Hamburg. Gremium sucht nach dem Wüstefeld-Beben neue Kontrolleure. Um welche Namen und brisanten Themen es bei der Sitzung am Donnerstag geht.
Marcell Jansen suchte am Sonntagmittag die Nähe zu den Fans. Der Vereinspräsident und Aufsichtsratsvorsitzende der HSV Fußball AG war unmittelbar vor dem Heimspiel gegen den FC Magdeburg (2:3) zu Gast bei der Rückkehr des Volksparketts im Volksparkstadion. Jansen sprach über aktuelle Themen rund um den HSV und vor allem über die Fankultur.
Moderator Simon Philipps vom Supporters Club wollte schließlich von Jansen in einer nicht ganz ernst gemeinten Frage wissen, wer denn nun die mit Spannung erwarteten neuen Aufsichtsratskandidaten sind und ob künftig endlich auch ein Vertreter der HSV-Fans dem siebenköpfigen Gremium angehören wird.
HSV: Fan-Vertreter künftig im Aufsichtsrat?
Natürlich wusste Philipps, dass Jansen auch den Anhängern keine Namen verraten würde. Trotzdem deutete der HSV-Präsident, der mit seinen Stellvertretern Bernd Wehmeyer und Michael Papenfuß für die Auswahl der Kandidaten verantwortlich ist, auf der Bühne an, dass die Fans künftig im Aufsichtsrat eine wichtige Rolle spielen werden. „Das ist kein Geheimnis“, sagte Jansen.
„Wer im vergangenen Jahr auf der Mitgliederversammlung war, hat klar gehört, dass die Fankultur in einem Gremium sein muss. Die DFL hat es nicht umsonst zur Auflage gemacht, dass man wieder näher an die Fans kommt. Das war letztes Jahr schon ein klares Thema“, sagte Jansen, der sich schon nach seiner Wiederwahl zum Präsidenten im August 2021 zum Ziel gesetzt hatte, den früheren Vorsänger und HSV-Ultra Henrik Köncke in den Aufsichtsrat zu holen. Am Ende entschied sich das Präsidium für den Banker Hans-Walter Peters und Unternehmerin Lena Schrum.
Gibt es also bei der diesjährigen Neubesetzung des Aufsichtsrats einen Fanvertreter? „Was ich sagen kann ist, dass wir das Thema ernst nehmen und es das ist, was den HSV trägt.“
Jansen: „Eitelkeit ist ein großer Störenfried beim HSV“
Vor allem aber wollte Jansen eine Botschaft loswerden: „Am Ende geht es nur um den HSV. Es geht nicht um Marcell Jansen, um den Trainer oder Jonas Boldt, es geht um die Raute“, sagte Jansen und erinnerte an sein Motto für seine laufende Amtszeit als Präsident.
„Viele verstehen nicht, dass es nicht Vereint 2022 heißt, sondern Vereint 2025. Das ist eine große Herausforderung und besonders schwer, wenn es um Eitelkeiten geht. Eitelkeit ist leider ein großer Störenfried beim HSV“, sagte Jansen.
Stadionfinanzierung Thema der Aufsichtsratssitzung
Vier Tage nach der Heimniederlage gegen Magdeburg wird man an diesem Donnerstag nun wunderbar überprüfen können, wie vereint der HSV 2022 ist – und wie groß die Eitelkeiten in der HSV-Führung tatsächlich sind. Oder in nur einem anderen Wort: Aufsichtsratssitzung.
Für das Treffen der Kontrolleure hat der Vorsitzende Jansen gleich zwei Top-Themen auf der Tagesordnung parat, die auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben, beim zweiten Blick aber intensiv verwoben sind.
- Thema Nummer eins: die zukünftige Besetzung des Aufsichtsrats, die das HSV-Präsidium gerne auf der Hauptversammlung im Winter vorstellen würde.
- Und Thema Nummer zwei: die Finanzierung der Stadionsanierung.
Jansen will größte Wüstefeld-Kritiker loswerden
Doch alles der Reihe nach: Wie das Abendblatt nach zahlreichen Gesprächen mit den Protagonisten erfuhr, sind Jansens Pläne für seinen neuen Wunsch-Aufsichtsrat weit vorangeschritten.
Neben dem bisherigen Stellvertreter Andreas Peters, der nach den kräftezehrenden Wochen rund um die Demission von Thomas Wüstefeld wohl von sich aus sein Amt zur Verfügung stellen wird, sollen mit Hans-Walter Peters und Schrum die zuletzt größten Kritiker von Wüstefeld im Kontrollgremium keinen Platz mehr bekommen.
Hinzu kommen sollen tatsächlich der frühere Ultravorsänger Henrik Köncke, Block-House-Geschäftsführer Stephan von Bülow und HanseMerkur-Vorstand Eric Bussert.
