Benidorm. Der Stürmer soll die Offensivprobleme des Kiezclubs lösen. Hinter der dem Brasilianer liegen zahlreiche Vereinswechsel.

Immer wieder steigt Maurides Roque Junior mitten im Strafraum in die Lüfte, trifft mit seinem Kopf den von der Seite hereinfliegenden Ball wuchtig und versenkt ihn mit einer eindrucksvollen Quote im Tor. Es fällt nicht schwer zu erkennen, dass der neue brasilianischer Mittelstürmer des FC St. Pauli richtig Spaß an diesem Eckentraining hat. „Bei dem großen Kopf ist es ja kein Wunder, dass er die Bälle trifft“, frotzelt an der Eckfahne Mittelfeldspieler Franz Roggow, der mit links die Bälle vor das Tor schlägt.

FC St. Pauli: Maurides soll als Strafraumstürmer für Gefahr sorgen

Wenn es denn so einfach wäre. Doch weder Körpergröße, bei Maurides sind es 189 Zentimeter, noch ein überdurchschnittlicher Umfang des Schädels sind Garanten für ein gutes Kopfballspiel. „Ich habe vor allem in der Jugend sehr intensiv das richtige Timing trainiert“, erzählt der in Colômbia geborene Brasilianer.

Das ist hat er seither nicht mehr verlernt. „Kopfbälle und mein linker Fuß“, nennt der 28-Jährige denn auch als seine Stärken in seinem ersten Mediengespräch, seit er Ende Dezember vom polnischen Erstligisten Radomiak Radom zum FC St. Pauli gewechselt ist, der genau einen Stürmer mit diesem Profil gesucht hatte, um im gegnerischen Strafraum mit einer eindrucksvolleren Präsenz als bisher auftauchen zu können.

Maurides spielte bereits in China, Bulgarien und Südkorea

„Es ist großartig, wie ich hier von der Mannschaft aufgenommen worden bin. Das habe ich so wirklich bei noch keinem anderen Verein erlebt“, sagt Maurides so überzeugend, dass man nicht den Eindruck hat, es sei nur eine höfliche Floskel. Dabei hat er neben seinem Heimatland schon in allen möglichen Ecken auf diesem Erdball gespielt, genauer in Portugal, Bulgarien, China, Südkorea und eben schließlich in Polen. „Hier hat vom ersten Tag an jeder mit mir gesprochen und mir geholfen, ganz besonders Jakov Medić und Nikola Vasilj. Bei meinem Ex-Club in Polen hat es bestimmt zwei Wochen gedauert, bis jeder Spieler mal mit mit geredet hatte“, berichtet Maurides.

Dabei ist er selbst alles andere als introvertiert oder verschlossen. Vielmehr ist er auch auf dem Spielfeld immer für einen kleinen Spaß zu haben, zieht Grimassen oder lässt einen kleinen Spruch auf Englisch los, damit ihn auch jeder versteht. „Wenn man als neuer Spieler von den anderen gut behandelt wird, ist es viel leichter, sich wohlzufühlen und gut zu spielen“, stellt er treffend fest. „Ich verbringe mit der Gruppe hier mehr Zeit als mit meiner Familie. Deshalb ist es wichtig, auch Spaß zu haben. Die Mannschaft ist auch ein Teil meiner Familie.“

Pressing des FC St. Pauli ist noch neu für den Brasilianer

Die Geselligkeit oder auch Sozialkompetenz einer Mannschaft sind das eine, die sportliche Leistungsstärke aber das andere Merkmal, das im Profifußball existenziell ist. Auch in diesem Punkt hält Maurides sehr viel von seinen neuen Teamkollegen. „Ich sehe hier eine sehr hohe Qualität. Für mich ist aber neu, dieses intensive Pressing zu spielen. Hier muss man viel mehr laufen als in Polen. Aber das ist gut. Wenn man das im Training macht, fällt einem das im Spiel viel leichter“, sagt er.

Es ist im Training zu erkennen, dass Maurides auch im Anlaufen der gegnerischen Abwehrspieler bei deren Ballbesitz eine wichtige Rolle einnehmen und diese zu ungenauen Abspielen provozieren soll.

Maurides betont, dass er sich selbst als Teamplayer ansieht. „Ich bin keiner, für den die anderen arbeiten müssen, sondern ich will immer ganz viel für das Team kämpfen. Mir ist es auch egal, ob ich selbst Tore schieße oder nicht. Für mich ist nur wichtig, dass meine Mannschaft gewinnt“, sagt er bestimmt. Tatsächlich ist auch schon im Training zu erkennen, dass er einen Blick für den besser postierten Mitspieler hat und diesen dann auch bedient anstatt eigensinnig selbst abzuschließen.

FC St. Pauli: Maurides hat noch nie vor mehr als 15.000 Fans gespielt

Noch geht Maurides seiner täglichen Arbeit vor wenigen interessierten Augenzeugen nach, aber natürlich hat er schon davon gehört und entsprechende Bilder gesehen, dass das Millerntor-Stadion nahezu regelmäßig mit knapp 30.000 Zuschauenden ausverkauft ist. „Ich kann es gar nicht abwarten, im Stadion auf das Spielfeld zu kommen und das zu erleben“, sagt er. Noch nie habe er vor mehr als 15.000 eigenen Fans gespielt. Aber auch in sportlicher Hinsicht sieht Maurides den Wechsel von der ersten polnischen in die zweite deutsche Liga für sich als weiteren Schritt nach oben an.

Einen herben Rückschlag hatte seine Karriere schon im Alter von 18 Jahren erhalten, als er sich beim Salto nach einem erzielten Tor durch eine unglückliche Landung einen Kreuzbandriss zuzog. „Ich hatte schon vorher eine Verletzung in dem Knie, was ich aber nicht wusste. Der Arzt hatte mir gesagt, dass ich ganz normal springen kann“, erzählt er.

Die Körperbeherrschung und Dynamik, die für einen Salto nötig ist, habe er sich durch die in Brasilien populäre Kampfkunst Capoeira angeeignet. Doch heute werde er nach einem Tor nicht mehr das mit einem Salto verbundenen Risiko eingehen. Dafür hat er schon auf dem Trainingsplatz vorgeführt, wie er aus der Rückenlage mal eben in den Stand springen kann. „Das habe ich auch schon mal als Torjubel gewählt“, erzählt er. Erst einmal muss er aber dafür den Anlass liefern.

Neben David Nemeth nahmen auch Betim Fazliji, Luca Zander, Leart Paqarada, Marcel Hartel, Jackson Irvine und Etienne Amenyido am Donnerstag nicht am Training teil.