Hamburg. Walter liefert Argumente gegen die Kritiker im Aufsichtsrat. Oder will man kein Spektakel mehr sehen? Glatzel trifft doppelt.
Um 14.54 Uhr zeigten die 55.246 Zuschauer, wie laut es im Volkspark werden kann. 4:2 (1:0) siegte der HSV am Sonnabend hochverdient gegen einen schwachen SV Sandhausen – zur Freude der anwesenden HSV-Fans, die den Schlusspfiff einer wilden zweiten Halbzeit wie den Aufstieg bejubelten.
Dank des gelungenen Jahresabschlusses überwintern die Hamburger rund zweieinhalb Monate während der WM-Pause auf einem Aufstiegsplatz. 18:9 Torschüsse feuerte die Elf von Trainer Tim Walter am Ende ab. Das nächste Spektakel im Volkspark, zu dem Robert Glatzel einen Doppelpack beisteuerte, war zugleich das 41. Spiel nacheinander ohne Niederlage nach einer 1:0-Führung in der Zweiten Liga – eine aufstiegsreife Bilanz.
„Die Gegentore sind zu einfach passiert, aber heute war es wichtig, dass wir immer schnell zurückgekommen sind“, sagte Torhüter Daniel Heuer Fernandes, der sich zufrieden über die erste Hälfte der Saison zeigte: „Wir haben einen Schnitt von zwei Punkten. Unsere große Stärke ist, Niederlagen sofort abschütteln zu können. Natürlich liegt noch harte Arbeit vor uns.“
HSV-Unruhe: Walter braucht Sieg gegen Sandhausen
Die drei Punkte waren nicht nur für die Tabelle, sondern auch für das interne Standing von Walter und Sportvorstand Jonas Boldt von immenser Bedeutung. Beide Verantwortliche des sportlichen Bereiches sind innerhalb des Clubs nicht unumstritten, ihre Verträge laufen im kommenden Sommer aus.
Der inhaltlich in zwei Lager gespaltene und vor personellen Veränderungen stehende Aufsichtsrat um den Vorsitzenden Marcell Jansen, der Walter und Boldt bekanntlich kritisch sieht, hat bis zum nächsten Pflichtspiel Ende Januar Zeit, sich Gedanken zu machen, wie der HSV seine Führungspositionen in Zukunft besetzen will. Durch den Sieg gegen Sandhausen führt vorerst allerdings kein Weg an Walter und Boldt vorbei – auch wenn es mal wieder eine Walter-typische Achterbahnfahrt der Gefühle war. Man könnte auch sagen: Es war das vom Coach gewünschte Spektakel.
HSV-Coach Walter fehlt Vuskovic gegen Sandhausen
Dabei musste Walter eine erste schlechte Nachricht bereits vor dem Anpfiff hinnehmen: Mario Vuskovic fehlte aus privaten Gründen, wie der HSV offiziell mitteilte. Nach Abendblatt-Informationen ist das allerdings nicht die ganze Wahrheit: Gegen Vuskovic ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des mutmaßlichen Verstoßes gegen das Anti-Dopinggesetz. Der Kroate wurde durch Jonas David ersetzt. Der Rest der Mannschaft blieb unverändert im Vergleich zur 0:1-Niederlage unter der Woche in Fürth. Das bedeutet, dass Ransford Königsdörffer in Kooperation mit Ludovit Reis wieder die Position des Rechtsverteidigers ausfüllte.
Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. Heidenheim 34 / 67:36 / 67
2. Darmstadt 98 34 / 50:33 / 67
3. HSV 34 / 70:45 / 66
4. Düsseldorf 34 / 60:43 / 58
5. FC St. Pauli 34 / 55:39 / 58
HSV geht durch Glatzel in Führung
Mit dieser offensiven Formation versuchte der HSV von Beginn an keine Zweifel aufkommen zu lassen, wer als Sieger vom Platz gehen wird. Die Hamburger agierten druckvoll und hatten mit Ludovit Reis, der bei seinem Abspiel die falsche Wahl traf (4.), und Laszlo Bénes mit seinem Schuss aus der Drehung (5.) die frühe Führung auf dem Fuß.
