Hamburg. Das letzte Ligaspiel des Jahres gegen den Abstiegskandidaten wird die lange Winterpause beim HSV entscheidend beeinflussen.

Tim Walter wollte sich nicht ablenken lassen am Freitagnachmittag. Viele Fans waren in den Volkspark gekommen zum Abschlusstraining des HSV vor dem letzten Ligaspiel des Jahres gegen den SV Sandhausen (13 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de). Bei der anschließenden Autogrammjagd versuchten einige Anhänger, den HSV-Trainer in einen Smalltalk zu verwickeln. „Erstmal kommt morgen“, sagte Walter und eilte die Treppe zum Volksparkstadion hinauf.

Dort werden am Sonnabend wieder rund 55.000 Zuschauer dabei sein, wenn der HSV ein letztes Mal vor der langen WM- und Winterpause ein Heimspiel bestreitet. Die Fan-Euphorie ist ungebrochen. Der Zuschauerschnitt von 50.049 ist weltweit der höchste aller Zweitligisten.

HSV braucht guten Hinrundenabschluss gegen Sandhausen

Trotzdem steht an diesem Sonnabend auch die Stimmung auf dem Spiel. Gelingt dem HSV gegen den SV Sandhausen der fünfte Heimsieg der Hinrunde, könnte man trotz einiger Rückschläge das erste Halbjahr als „sportlich gelungen“ bilanzieren. 34 Punkte wären nur drei weniger als bei der bislang besten Vorrunde 2018/19 unter Hannes Wolf und zwei weniger als unter Daniel Thioune 2020/21.

Anders als in der Hinrunde vor einem Jahr hat der HSV zwar erst ein Mal unentschieden gespielt, dafür auch schon fünf Partien verloren. Zum Vergleich: Vor einem Jahr waren es zwar nur zwei Niederlagen nach 17 Spielen, dafür aber schon acht Unentschieden und nur 29 Punkte.

Verlieren die Hamburger gegen die konterstarken Sandhäuser um den ehemaligen HSV-Profi David Kinsombi und dessen Bruder Christian oder holen nur einen Punkt, wäre das vor der zweieinhalbmonatigen Pause ein echter Stimmungskiller, der sich auf die Atmosphäre in der Mannschaft, aber auch auf die vereinspolitische Lage des HSV auswirken könnte.

Sonntag bricht der HSV zur PR-Reise in die USA auf

Am Sonntagmorgen um 8.30 Uhr starten die Hamburger ihre Marketing-Reise nach Kalifornien in die USA mit ihrem Flug über Frankfurt Richtung Los Angeles. Dort geht es am Abend direkt zum NBA-Spiel der Los Angeles Lakers gegen die Brooklyn Nets. Ein Auftakt, der für die Basketballfans um Walter, Robert Glatzel und Jonas Meffert nicht attraktiver ablaufen könnte. Der aber deutlich weniger Spaß machen würde, wenn der HSV die Hinrunde gegen den Tabellen-16. nicht mit einem Ergebnis abschließt, das auch den 55.000 Zuschauern Spaß macht. „Es wäre schon schön, wenn wir mit drei Punkten in so eine lange Pause gehen“, sagte Walter vor dem Spiel.

HSV-Verträge von Boldt und Walter liegen auf Eis

Der auslaufende Vertrag des 47-Jährigen wird eines der großen Themen beim HSV in dieser langen Pause. „Mit mir hat noch keiner gesprochen“, sagte Walter unter der Woche vor der 0:1-Niederlage bei Greuther Fürth. Ganz falsch ist das nicht. Dafür befindet sich Walters Berater Olaf Meinking schon seit Wochen in Gesprächen mit Sportvorstand Jonas Boldt. Die beiden sind sich weitestgehend einig über eine vorzeitige Vertragsverlängerung des Trainers.

Doch zu einer finalen Abstimmung des Aufsichtsrats ist das Thema noch nicht gekommen. Und es ist auch unwahrscheinlich, dass es vor der brisanten Neubesetzung des Kontrollgremiums noch dazu kommt. Bis zur nächsten Hauptversammlung der HSV Fußball AG Anfang Dezember, auf der die Gesellschafter zusammenkommen und über die Aufsichtsräte abstimmen, muss sich das Präsidium des Vereins über die Kandidaten einigen.

Noch immer sind sich Präsident Marcell Jansen und seine Stellvertreter Michael Papenfuß und Bernd Wehmeyer nicht einig über die sieben Positionen. Jansen ist sich als Aufsichtsratsvorsitzender klar darüber, dass er mit Hans-Walter Peters den zweiten Vertrauten von Investor Klaus-Michael Kühne neben Markus Frömming loswerden will. Wehmeyer will das nicht. Papenfuß, der Jansen bislang die Treue gehalten hat, könnte also zum entscheidenden Puzzleteil werden.

HSV-Machtkampf geht in die Endphase

Jansen selbst ist zuletzt durch die Aussagen von Kühne und die gemeinsame E-Mail der Minderheitsaktionäre unter Druck geraten. Diese hatten ihm als Aufsichtsratsvorsitzenden „aufgrund seines Verhaltens“ das Vertrauen entzogen und diese Position auch auf einem gemeinsamen Treffen am Mittwoch im Volksparkstadion noch einmal deutlich bezogen.

Hinter den Kulissen des HSV tobt seit Wochen und Monaten ein Machtkampf, der nach dem Abschluss der Vorrunde in die entscheidende Phase geht. Schafft es Jansen, den Aufsichtsrat nach seinen Vorstellungen zu besetzen, wird auch über Boldts Zukunft diskutiert werden. Der Vertrag des 40-Jährigen läuft Ende der Saison ebenfalls aus. Da Boldt aktuell als Alleinvorstand die Geschäfte des Clubs führt und der HSV durch die noch fehlende Finanzierung für die Stadionsanierung vor großen Herausforderungen steht, kann er sich ein Machtvakuum gar nicht leisten.

Beendet der HSV die Hinrunde gegen Sandhausen mit einem positiven Ergebnis, hat Boldt gute Argumente. Gleiches gilt für Walter. Der Trainer muss aber zeigen, dass die Entwicklung in die richtige Richtung geht. Die Stärken und Schwächen seines Systems sind bekannt. Das muss der HSV bedenken, wenn er dem Trainer einen langfristigen Vertrag anbietet.

Boldt hat die absolute Überzeugung in Walter. Jetzt fehlt nur noch ein überzeugender Abschluss eines turbulenten Fußballjahres. Wer den HSV über all die Jahre beobachtet hat, der weiß, dass die Stimmung viele Entscheidungen beeinflusst. Am Sonnabend gegen 14.50 Uhr wird sich zeigen, in welche Richtung diese Stimmung ausschlägt.