Hamburg. Unabhängig von der Liga plant HSV-Vorstand Wüstefeld die größten Veränderungen seit der Ausgliederung 2014. Um welche Jobs es geht.
- HSV-Vorstand Wüstefeld will die Geschäftsstelle in Units aufteilen
- Welche Direktoren in der neuen Struktur fest eingeplant sind und welcher Direktor den HSV verlassen könnte
- Mit Vermarkter Sportfive bahnt sich ein Kompromiss an: Verlängerung bei verringerten prozentualen Abgaben
Am Dienstag hatte Thomas Wüstefeld einen wichtigen Termin für die Zukunft des HSV. Der Gesprächspartner des Vorstandes: sein jüngster Sohn. Dieser hatte nicht nur die vergangenen drei HSV-Siege gegen Hannover (2:1), Ingolstadt (4:0) und Regensburg (4:2) ziemlich präzise vorausgesagt, sondern auch den 2:1-Sieg Düsseldorfs gegen Darmstadt am Freitag genauso prognostiziert.
Sogar das berühmte Krankenorakel Paul würde erblassen, wenn es nicht 2010 das Zeitliche gesegnet hätte. Und an diesem Dienstag also, so versprach es jedenfalls Wüstefeld Junior, würde er dann auch wissen, wie das Fernduell zwischen dem HSV in Rostock und Darmstadt 98 gegen Paderborn ausgehen wird.
Um das kommende Wochenende muss sich Wüstefeld Senior also keine großen Gedanken mehr machen. Die mittel- und langfristige Zukunft des HSV ist dagegen beim 53-Jährigen ganz oben auf der Agenda. Bereits seit Wochen schreibt der Interimsvorstand an einem „klaren Kursbuch“ für den Club, wie Wüstefeld es selbst kürzlich im großen Abendblatt-Interview nannte. „Dieses wird gerade noch justiert und modifiziert und dann dem Aufsichtsrat vorgestellt.“
Wüstefeld schafft Direktoren beim HSV ab
Bei der großen Aufsichtsratsdiskussion nach der Saison sind sowohl Wüstefelds Ideen als auch die Pläne von Vorstandskollege Jonas Boldt gefragt. „Die Analyse wird sicher in zwei Verantwortungsbereiche geteilt werden. Der Bereich Sport von Jonas Boldt wird analytisch und strategisch bewertet. Ich verantworte den gesamten operativen Bereich, dazu zählen neben den Finanzen auch das Marketing und der Verkauf. Auch da wird es eine Analyse geben“, sagte Wüstefeld – und verriet etwas vage: „Bei mir geht es nicht um Namen, sondern um Funktionen und Strategien.“
Was genau Wüstefeld damit meinte, stellte der Interimsvorstand, der vorerst nur bis zum Ende des Jahres aus dem Aufsichtsrat in den Vorstand gesandt wurde, den Mitarbeitern vor Kurzem sehr viel detaillierter vor. Bei einer hybriden Präsentation im Pressekonferenzraum des Stadions umriss der Medizinunternehmer die wohl größte Strukturreform innerhalb des HSV seit der Ausgliederung 2014. Nach Abendblatt-Informationen sollen beispielsweise die Direktorentitel beim HSV abgeschafft werden.
Darauf vom Abendblatt angesprochen, sagte Wüstefeld: „Ich kann so viel verraten, dass ich seit Januar viel gelernt habe über die Unterschiede zwischen klassisch wirtschaftlichen und sportwirtschaftlichen Unternehmen. Das hat mir unheimlich viel Input gegeben. Aus diesem Input habe ich mit meinem Team ein Konzept entwickelt, wie wir uns strukturell auf der Geschäftsstelle aufstellen könnten. Das werde ich dem Aufsichtsrat nach der Saison vorstellen.“
Wüstefeld setzt beim HSV auf Super-Ministerium
Wüstefeld will die Geschäftsstelle ab Sommer in sogenannte Units aufteilen, die Verantwortungsbereiche neu strukturieren und dabei vor allem die Bereiche Marketing und Fankultur stärken. Statt insgesamt acht Direktoren soll es in der Operative zukünftig fünf bis sechs sogenannte Business Unit Leader geben.
Den größten Bereich mit 80 Mitarbeitern sollen dann Marleen Groß (bisher Leiterin Marketing und Marke) und Cornelius Göbel (bisher Direktor Fankultur) als Doppelspitze verantworten. In der Politik würde man sagen: Sie werden das neue Super-Ministerium des HSV führen.
Die weiteren Business Unit Leader: Daniel Nolte (bisher Leiter Organisation) soll alles rund um das Stadion verantworten, Marieke Patyna (bisher Leiterin Unternehmensstrategie und Corporate Responsibility) wird für den Bereich Nachhaltigkeit zuständig sein. Der bisherige Prokurist Philipp Winter dürfte den Rechtsbereich führen, die bisherige Personalleiterin Daniela Schumacher soll für das Personalwesen zuständig sein.
