Geesthacht. So könnte gebaut werden: Die Vorstellung des Bauprojekts im Herzen von Geesthacht gefiel dem Ausschuss. Aber es gibt auch Sorgen.
Am Ende blieb nur einer übrig, der noch dagegen war. Hatte Christoph Hinrichs (BfG) bei der bis dato letzten Vorstellung des Bauvorhabens der Geesthachter Gartencity vor über zwei Jahren noch Dagmara Strauer (FDP) an seiner Seite gehabt, hob der Vorsitzende des Ausschusses für Stadtplanung nun als einziger die Hand als Zeichen der Ablehnung.
Damit steht die Gartencity kurz vor dem Baubeginn. Die Bebauung, wie sie auf der vornehmlich als Parkplatz genutzten Fläche zwischen Buntenskamp im Norden und Schillerstraße im Süden neben dem westlichen Medizin-Komplex geplant ist, wurde einmal mehr der Stadtpolitik vorgestellt. Der Aufstellungsbeschluss datiert bereits vom 23. August 2022.
Von den Kritikern blieb nur einer übrig: Gartencity auf der Zielgeraden
Im weiteren Verlauf der Planung wurden von der Politik mehrere Änderungen angemahnt, nun scheint alles klar. „So massiv viel haben sie nicht geändert. Es wundert mich, dass sie sich soviel Zeit gelassen haben“, resümiert Gerhard Boll (Grüne) nach der Vorstellung des neuen Entwurfes durch das Büro E&P Evers Stadtplanungsgesellschaft mbH, Hamburg.
Ein wichtiger Aspekt: „Wegen des Denkmalschutzes hat man vorn ein Stockwerk weggenommen, sodass es bei der Buntenskampschule nicht so dominant aussieht“, sagt Gerhard Boll (Grüne). Es wurde gegen ein Staffelgeschoss getauscht.
Zuwegung durchs Areal von jeder Himmelsrichtung aus
Und: In Nord-Süd-Richtung als auch Ost-West-Richtung – von der Krummen Straße aus – wird eine Querung für Radfahrer und Fußgänger geschaffen. „Dieser Zuweg wird auch vom Investor gebaut, da kommen keine Kosten auf die Stadt zu“, erläutert Gerhard Boll.
Das 1,6 Hektar große Plangebiet – etwa so groß wie anderthalb Fußballfelder – wurde gegenüber dem Aufstellungsbeschluss um zwei Flurstücke verkleinert, sie befinden sich weiterhin nicht im Eigentum des Vorhabenträgers.
Alle Häuser werden mit Gründächern gebaut
Errichtet wird ein Mischensemble mit fünf Mehrfamilienhäusern mit 77 bis 83 Wohneinheiten verschiedener Größen plus Tiefgarage mit 158 Stellplätzen für Anwohner und gewerbliche Nutzer. Es entsteht neben frei vermietbaren Einheiten auch mit dem für Geesthacht ortsüblichen Schlüssel von 25 Prozent geförderter Wohnraum.
Eine Kindertagesstätte mit 56 Plätzen und drei oberirdischen Stellplätze für Autos von Eltern sowie ein gemeinnütziges Hospiz mit etwa 14 Betreuungsplätzen, ein Café und eine kleine Gewerbeeinheit komplettieren das Projekt. Alle Häuser sollen begrünte Dächern erhalten. Vorhabenträger ist die Hohes Elbufer Wohnimmobilien GmbH & Co.KG.
Das größte Gebäude wird knapp 34 Meter hoch
Die Baukörper sind in Geschossigkeit und Höhe gestaffelt und 21,50 bis 33,80 Metern hoch. Das größte ist das Gebäude im Nordosten mit fünf Vollgeschossen. Die drei Gebäude in der mittleren Lage – angeordnet um eine Freifläche – haben drei Vollgeschosse sowie jeweils ein Staffelgeschoss.
Die Geschosswohnungen werden mit Balkonen oder Loggien ausgestattet, für die Erdgeschosswohnungen sind zum Teil Terrassen vorgesehen. Das Hospiz im westlichen Bereich erhält ein großflächiges Sockelgeschoss und auf einer Teilfläche davon aufbauend bis zu vier Geschosse. „Über die Formensprache kann man gut und gerne streiten. So ist halt die Architektur der Neuzeit. Das, was vorher geplant war, war klotziger“, urteilt Gerhard Boll durchaus wohlwollend.
Zentraler Bereich wird begrüntes Herzstück des Quartiers
„Der nun vorliegende städtebauliche Entwurf sieht eine aufgelockerte Bebauung zur vornehmlichen Entwicklung von Wohnraum vor, und zeichnet sich durch einen hohen Frei- und Grünflächenanteil aus, um dem Thema der ,Gartencity‘ Rechnung zu tragen“, heißt es in der Beschreibung des Projektes.
