Winterzugang ein.
Mats Beckmann ist kein Bauchmensch. Die Passion des 25-Jährigen sind Zahlen, Daten und Fakten. Doch selbst die bringen ihn bei der Einschätzung des Transfers von Oladapo Afolayan zum FC St. Pauli an seine Grenzen. Drei Sekunden Stille. Dann übernimmt Beckmanns Bauch: „Hmmm.“
Die Analyse der Datenberatungsplattform Createfootball, die der Elmshorner gemeinsam mit seinem Kumpel Quirin Sterr (26) gegründet hat, fällt ambivalent aus. Aber Beckmann wäre kein Fachmann, wortgetreu Data Consultant (Datenberater), wenn er die Eindrücke aus Bauch und Kopf nicht zu interpretieren wüsste. Es ist schließlich sein Job.
Createfootball: Zu den Kunden zählen Erst- und Zweitligisten
Im November 2020 machten sich die Jungunternehmer nämlich damit selbstständig. Ihre Idee in der Kurzfassung: Datenpunkte der relevantesten Statistikseiten kombinieren, um Clubs, Spielerberater sowie Medien bei deren Deutung zu unterstützen. Verpflichtungen, Formationen, detaillierte Spielerprofile – lässt sich anhand dessen alles erstellen.
Das Konzept geht auf. Zu den Kunden von Createfootball zählen unter anderem Erst- und Zweitligisten, der SV Elversberg, Vereine aus den Niederlanden, Italien, der DFB, die ARD und die namhafte Beratungsagentur Roof. „Den Entscheidern fehlt häufig die Zeit, die Unmengen an Zahlen einzuordnen. Das übernehmen wir für sie.“ Ausschließlich auf Gegenliebe stößt das nicht.
Datenanalyse kann ein "Gamechanger" sein – auch für den FC St. Pauli?
„Man riskiert mitunter eine blutige Nase, wenn man Sportdirektoren Hinweise gibt, welche Entscheidungen sie treffen sollen“, sagt Beckmann, der in Lägerdorf südlich von Itzehoe lebt. Besonders Deutschland sei vergleichsweise konservativ in Bezug auf Datenanalyse im Fußball eingestellt. „Dabei kann das ein Gamechanger sein, siehe Elversberg“, meint Beckmann in Hinblick auf den Regionalliga-Aufsteiger, der souverän die Drittliga-Tabelle anführt.
Und damit kommende Saison Gegner des FC St. Pauli sein könnte – wenn’s für beide Vereine gut läuft in Liga zwei, ansonsten eine Klasse tiefer. Um zweitgenanntes Szenario zu vermeiden, haben die Kiezkicker sich unter anderem mit Angreifer Oladapo verstärkt, also dem Mann, an dessen Beurteilung Beckmanns Bauch und Birne initial verzweifelten. Weswegen passt der Engländer denn nun ans Millerntor – oder auch nicht?
FC St. Pauli: Datenanalyst bewertet Transfer von Oladapo Afolayan
„Zunächst einmal passt, dass er einen ähnlichen Spielstil von seinem vorherigen Club Bolton gewohnt ist. Dazu ist St. Pauli aus der Distanz eher ungefährlich, nur zwei Saisontore wurden außerhalb des Strafraums erzielt. Afolayans Stärke ist aber besonders der Abschluss aus der Ferne. Und der größte Pluspunkt: Er bringt Tempo ins Spiel, was St. Pauli angesichts von nur einem Treffer nach Umschaltspiel maßgeblich fehlt“, sagt Beckmann, der den 25-Jährigen in bester Marek-Mintal-Phantom-Manier als „Shadow Striker“ (Schattenstürmer) kategorisiert. Auch die Qualitäten des Briten im Dribbling (7,29 pro Spiel bei einer Erfolgsquote von 47 Prozent) seien als neues Stilmittel durchaus hilfreich.
Klingt bis dahin alles bestens. Warum also die Bauchschmerzen? Darauf gibt es überraschenderweise keine kopf-, sondern eine bauchbasierte Antwort: „St. Pauli ist seine erste Auslandsstation, das birgt Risiken, und Anlaufzeit gibt es im Abstiegskampf nicht.“ Hinzu kommt die Kopfballschwäche Afolayans, die als Schwäche noch freundlich umschrieben ist. In seiner Profilaufbahn gelang ihm noch kein einziger Treffer mit dem Kopf – ungünstig, da St. Pauli seine Offensivspieler oftmals mit Flanken füttert.
Zu einer höheren Chancenverwertung dürfte der Rechtsfuß ebenfalls nicht beitragen. Als Torjäger ist er nicht verschrien, sein Expected-Goals-Wert, also die Zahl der zu erwartenden Treffer, liegt bei 0,27 pro Partie. Immerhin höher als der von Johannes Eggestein und Lukas Daschner (beide 0,23).
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Analyst zu Pauli-Transfer: "Afolayan fällt in die Kategorie Risikotransfer"
„Ich bezweifele, dass Afolayan direkt einen riesigen Einfluss auf die Resultate bewirken wird. Seine Verpflichtung fällt für mich in die Kategorie Risikotransfer, wirkt aber zumindest schlüssiger als die von Maurides Roque Junior“, sagt Beckmann, der am Campus des VfL Wolfsburg Business Administration mit Schwerpunkt Sport studiert hat.
Sein Fazit: „Wenn alles optimal verläuft, werden seine frechen Dribblings und Distanzschüsse St. Pauli variabler machen und neue Komponenten in den Angriff bringen.“ Eine weitere Stärke sei nämlich Afolayans Unberechenbarkeit. Die Entscheidung, ob er rechts oder links am Gegner vorbeigeht, wirkt häufig wie aus dem Bauch heraus getroffen.
Der ablösefreie Wechsel von Leart Paqarada zum 1. FC Köln zur kommenden Saison, den das Abendblatt exklusiv vermeldet hatte, wurde am Montag vom FC St. Pauli sowie vom Bundesligisten bestätigt.