Gerade die Reis-Chance stand sinnbildlich für die ersten 25 Minuten. Der HSV drang immer wieder mit mehreren Spielern in den gegnerischen Strafraum ein, agierte dann aber ungenau beim berühmten letzten Pass. Dass die Hamburger dazu allerdings in der Lage sind, bewies Jean-Luc Dompé Mitte der ersten Halbzeit, als er nach einem langen Ball von Miro Muheim auf seiner linken Seite auf und davon war und Robert Glatzel mit einem direkten Abspiel im Zentrum bediente. Der Torjäger ließ Sandhausens Torhüter Rehnen durch einen geschickten ersten Kontakt ins Leere rutschen, und schon stand es 1:0 für den HSV (27.).
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Wilde zweite Hälfte von HSV und Sandhausen
Die Walter-Elf agierte im Anschluss weniger wild und war mehr auf Spielkontrolle aus gegen zu diesem Zeitpunkt extrem harmlose Gäste, die offensiv komplett aus dem Spiel genommen wurden. Dies hatte zur Folge, dass trotz eines dominanten Auftritts bis zur Pause kein Schuss mehr aufs Tor ging. Und so musste sich der HSV nach einer starken ersten Hälfte die Kritik gefallen lassen, nur 1:0 zu führen.
Die Partie blieb dadurch offen – und Sandhausen kam plötzlich deutlich offensivfreudiger aus der Pause. Die Kurpfälzer waren nun gewillt, ebenfalls an der Partie teilzunehmen und glichen mit ihrem ersten gefährlichen Torschuss zum 1:1 aus. Cebio Soukou traf nach einer unglücklichen Vorlage von Ransford Königsdörffer (50.).
Doch der HSV ließ sich davon nicht beirren. Es dauerte jedoch nicht lange, ehe Ludovit Reis mit seinem 2:1 per Kopf nach einer Flanke von Miro Muheim die Verhältnisse im Volkspark wieder geraderückte (56.). Allerdings sollte es dabei nicht bleiben. So stark sich Muheim offensiv präsentierte, defensiv präsentierte er sich wie so häufig in dieser Saison anfällig. Nachdem erst Kapitän Sebastian Schonlau als letzter Mann im Zweikampf unglücklich aussah, servierte Muheim unfreiwillig in den Lauf von Christian Kinsombi, dem der erneute Ausgleich gelang (68.).
HSV macht alles klar gegen Sandhausen
Es lag wohl auch an den lautstarken Fans, dass der HSV an diesem Nachmittag immer wieder nach Rückschlägen zurückkam. Erneut benötigte die Mannschaft nur wenige Minuten, um wieder in Führung zu gehen – diesmal durch ein Eigentor von Zhirov (74.), der nach einer Flanke des sehr agilen Dompé zur Freude des HSV vor Glatzel an den Ball kam.
Und damit nicht genug: Nur weitere sechs Minuten später machte Glatzel mit seinem Doppelpack alles klar (80.). Seinem bereits elften Saisontor ging ein punktgenauer langer Ball von Bénes voraus. Glatzel schüttelte seinen Gegenspieler ohne Mühe ab, lief erneut an Keeper Rehnen vorbei und erzielte das 4:2. Es war die Vorentscheidung in einer vor allem im zweiten Durchgang wilden Partie.
Kurz vor dem Schlusspfiff verpasste es Sonny Kittel, seine starke Leistung mit einem Treffer zu krönen (90.). Doch diese vergebene Chance konnte nichts mehr an der Partystimmung im Volkspark ändern.
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Die Aufstellungen:
- HSV: Heuer Fernandes – Königsdörffer, (85. Zumberi), David, Schonlau, Muheim – Meffert – Reis, Benes (81. Suhonen) – Kittel (90.+2 Bilbija), Glatzel, Dompe (90.+3 Amaechi). – Trainer: Walter
- Sandhausen: Rehnen – Höhn, Trybull (84. Ritzmaier), Schirow – Ajdini, Papela, Ochs – Kinsombi (84. Bachmann), Kinsombi – Kutucu (84. Ademi), Soukou. – Trainer: Schwartz
- Tor: 1:0 Glatzel (27.), 1:1 Soukou (50.), 2:1 Reis (56.), 2:2 C. Kinsombi (68.), 3:2 Zhirov (74.), 4:2 Glatzel (80.)
- Schiedsrichter: Frank Willenborg (Osnabrück)
- Zuschauer: 55.246
- Gelbe Karten: Kittel (3) – Kutucu (2), Ochs (3), Kinsombi (3), Ajdini (4)
- Torschüsse: 18:9
- Ecken: 4:0
- Ballbesitz: 60:40 Prozent
- Zweikämpfe: 137:116