Das von ihm angedachte Aus von Schrum und Peters ist insofern pikant, weil er selbst die beiden erst vor nicht einmal einem Jahr ins Kontrollgremium geholt hatte. Bei der ehemaligen Bundesligaspielerin Schrum, Gründerin der Nachhaltigkeitsplattform Aware, schwärmte Jansen seinerzeit, dass endlich das Thema Nachhaltigkeit im Aufsichtsrat abgedeckt sei. Und der Banker Hans-Walter Peters, den Jansen schon lange kannte, sollte die Türen in die Hamburger Finanzwelt aufstoßen.
HSV: Jansens schwieriger Plan mit Bussert
Ein Jahr (und ein monatelanger Kampf um Ex-Vorstand Thomas Wüstefeld) später nun die Rolle rückwärts. Die beiden Kontrolleure sollen neben Andreas Peters weichen, dafür sollen Köncke, von Bülow und Bussert kommen.
Doch während Köncke und von Bülow nach Abendblatt-Informationen sogar schon durch den Beirat, der alle Aufsichtsrats- und Präsidiumskandidaten überprüfen muss, durchgewinkt wurden, gestaltet sich der Jansen-Plan bei Bussert schwieriger.
Der Hauptsponsor im Aufsichtsrat?
Sowohl im Beirat als auch in Jansens Präsidium gibt es große Vorbehalte gegen die Idee, den Hauptsponsor zum Aufsichtsrat zu machen. Denn während es bei Bundesligaclubs wie Bayern München längst normal ist, dass Anteilseigner wie Adidas, Audi oder die Telekom ein Aufsichtsratsmandat zugesprochen bekommen, ist ein Kontrolleursposten für einen Hauptsponsor bei wenigen Clubs vorhanden.
Der Hintergrund: Warum sollte ein Vertreter des Hauptsponsors in einem Aufsichtsrat sitzen, wenn der Vertrag irgendwann endet? Trotzdem findet man auch bei großen Clubs wie dem 1. FC Köln solche Beispiele. Dort ist Hauptsponsor Rewe auch im Aufsichtsrat vertreten. Genau wie bei Borussia Dortmund. Mit dem Unterschied: Dessen Hauptsponsor Evonik ist gleichzeitig Anteilseigner.
Jansen und HanseMerkur geschäftlich verbunden
Im Beirat und im Präsidium gibt es darüber hinaus Widerstand gegen den Jansen-Plan. Denn was bislang fast niemand wusste: Jansens Startup-Unternehmen S’tatics, ein Lifestyle-Sanitätshaus am Stephansplatz, ist über zwei Ecken mit der HanseMerkur geschäftlich verbunden.
S’tatics hat zwar nur eine direkte Kooperation mit der Krankenkasse DAK, die aber wiederum gemeinsam mit der HanseMerkur private Zusatzversicherungen für Firmen vertreibt. Eine Verbindung, die Jansen im Zusammenhang mit einem Aufsichtsratsmandat für die HanseMerkur beim HSV für unproblematisch hält und die er im Präsidium auch offengelegt hat.
Jansen sieht in der HanseMerkur einen verlässlichen und glaubwürdigen Partner, der nicht von sich aus nach einem Sitz im Aufsichtsrat gefragt habe. Zudem habe Jansen noch nie direkt Geschäfte mit der Versicherung oder Vorstand Bussert gemacht. Seine Präsidiumskollegen Papenfuß und Wehmeyer sehen Jansen Verbindung zur HanseMerkur dennoch kritisch.
Wehmeyer versucht, Jansen abzubringen
Nach Abendblatt-Informationen soll Jansen in seinem eigenen Präsidium mittlerweile isoliert sein mit der Idee, Bussert in den Aufsichtsrat zu holen. Noch hoffen Jansens Vizepräsidenten Wehmeyer und Papenfuß allerdings, dass sie den Präsidenten von der Idee abbringen können, zumal es auch massive Bedenken aus dem Beirat gibt.
Ausgerechnet von dem Beirat übrigens, der Jansen vor gut einem Jahr als einzigem Kandidaten die Wiederwahl als Präsident ermöglichte, nachdem der zuvor nach einem Machtkampf im Präsidium mit seinen damaligen Vizepräsidenten Thomas Schulz und Moritz Schaefer zurückgetreten war. HanseMerkur-Vorstand Bussert wollte sich auf Abendblatt-Nachfrage nicht äußern.
HanseMerkur wichtig für Stadionfinanzierung
Die zukünftige Besetzung des Aufsichtsrats ist aus mehreren Gründen hochbrisant. Und an dieser Stelle folgt nun auch die Verbindung zu Thema Nummer zwei auf der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag: die Finanzierung der Stadionmodernisierung. Denn für diese gibt es mehrere Pläne, die allerdings jeweils mit der zukünftigen Besetzung des Kontrollgremiums zu tun haben könnten.
