Hamburg. Wüstefeld wird live bei Sport1 mit harten Vorwürfen konfrontiert. Entlastende Antworten bleiben aus. Moderator in fragwürdiger Rolle.

Diesen Auftritt von Ex-HSV-Vorstand Thomas Wüstefeld am Montagabend bei Sport1 dürften die TV-Zuschauer so schnell nicht vergessen. Es war eine skurrile Live-Sendung mit Moderator Rudi Brückner, der seiner Aufgabe als Lenker des Gesprächs im Rahmen des Formats „Talk am Montag“ nur bedingt nachkam. Kritische Nachfragen überließ der 67-Jährige fast ausschließlich „SZ“-Reporter Uwe Ritzer, der sich prompt mit Wüstefeld anlegte.

Der vor Kurzem beim HSV als Vorstand und Aufsichtsrat zurückgetretene Unternehmer wehrte sich mit Beschimpfungen gegen die Medienlandschaft, zwischenzeitlich fiel sogar der fragwürdige Begriff „Propagandapresse“. Entlastende Antworten auf die Vorwürfe gegen seine Person ließ er dagegen mal wieder vermissen. Und so hinterließ die Sendung viele fragende Gesichter.

HSV: Reporter erhebt schwere Vorwürfe gegen Wüstefeld

Zur Sache ging es gleich zu Beginn. Wüstefeld wollte den TV-Auftritt eigentlich nutzen, um sich als „Fan“ und „Feuerlöscher“ beim HSV zu inszenieren. Doch er hatte die Rechnung offenbar ohne den gut vorbereiteten Ritzer gemacht. „Wenn ich Herrn Wüstefeld hier so reden höre, wundert es mich überhaupt nicht, dass Fußballfans eine Abneigung gegenüber Investoren haben“, sagte der „SZ“-Reporter. „Da kommt einer durch, der einfach mal fünf Prozent der Anteile kauft und dann Finanzvorstand wird, obwohl er von Fußball überhaupt keine Ahnung hat, aber Fan ist.“

Ein Frontalangriff auf Wüstefeld, den Moderator Brückner zu unterbinden versuchte. „Aber als Finanzvorstand muss man mit Finanzen umgehen können“, sagte der TV-Mann und hob den Arm. Doch die angedachte Verteidigung Wüstefelds nutzte Ritzer als Vorlage für weitere Vorwürfe. „Aber es ist ja nichts passiert“, sagte der Journalist und sprach Wüstefeld nun direkt an: „Ihre Bilanz hält sich in argen Grenzen. Bei der Finanzierung der Stadionsanierung haben Sie gar nichts hinbekommen.“

Zur Erinnerung: Wüstefeld hatte seit August schon mehrfach angekündigt, die Finanzierung in der jeweils folgenden Woche zu finalisieren. Unter dem Strich fehlen aber weiterhin die notwendigen Bürgen für den 23-Millionen-Euro-Kredit von Hauptsponsor HanseMerkur.

Doktor Wüstefeld? Brückner grätscht dazwischen

Einmal in Fahrt, versuchte Ritzer jetzt den K.o. in der ersten Runde zu setzen: „Was mich interessieren würde: Haben Sie einen Doktortitel? Sind Sie jetzt Professor?

Doch noch bevor Wüstefeld darauf antworten könnte, sprang „Schiedsrichter“ Brückner in den Ring. „Stopp! Stopp! Stopp!“, sagte der Moderator energisch, aber zwecklos. Denn Ritzer setzte sich durch mit seinem Wunsch, noch einen Satz loszuwerden: „Die Fans haben große Zweifel an Investoren. Wenn dann Investoren kommen, sollten diese keine Zweifel an ihrer Seriosität lassen. An der Stelle habe ich bei Herrn Wüstefeld meine Zweifel.“

HSV-Stadion? Wüstefeld gibt Medien die Schuld

Brückner versuchte nun, wieder Herr seiner Sendung zu werden und sprach ein Machtwort. „Diese persönliche Situation würde ich gern nach hinten schieben. Ich würde gern erst mal über das Verhältnis Wüstefeld und HSV reden“, sagte er und erwähnte die fehlenden Bürgen für das HanseMerkur-Darlehen.

„Nein, das sind alles Medienspekulationen“, erwiderte Wüstefeld, der erst vor zweieinhalb Wochen vor dem Haushaltsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft eine Abfuhr für seine Pläne erhielt, die Stadt als Bürgen für zumindest 13 Millionen Euro zu gewinnen. Auf Nachfrage der Abgeordneten, wer denn bitte schön für die restlichen zehn Millionen Euro bürgen solle, antwortete Wüstefeld zur Unzufriedenheit der Politiker, dass er sich diesbezüglich in Gesprächen befinde. Zweieinhalb Wochen später soll nun alles eine Medienspekulation gewesen sein.

