Hamburg. Für das 13-Millionen-Euro-Darlehen hofft Vorstand Thomas Wüstefeld vergeblich auf die Stadt. Warum seine Pläne platzen.

An diesem Donnerstag wird es ernst für Thomas Wüstefeld. Um 17 Uhr ist der Vorstand des HSV zu einer Anhörung im Haushaltsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft geladen. Ein ursprünglich als Routine vorgesehener Termin, auf dem Wüstefeld über den Stand der Stadionsanierung informieren soll. Doch nach den jüngsten Vorkommnissen im Volkspark und der nach wie vor nicht gesicherten Finanzierung der Modernisierungsarbeiten wird es um weit mehr gehen als nur die jährliche Berichtspflicht, die vor rund zwei Jahren im Zuge des Grundstücksverkaufs für 23,5 Millionen Euro an die Stadt vertraglich fixiert worden war.

Über allem schwebt die Frage, ob die Stadt bereit ist, dem HSV eine Bürgschaft über einen Teil des 13 Millionen Euro schweren Darlehens von Club-Hauptsponsor HanseMerkur zu gewähren.

HSV-Bürgschaft? Stadt sieht davon ab

Eine Thematik, die zwar nicht am Donnerstag im Festsaal des Rathauses, wo die 23 Mitglieder des Haushaltsausschusses Wüstefeld befragen werden, entschieden wird. Doch schon jetzt ist klar, dass Wüs­tefeld auch mit seinen neuen, um zehn Millionen Euro reduzierten Bürgschaftsbemühungen bei der Stadt abblitzen wird.

Zur Erinnerung: Vor fünf Wochen verkündete der 53-Jährige, mit HanseMerkur den nötigen Geldgeber für einen Kredit in Höhe von 23 Millionen Euro gefunden zu haben, sofern genügend Bürgen gefunden werden. Wüstefeld hoffte auf eine Bürgschaft der Stadt. Doch seine Pläne wackelten gewaltig, weil die Grünen gegenüber dem Abendblatt signalisierten, von ihrem Vetorecht in der final entscheidenden Kreditkommission Gebrauch zu machen. Inzwischen wurde das Darlehen auf 13 Millionen Euro beschränkt. Doch an der Ansicht der Stadt über eine mögliche Bürgschaft hat sich nichts geändert.

Das Abendblatt hat sich bei allen Bürgerschaftsfraktionen umgehört. Nach aktueller Sachlage würde keine Fraktion den Bürgschaftsplänen des HSV zustimmen. Die Abwehrhaltung der Abgeordneten liegt insbesondere daran, dass der HSV die für die Stadionsanierung vorgesehenen 23,5 Millionen Euro der Stadt bereits anderweitig ausgegeben hat. Seitdem gilt das Vertrauen aller Fraktionen in den Club als erschüttert. Hinzu kommen Zweifel an der Erfüllung der hohen rechtlichen Hürden für eine Bürgschaft. „Der HSV sollte sich darüber im Klaren sein, dass er sich im Wesentlichen gläsern machen müsste“, sagt Milan Pein, haushaltspoli­tischer Sprecher der SPD-Fraktion und Mitglied des Haushaltsausschusses.

Stadionsanierung: Wüstefeld sieht HSV im Zeitplan

Der Sozialdemokrat, der auch HSV-Mitglied ist, vermisst eine genaue Kostenkalkulation für die EM-bedingte Sanierung, einen Stand über die Erteilung von Aufträgen und einen konkreten Finanzierungsplan. Die groben Kosten der einzelnen Maßnahmen hatte Wüstefeld zwar vor zweieinhalb Monaten im Sportausschuss angegeben, doch Pein befürchtet, dass die Preise für Handwerker und Baumaterial inzwischen weiter gestiegen sind. Auf Anfrage bekräftigt Wüstefeld, in den nächsten zwei Wochen die Erneuerung der Stromkabel voranzubringen und während der WM-Pause im November das Flutlicht auszutauschen. Nach Angaben des Vorstands liege der HSV im Zeitplan.

„Wir brauchen ein komplettes Zahlenwerk über die Sanierungsarbeiten als Basis für weitere Gespräche über eine Bürgschaft“, fordert Dennis Paustian-Döscher, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen. Wie berichtet, kommt für die mitregierenden Grünen wenn überhaupt eine De-jure-Bürgschaft infrage. Dabei handelt es sich um eine formalrechtliche Bürgschaft, bei der so viel Puffer eingebaut wird, dass die Stadt nur im äußersten Notfall für das geplante Darlehen des HSV bei HanseMerkur einspringen müsste. „Wir werden keinen Blankoscheck ausstellen“, sagt Paustian-Döscher.

HSV-Bürgschaft der Stadt? So wäre der Ablauf

Rein formell müsste sich die Wirtschafts- und Finanzbehörde im Fall einer Bürgschaft mit einer Vorlage an die Kreditkommission wenden, welche mit Ausnahme der nicht vertretenen AfD-Fraktion mit gewählten Mitgliedern nach den Mehrheitsverhältnissen der Bürgerschaft besetzt und mit einer einfachen Mehrheit beschlussfähig ist. Einen in der Theorie möglichen Alleingang der SPD schließt die Regierungskoalition in der Praxis aus. „Es muss eine gemeinsame Position zwischen Grünen und SPD gefunden werden“, sagt der einer Bürgschaft kritisch gegenüberstehende Paustian-Döscher.

Jene gemeinsame Position scheint ohnehin bereits gefunden. „Der HSV täte allein aus Imagegründen gut daran, sich um eine Lösung in der freien Wirtschaft zu bemühen“, rät SPD-Politiker Pein, der fraktionsübergreifend Zustimmung erfährt. „In der jetzigen Gemengelage halte ich eine Bürgschaft für ausgeschlossen“, sagt Thilo Kleibauer, haushaltspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und Mitglied des Haushaltsausschusses. „Wir sehen hohe Hürden und Offenlegungspflichten seitens des HSV“, ergänzt sein Amtskollege David Stoop von der Linksfraktion, und auch Marco Schulz (AfD) moniert: „Solange die Frage nach dem konkreten Umgang mit den 23,5 Millionen Euro der Stadt offen bleibt, sind wir nicht bereit, dem HSV weiter entgegenzukommen.“

Fraktionen beklagen mangelnde Transparenz beim HSV

Kritisch bewerten die Abgeordneten zudem, dass das ursprünglich anvisierte Darlehen von 23 Millionen Euro plötzlich auf 13 Millionen Euro reduziert wurde. „Der HSV muss Transparenz herstellen“, sagt Paustian-Döscher, der wie viele seiner Amtskollegen Wüstefeld zu dieser Korrektur am Donnerstag befragen will. „Wenn es wöchentlich neue Zahlen gibt, hilft das nicht unbedingt in der Bewertung“, ergänzt Kleibauer, dessen Ablehnung einer Bürgschaft auch auf den Führungsstreit beim HSV zurückzuführen ist. „Der HSV muss sich erst einmal sortieren und seine Hausaufgaben machen. Man hat das Gefühl, Vorstand und Aufsichtsrat arbeiten gegeneinander.“

Mit Verwunderung haben die Abgeordneten zudem Wüstefelds Pläne für einen HSV-Tower und eine Plaza im Volkspark zur Kenntnis genommen. Ein Projekt, das 200 Millionen Euro kosten und durch Investoren finanziert werden soll. „Ich hätte mich gefreut, wenn die Hausaufgaben bezüglich einer Stadionsanierung mit der gleichen Akribie erledigt worden wären“, sagt Paustian-Döscher von den Grünen.