Hamburg. Im Stadtderby nur Zweitligisten, beim Thema Nachhaltigkeit erstklassig. Hamburger Clubs führen sogar eine Studie an.

Im Januar fliegt Sascha Steinbrück schon zum zweiten Mal nach Indien. Der Leiter der Merchandisingabteilung des HSV ist Teil einer Delegation aus sieben deutschen Proficlubs, die sich vor Ort darum kümmern will, dass 200 Kleinbauern im Süden des Landes ihre Produktion auf einen regenerativen Anbau von Bio-Baumwolle umstellen. Zudem wollen sich die Clubs vor Ort dafür einsetzen, dass benachteiligte Kinder durch Sport gefördert werden.

Neben dem HSV unterstützen auch der 1. FC Union Berlin, Arminia Bielefeld, Eintracht Frankfurt, Werder Bremen, der VfB Stuttgart und der VfL Wolfsburg das Projekt des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie des Bekleidungsunternehmens Brands Fashion aus Buchholz. Auch der FC St. Pauli beteiligt sich finanziell an dem Vorhaben.

HSV landet im Ranking auf dem dritten Platz

Schon im Februar 2020 war Steinbrück mit seiner Kollegin Sabine Friedrichsen im indischen Tiruppur bei der Eröffnung der sogenannten Green Factory dabei. Das Ziel der Hamburger: mithelfen, nachhaltiges Textilmaterial zu entwickeln, das der HSV für die Produktion seiner Fankollektionen verwendet. „Wir haben im Vorstand die volle Rückendeckung. Alle im Club sehen es als wichtiges Zukunftsthema. Wir glauben, dass sich die Investition langfristig auch auszahlen wird“, sagt Steinbrück (40).

Das Engagement des HSV wird honoriert. In einer aktuellen Studie zum Thema Nachhaltigkeit der Fußballclubs landen die Hamburger im Ranking aller Erst- und Zweitligisten auf dem dritten Platz. Das Unternehmen cum ratione, eine Gesellschaft für Aufklärung und Technik, hat dafür vor allem verglichen, wie sich die Vereine für faire Produktionsbedingungen der Fantextilien einsetzen.

FC St. Pauli landet auf Platz eins

Der HSV machte in dem Ranking den größten Sprung und wird nur geschlagen vom VfB Stuttgart und dem FC St. Pauli auf Platz eins. Cum ratione schreibt: „Der HSV punktet mit einer ganzheitlich ausgerichteten Nachhaltigkeitsstrategie. Wenn er diesen Weg genauso zielstrebig weiterverfolgt, kann bald auch von der Meisterschaft geträumt werden. Mit zwei Vereinen auf den ersten drei Plätzen spielt die Stadt Hamburg ohne Zweifel in der Champions League.“

Bis zu seiner siebten Meisterschaft oder der Champions League ist es für den HSV zwar noch ein meilenweiter Weg, doch mit einem Derbysieg am Freitag würde der Club aus dem Volkspark zumindest seinem großen Ziel des Wiederaufstiegs ein Stück näher kommen. Passenderweise bei dem Verein, der in Sachen Nachhaltigkeit noch knapp vor dem HSV liegt.

FC St. Pauli produziert Merchandising-Artikel fair

Dass der FC St. Pauli alle anderen Vereine in Deutschland hinter sich lässt, liegt vor allem an der eigenen Produktion von nachhaltigen Trikots. Auf Wunsch seiner Mitglieder hatte der Club bereits 2016 damit begonnen, seine Merchandising-Artikel fair zu produzieren. Vor einem Jahr erschien dann schließlich die erste eigene Trikotkollektion.

Das Shirt ist zu 100 Prozent aus recyceltem Polyester gefertigt, wird in der Türkei unter fairen Bedingungen produziert – und ist trotzdem günstiger als das vorherige des US-Ausrüsters Under Armour, von dem sich der FC St. Pauli nach fünf Jahren getrennt hatte. „Wir sehen es als unsere Pflicht an, beim Thema Nachhaltigkeit umfassend, vorausschauend und ambitioniert zu handeln. Ein ,Weiter so‘ kann es für den FCSP, den Fußball und die Gesellschaft nicht geben“, sagte Vizepräsidentin Esin Rager, die sich um das Thema Nachhaltigkeit kümmert.