Wüstefeld: Machtkampf? Was für ein Machtkampf?

Brückner warf Wüstefeld nun den Ball zu, beim HSV viele Verträge gekündigt zu haben, um den Kosten-Ballast zu drücken. Ein Stichwort, das Wüstefeld dankbar aufnahm, um über all seine Errungenschaften beim HSV zu sinnieren, ohne dabei jedoch ins Detail zu gehen.

Der Ärger mit seinem bisherigen Vorstandskollegen Jonas Boldt sei „hochdramatisiert worden“ und den Begriff Machtkampf habe er ohnehin nie verstanden, führte Wüstefeld aus. Brückner hakte nach, ob er Boldt zu wenig Geld für Transfers zur Verfügung gestellt habe. Wüstefeld verneinte.

Propagandapresse Abendblatt?

Mit einem einfachen Nein gab sich Ritzer bei seinen Fragen dagegen nicht zufrieden. „Herr Wüstefeld ist für mich ein Beispiel, wie viele Bundesligavereine nach Kriterien geführt werden, nach denen man kein seriöses Unternehmen führen darf. Denn dort wird man nicht einfach mal so auf die Schnelle mit gerade einmal fünf Prozent erst Aufsichtsrat und dann Finanzvorstand“, sagte der Journalist und handelte sich erneut Brückners Widerworte ein.

Der Sport1-Moderator verwies auf Wüstefelds Expertise als Unternehmer, die er doch dem HSV geschenkt habe. Der Gelobte nahm den Ball gern auf. „Mein Engagement hat dem HSV eine Menge gebracht. Vielleicht sollten Sie sich mal tiefer einlesen und nicht immer nur die Propagandapresse lesen“, warf der 53-Jährige Ritzer vor. Brückner ging Wüstefeld wieder unterstützend zur Seite: „Also das Abendblatt?“, sagte er und lachte.

Wüstefeld zuckte mit den Schultern und empfahl Ritzer, sich bei anderen Medien zu informieren „und nicht immer nur auf Schlagzeilen zurückgreifen“. Der Ex-HSV-Vorstand bemühte sich ein weiteres Mal, den Fokus auf seine Errungenschaften beim HSV zu legen und griff nun in die Trickkiste: „Wir haben für die Stadionmodernisierung ein klares Finanzierungsmodell, das wir nicht in den Medien preisgegeben haben“, sagte er. Was Wüstefeld verschwieg: Im Haushaltsausschuss der Bürgerschaft im Übrigen auch nicht.

Brückner umschmeichelt Wüstefeld bei Sport1

Wüstefeld, der auch zwei Wochen nach seinem Rücktritt beim HSV noch immer von „Wir“ sprach, räumte ein, dass seine Reformpläne nicht bei allen auf der Geschäftsstelle positiv ankamen. „Ich war zum Teil der Spielverderber.“

Brückner ging nun in die Offensive. „Da will ich ihm beispringen. Er trägt die Raute im Herzen, seit er ein kleiner Junge ist. Deshalb unterstelle ich ihm einfach, dass er dem HSV etwas Gutes will“, schwärmte „Wüstefeld-Anwalt“ Brückner und verpackte seine These sogar noch in eine Frage an seinen Sitznachbarn: „Oder liege ich da falsch?“ Spätestens jetzt begrub Brückner sämtliche journalistische Ansprüche an seine Sendung.

HSV: Wüstefeld-Streit mit Reporter bei Sport1 eskaliert

Im weiteren Verlauf wurden auch die Vorwürfe gegen Wüstefeld als privaten Unternehmer thematisiert. Die Strafanzeige wegen Untreue kanzelte der Angegriffene damit ab, dass seine Partner eine „andere Rechtsauffassung“ hätten. Ritzer schüttelte den Kopf: „Wenn ich der Vorstand eines Unternehmens bin, wird natürlich von mir erwartet, dass die Dinge sauber geordnet sind.“

Wüstefeld platzte nun der Kragen, er reagierte sauer. „Sie immer mit ihren plakativen Dingen. Warten Sie doch erst mal ab. Sie lesen einfach irgendwelche Zeitungen und machen irgendwelche Themen.“ Die Medien waren also wieder schuld.

Ritzer ließ nicht locker: „Entweder Sie haben einen Doktortitel oder nicht.“ Wüstefeld, der die längst angekündigten Belege für seinen Doktor und Professor noch immer nicht dargelegt hat, erwiderte: „Die Dinge sind geprüft worden, ich bin mit allen Unterlagen zum Notar gegangen und habe ein Tatsachenprotokoll gemacht. Ich finde es unsachlich, sich auf solche Themen zu konzentrieren.“

Wüstefeld kündigte an, sämtliche Themen, die seine Person betreffen, aufarbeiten zu wollen. Moderator Brückner lobte: „Du hast dich gut geschlagen.“ Na dann ist ja alles gut.