Da wäre zum einen der einstige Wüstefeld-Plan mit der HanseMerkur. Die Hamburger Versicherung hatte sich öffentlich dazu bereit erklärt, dem HSV ein Darlehen von 23 Millionen Euro zu gewähren, sofern die von Wüstefeld versprochenen Bürgen präsentiert würden. Ob der Hauptsponsor des HSV aber auch bereit ist, dem Club weiterhin ein Darlehen zu gewähren, wenn der eigene Vorstand nicht den avisierten Aufsichtsratsposten erhält, bleibt abzuwarten.
HSV-Vizes gegen einen Peters-Rausschmiss
Ohnehin soll der HSV mittlerweile wieder eine andere Finanzierung der Stadionsanierung im Auge haben, nämlich eine Erweiterung des noch laufenden Schuldscheindarlehens. Diese Idee hatte auch schon Ex-Vorstand Frank Wettstein ins Auge gefasst. Doch nachdem der frühere Finanzvorstand und sein Nachfolger Wüstefeld frühzeitig gehen mussten, soll nun Eric Huwer die Finanzierungsmöglichkeiten am Donnerstag präsentieren.
Huwer war bereits im vergangenen Winter erster Kandidat als neuer Finanzvorstand, bevor der damalige Aufsichtsratschef Wüstefeld dann aber selbst nach der Macht griff. Nun könnte Huwer, der in allen Gremien geschätzt wird, den alten Wettstein-Plan reaktivieren, der allerdings einen Haken hat: Der von Jansen in Ungnade gefallene Banker Hans-Walter Peters und seine Berenberg-Bank wären für die Umsetzung einer Anleihe wichtig. Auch deswegen sollen Jansens Vizepräsidenten Papenfuß und Wehmeyer gegen einen Rausschmiss des Bankers votieren.
EM-Standort Hamburg: HSV muss liefern
Doch was passiert, wenn sich beide Optionen zerschlagen? Hinter vorgehaltener Hand wird immer wieder spekuliert, ob dann möglicherweise Aufsichtsrat Detlef Dinsel einspringen könnte. Der Private-Equity-Mann wollte ursprünglich Anteile der Kühne Holding übernehmen, was sich allerdings zerschlagen hat.
Doch Dinsel ist nach Abendblatt-Informationen weiterhin stark daran interessiert, auch geschäftlich mit dem HSV zusammenzukommen. Auch Jansen soll intern mehrfach von Plan B und C gesprochen, ohne diesen aber konkretisiert zu haben.
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Ohnehin wird die Zeit für die längst überfällige Finanzierung der Stadionmodernisierung immer knapper. In dieser Woche ist eine Delegation der Organisationsgesellschaft Euro 2024 GmbH der Uefa vor Ort im Volkspark, um sich in einzelnen Arbeitsgruppen ein Bild davon zu machen, was bis zur Europameisterschaft in nur anderthalb Jahren noch alles gemacht werden muss.
Und nach zehn Monaten Wüstefeld, in denen viel angekündigt, aber wenig umgesetzt wurde, muss bilanziert werden, dass der HSV in Sachen Stadionumbau mindestens ein Dreivierteljahr verschenkt hat.
Neuer Aufsichtsrat entscheidet über Boldts Zukunft
Genauso viel Zeit wurde im Übrigen bei der Besetzung des Vorstands für die Zukunft vergeudet. Zur Erinnerung: Ursprünglich wurde vollmundig angekündigt, dass Wüstefeld für ein Übergangsjahr pro bono in den Vorstand entsandt wurde, damit der Aufsichtsrat in Ruhe nach einer geeigneten langfristigen Vorstandslösung fahnden kann. Passiert ist in der Zwischenzeit: nichts.
Auch mit Jonas Boldt, dem Jansen im vergangenen Sommer öffentlich eine zeitnahe Verlängerung in Aussicht stellte und dessen Vorstandsvertrag im kommenden Sommer ausläuft, bleibt vorerst ein Alleinvorstand auf Abruf.
Das Verhältnis zwischen Boldt und Jansen gilt seit dem monatelangen Gerangel um Ex-Vorstand Wüstefeld nicht nur als unterkühlt, es ist zerrüttet. Sollte Jansen, der trotz monatelanger Kontroversen bis kurz vor dem Rücktritt fest zu Wüstefeld gehalten hatte, mit all seinen Personalüberlegungen durchkommen, wäre eine Verlängerung Boldts kaum denkbar.
Aber es gehe eben nicht um Boldt oder Jansen, hatte der Präsident ja am Sonntag betont. Nun muss sich der Club bis zur Aufsichtsratssitzung nur einig werden, wer beim HSV der größte Störenfried ist.