HSV-Trikots mit Biosiegel versehen

In nachhaltig produzierten Trikots spielt allerdings nicht nur der FC St. Pauli, sondern auch der Lokalrivale. Ausrüster Adidas stellt dem HSV schon seit Jahren Trikots her, die mit einem Biosiegel versehen sind. Aufgrund der Rivalität seiner Fans zu Werder Bremen ist der grüne Punkt auf dem Trikot allerdings nicht mehr sichtbar. Im Onlinefanshop des HSV finden die Anhänger unter der Ru­brik Nachhaltigkeit mittlerweile 98 Artikel von T-Shirts über Babyklamotten bis hin zur Plüschfigur Dino Hermann.

Angesichts der aktuellen Energiekrise geht es bei beiden Clubs nun aber vor allem um Einsparpotenziale. Das betrifft vor allem die Stadionbeleuchtung. Auf St. Pauli brennt am Freitagabend zwar Licht. Doch an der Terminierung des Flutlichtspiels können beide Clubs nichts mehr ändern. Der HSV ist genauso wie St. Pauli an die Vorgaben der Deutschen Fußball Liga gebunden. Die DFL hat auch die Fortführung der Bandenwerbung rechtlich geprüft. Lichtemittierende Werbeanlagen dürfen nach 22 Uhr aber nicht mehr betrieben werden und wurden beim HSV-Spiel gegen Kaiserslautern am Sonnabend außerhalb der Arena ausgeschaltet.

HSV fährt mit dem Zug zum Zweitrundenspiel

Sein Flutlicht und die Stromversorgung muss der HSV für die Austragung der Europameisterschaft 2024 aber ohnehin erneuern. Diese Woche sollen die ersten Arbeiten beginnen. Nach dem Derby bei St. Pauli steht mit dem Pokalspiel bei RB Leipzig dann schon das nächste Flutlichtspiel an. Weil sich der HSV das Ziel gesetzt hat, seine Auswärtsreisen künftig klimaneutraler zu gestalten, wird die Mannschaft mit dem Zug zum Zweitrundenspiel fahren. Für die kommenden Wochen hat sich der Club zudem vorgenommen, die Raumtemperaturen auf der Geschäftsstelle zu reduzieren.

Verantwortlich beim HSV ist für diese Themen Marieke Patyna, die den modernen Titel Chief Strategy, People & Sustainability Officer trägt. Man könnte sie aber auch einfach als Nachhaltigkeitsmanagerin bezeichnen. Die 25-Jährige wurde vor einer Woche bei einer DFL-Vollversammlung in die neue Kommission Nachhaltigkeit gewählt. Gemeinsam mit neun weiteren Vertretern anderer Clubs berät sie künftig in regelmäßigen Sitzungen das DFL-Präsidium in Sachen Nachhaltigkeit – also auch den Präsidenten des FC St. Pauli, Oke Göttlich, der seit 2019 in diesem Gremium sitzt.

HSV ist Gründungsmitglied der Initiative „Aufgefangen“

Göttlichs aktuelles Ziel neben dem Derbysieg: das Wegschmeißen von Lebensmitteln an den Spieltagen zu reduzieren. Dazu plant er mit der Verbraucherschutzbehörde neue Projekte. Der HSV ist da schon einen Schritt weiter. Seit Kurzem ist der Club Gründungsmitglied der Initiative „Aufgefangen“. Ein Projekt der Stadt Hamburg mit dem Ziel, durch ein Netzwerk von Unternehmen neue Lösungen für die Verschwendung von Essen zu finden. In Sachen Nachhaltigkeit sind die beiden Zweitligisten eben schon jetzt erstklassig.