Der HSV-Wandel mit Eric Huwer
Offen ist noch, ob der Bereich Finanzen mit dem bisherigen Direktor Eric Huwer eine eigene Unit oder einer der anderen Units untergeordnet wird.
Noch im Winter war Huwer kurz davor, als Nachfolger von Frank Wettstein zum Finanzvorstand befördert zu werden. In der neuen Struktur ist sein Verbleib beim HSV über den Sommer hinaus offen. Ebenfalls ungeklärt ist die Zukunft des bisherigen Mediendirektors Christian Pletz. Die Sportkommunikation (mit Pressesprecher Philipp Langer) soll im Sport angegliedert werden, für den Rest der Medienabteilung ist das noch nicht entschieden.
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HSV-Zukunft von Boldt und Walter weiter offen
Die Neustrukturierung dürfte im ersten Schritt nur die Verantwortungsbereiche Wüstefelds betreffen. Im Sport (mit Sportdirektor Michael Mutzel und Nachwuchsdirektor Horst Hrubesch) plant Wüstefelds Vorstandskollege Boldt keine Neu-Aufteilung in Units. Allerdings gilt trotz der jüngsten Siegesserie weiter auch Boldts Zukunft beim HSV als ungewiss. Gleiches gilt für Hrubesch, der seinen Verbleib von Boldts Verbleib abhängig macht, Mutzel und Trainer Tim Walter. Die Zukunft aller Sportverantwortlichen soll erst auf der Aufsichtsratssitzung nach der Saison besprochen werden.
„Es geht um ein Transformationsmodell und nicht um den Big Bang“, relativierte zwar Wüstefeld, wobei ein Aus Boldts sicherlich einem Big Bang gleichkäme. Auf Nachfrage sagte Wüstefeld: „Ich kann es mir sehr gut vorstellen, mit Jonas Boldt als Sportvorstand, Tim Walter als Trainer und Michael Mutzel als Sportdirektor weiter sehr eng zusammenzuarbeiten. Und das auch unabhängig von der Liga.“ Sätze, die auch Aufsichtsratschef Marcell Jansen vernommen haben dürfte.
HSV-Mitarbeiter fürchten Kündigung
Von den Fans würde ein Big Bang im Sportbereich ohnehin kritisch gesehen werden. Aber auch in der Belegschaft gab es bei Wüstefelds Vorstellrunde im Presseraum mehrere kritische Nachfragen. Die Sorge vor Kündigungen, besonders im Nachwuchsbereich, ist groß, was sogar Auswirkungen auf die Betriebsratswahlen hatte. So soll es ungewöhnlich viele Bewerbungen gegeben haben, da man als Betriebsrat vor Kündigungen besser geschützt sei. An diesem Mittwoch findet nach Abendblatt-Informationen die konstituierende Sitzung des neuen Betriebsrats statt, auf der auch über die Strukturreform gesprochen werden soll.
Zumal Wüstefeld im Abendblatt auch weitere Sparmaßnahmen ankündigte. Entscheidend sei aber, „dass der sportliche Spielbetrieb nicht leidet oder der Fahrstuhl hier nicht mehr fährt“. So hat der HSV-Chef durchgesetzt, dass zum 1. Juni die Mitarbeiter, die bislang im Helling-Komplex nahe des Stadions untergekommen waren, in die Arena zurückkehren. Dafür werden die externen Mitarbeiter von Vermarkter Sportfive, die bislang im fünften Stock des Stadions ihre Büros hatten, in den Helling-Komplex ausquartiert.
Wüstefeld ist bereits seit Wochen mit dem Vermarkter in Gesprächen, um die bisherigen Vertragskonditionen zu modifizieren. Nachdem er zu Beginn seiner Tätigkeit im Vorstand sogar vorgehabt haben soll, sich komplett von Sportfive zu lösen, scheint es nun auf eine Kompromisslösung hinauszulaufen: Der noch bis 2025 laufende Vertrag dürfte sogar verlängert werden, die prozentualen Abgaben (momentan 20 Prozent) sollen dafür verringert werden.
Wüstefeld bleibt wohl länger HSV-Vorstand
Die neue HSV-Zukunft soll ligaunabhängig direkt nach der Saison beginnen. Wer bis dahin nicht warten kann, sollte Wüstefelds Orakel-Sohn befragen. Der dürfte auch voraussagen, dass die Kontrolleure früher oder später mit seinem Vater verlängern. „Der Aufsichtsrat wird sich sicher auch mit meiner Person auseinandersetzen, wenn die Entscheidungen getroffen werden“, sagt der Papa.
Man muss kein Orakel sein, um diesen Satz richtig zu deuten.