So soll der zentrale Bereich als begrüntes Herzstück des Quartiers geschaffen werden. Von den alten Obstbäumen im Osten des Areals sollen möglichst viele erhalten bleiben. Die markante und ortsbildprägende Kastanie im nordöstlichen Bereich – ein Katasterbaum – erhält einen Ehrenplatz in einer Hofsituation, in die der Baum integriert wird.
380 Seiten durchgelesen und sich seine eigenen Gedanken gemacht
Christoph Hinrichs und seine Fraktion indes hegen weiterhin Bedenken. Zweifel, ob das Projekt in dieser Dimension dort hinpasse, verschwanden auch nicht nach dem Studium der planerischen Ausführungen. „380 Seiten sind es, die habe ich durchgelesen und mir meine eigenen Gedanken gemacht, ich bin ja auch vom Fach“, erzählt er.
Es handelt sich bei ihm mehr um ein ungutes Bauchgefühl, Fehler hat er nicht entdeckt. „Die Rechnungen, die sie aufgestellt haben, sind alle richtig, nur, mir fehlt so ein bisschen das Vertrauen in diese Zahlen. Ich bin ja nun auch Bauingenieur und weiß, wie es da ablaufen kann. Da kommt einer und sagt, ,wir haben hier ein Problem‘, und der Bauingenieur sagt, ,das rechne ich dir hin‘“, meint Christoph Hinrichs skeptisch.
Schule und dann noch eine Kita – Angst vor den Elterntaxis
Seine Vorahnungen nähren sich aus zwei Aspekten: der Verkehrssituation und der „Versiegelung einer Riesenfläche“ vor dem Hintergrund der Klimaveränderung und Extremwetter. Christoph Hinrichs: „Wir reden immer davon, dass wir entsiegeln müssen, und da nun so eine Riesentiefgarage hinzusetzen, auch wenn das laut Rechnung alles versickert – das sind so Sachen, wo ich sage, nee, wirklich nicht“, sagt er.
Skeptisch beurteilt seine Fraktion auch den Zu- und Abfluss der Autos nur durch den Buntenskamp angesichts der 150 Parkplätze. „Das geht alles an der Schule und an der Kita vorbei. Wir wissen alle, wie schlimm das sein kann wie zum Beispiel bei der Grundschule in der Oberstadt, wo die Anwohner sich beschweren, weil die Elterntaxis alles verstopfen.“
Regenwasserkanäle im Gebiet an der Kapazitätsgrenze
Wo Christoph Hinrichs Probleme zu erkennen glaubt, sehen die Planer keine. Die versiegelte Fläche liege demnach unter 20.000 Quadratmetern. „Die vollflächig unter der aufgefüllten Deckschicht anstehenden gemischtkörnigen Sande sind grundsätzlich zur Versickerung von Niederschlagswasser geeignet“, heißt es in der Vorlage.
Das ist allerdings auch nötig. Denn die Abwasserbetriebe würden die Regenwasserkanäle in diesem Bereich an ihrer Kapazitätsgrenze sehen, so werde für die Niederschlagsentwässerung im Gebiet eine hundertprozentige Versickerung vor Ort angestrebt, heißt es. Die Versickerungsanlagen seien so dimensioniert, „dass der Überflutungsnachweis für das 30-jährliche Regenereignis erfüllt ist“.
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Knotenpunkte sollen in der Lage sein, mehr Verkehr abzuwickeln
Auch die beim Verkehrsgutachten ermittelten etwa 500 zusätzlichen täglichen Kfz-Fahrten auf dem Buntenskamp finden die Planer machbar: Im Ergebnis zeige sich, dass die bemessungsrelevanten Knotenpunkte in der Lage seien, die zukünftigen Verkehre mit einer sehr guten Qualitätsstufe langfristig leistungsfähig abzuwickeln. Es komme zu keinen nennenswerten Rückstausituationen.
Nach der Auslegung bis zum 10. Januar steht eine erneute Vorstellung im Stadtplanungsausschuss an, es wird ein Städtebaulicher Vertrag aufgesetzt, und die Ratsversammlung muss zustimmen. Das hört sich langwierig an, es könnte aber auch alles sehr schnell gehen. Ein Baubeginn bis zum Beginn des zweiten Quartals ist denkbar, Abrissarbeiten auf der Planfläche schon in den Weihnachtsferien. „Es wird sich erst in der Zukunft zeigen, ob ich mit meinen Vermutungen recht hatte. Und ich hoffe wirklich, dass ich mich geirrt habe“, orakelt Christoph Hinrichs.