Hamburg. Der Interimsvorstand will intern Belege für seine akademischen Titel vorgelegt haben. Bürgerschaft nahm 53-Jährigen in die Mangel.

Thomas Wüstefeld war gut gelaunt, als er überpünktlich um 16.46 Uhr als einer der Ersten im Festsaal des Rathauses eintraf. Zu diesem Zeitpunkt blickte der HSV-Vorstand noch hoffnungsvoll auf seine anstehende Anhörung im Haushaltsausschuss der Bürgerschaft, der mit Finanzsenator Andreas Dressel, Sportsenator Andy Grote (beide SPD) und Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) prominent besetzt war. In den folgenden 77 Minuten verfinsterte sich Wüstefelds Blick jedoch zunehmend.

HSV-Vorstand Wüstefeld will sich nicht auf Bürgschaft der Stadt verlassen

Wie bereits im Vorfeld vom Abendblatt berichtet, hat der Vorstand im Ausschuss fraktionsübergreifend das Signal erhalten, dass die Stadt aktuell nicht als Bürge für einen Teil des 13-Millionen-Euro-Kredits von HSV-Hauptsponsor HanseMerkur zur Verfügung steht. „Wir drücken Ihnen die Daumen, dass Sie einen anderen Partner als die Stadt finden, der die Bürgschaft übernimmt, damit wir dieses Thema hier vom Tisch hätten. Das wäre unser Wunsch“, sagte der Vorsitzende des Gremiums Mathias Petersen (SPD) in aller Deutlichkeit. Eine Botschaft, die bei Wüstefeld ankam. „Wir können uns nicht auf die Bürgschaft der Stadt verlassen. Deshalb führen wir auch andere Gespräche“, sagte der 53-Jährige nach der Sitzung im Rathaus. Um welche alternativen Partner es sich dabei handeln soll, ließ Wüstefeld offen.

Im Haushaltsausschuss wurde dem HSV von mehreren Abgeordneten nahegelegt, das Gespräch mit Investor Klaus-Michael Kühne über eine Bürgschaft zu suchen. „Wenn Sie Geld benötigen, wäre es das Einfachste, mit Ihren leistungsstarken Gesellschaftern zu sprechen“, sagte Milan Pein, Haushaltssprecher der SPD-Fraktion. Wüstefeld räumte jedoch ein, bislang noch nicht das Gespräch mit Kühne gesucht zu haben. „Sprechen Sie auch mit der Uefa über eine Bürgschaft. Immerhin hat die Uefa ein Interesse daran, dass die EM in Hamburg stattfindet“, ergänzte Pein. Ein Vorschlag, der wohl kaum umzusetzen sein dürfte.

Lesen Sie auch den Folgeartikel:

Wüstefeld erklärt, er habe intern beim HSV Aufklärung geleistet

Weitaus spannender als die Anhörung im Rathaus waren Wüstefelds Worte, die er im Anschluss der Sitzung gegenüber einzelnen Medienvertretern wählte. Denn der Unternehmer kündigte an, die Zweifel an seinen akademischen Qualifikationen ausgeräumt haben zu wollen. „Ich habe Aufklärung geleistet und bestimmten selektierten Personen vom HSV meine Doktorurkunde und meine Dissertation gezeigt“, sagte Wüstefeld. „Ich bin guter Dinge, dass das Thema erledigt ist.“

Nach Abendblatt-Informationen liegen die angeblichen Beweise jedoch nicht dem kompletten Aufsichtsrat vor. An welcher Universität er seine Doktorarbeit geschrieben haben will, gab Wüstefeld nicht preis. „Das möchte ich nicht publik machen, weil es sich um meine Privatsphäre handelt. Bestimmten Personenkreisen habe ich es aber offengelegt.“ Wüstefeld zeigte zudem seinen Personalausweis, auf dem sein Doktortitel angegeben ist. „Eine Behörde hat meinen Titel geprüft.“

Die größeren Zweifel gibt es allerdings ohnehin an seinem Professorentitel. Am Donnerstag sagte er erneut, dass es sich dabei nicht um einen akademischen Titel handele. Er habe eine Verleihungsurkunde für die Mithilfe an einem Forschungsprojekt beim HSV als Beleg vorgelegt. Offen bleibt allerdings die Frage, ob Wüstefeld seinen Professorentitel weiterhin führen darf, denn hierfür gibt es klare Regeln. So müssen Professoren in der Regel längere Zeit gelehrt oder sich eine Genehmigung eingeholt haben, wenn sie den Titel weiter verwenden wollen. Das ist abhängig von dem Ort der Universität, die den Titel verliehen hat. Wo und wann Wüstefeld seinen Professorentitel erworben hat, ist weiterhin nicht bekannt.

HSV-Chef hat Widersprüche bislang nicht aufgeklärt

Das Abendblatt hatte die Zweifel an den akademischen Titeln am Sonnabend öffentlich gemacht, nachdem eine intensive Recherche in nationalen und internationalen Datenbanken nach der akademischen Qualifikation erfolglos geblieben war und Wüstefeld eine längere Frist für die Nennung einer Hochschule oder Universität hatte verstreichen lassen.

Vor allem zwei Widersprüche, die er selbst in die Welt setzte, hat Wüstefeld weiterhin nicht aufgeklärt. Erstens sagte er den Abendblatt-Redakteuren in der vergangenen Woche, sein Professortitel stamme nicht aus der Schweiz, obwohl er genau dies zuvor gegenüber anderen Reportern angegeben hatte. Zweitens bestand Wüstefeld energisch darauf, dass er den Professortitel nicht nutze – obwohl er ihn nachweislich nicht nur in Jahresabschlüssen und Handelsregistereinträgen seiner Firmen, sondern auch ganz offen im Internet trägt. So ist Wüstefeld unter anderem in einem Branchenregister mit einer Tätigkeit in der Bauinformatik als „Prof. Dr. Thomas Wüstefeld“ betitelt.

HSV-Präsident Jansen verteidigte Wüstefeld bei Fan-Talk

Nur 2,5 Kilometer weiter westlich saß am Donnerstagabend auch Marcell Jansen in einer Gesprächsrunde und stellte sich den Fragen. Der Aufsichtsratsvorsitzende war zu Gast bei der Jubiläumsausgabe des Tankstellen-Talks. Moderator und HSV-Fan Jan-Walter Möller hatte neben Jansen noch den HSV-Fanbeauftragten Cornelius Göbel sowie den stellvertretenden Chefredakteur von „11Freunde“, Tim Jürgens, zu Gast. Dabei ging es auch um die aktuellen Probleme in der HSV-Führung.

Jansen räumte ein, dass es „Themen gibt, die wir anpacken müssen.“ Er verteidigte dabei sowohl seine eigene Person als auch Vorstand Wüstefeld. „Mein Name fällt selten bei der Frage, warum wir seit drei Jahren dieselben Verantwortlichen haben“, sagte Jansen und meinte damit die Position von Sportvorstand Jonas Boldt. Einen Streit im HSV-Vorstand sieht Jansen nicht. Stattdessen sagte er: „Eine gewisse Reibung ist gut. Es darf nur nicht zu viel werden. Wir brauchen Zeit, um die Themen zu prüfen.“