Geesthacht. Die Fläche vor dem Rewe-Center ist ein Gefahrenherd für Überflutung, wenn Starkregen aufzieht. Dabei war die mal ganz anders geplant.
Gefahr erkannt – aber warum bloß wurde sie nicht gebannt? Eine mysteriöse bauliche Unterlassung vor 20 Jahren in der Norderstraße könnte bei einem lang andauernden Starkregen dramatische Überflutungen bedeuten für das Herz der Stadt Geesthacht. Aufgespürt haben jetzt die Grünen den rätselhaften Fall, der auf das Jahr 2004 zurückgeht.
Damals im Dezember wurde der Parkplatz vor dem Center fertiggestellt, dem seit seinem Einzug 2018 der Rewe-Supermarkt seinen Namen gibt. Die Fläche wurde von der Verwaltung vor 20 Jahren abgenommen, obwohl sie nicht dem Zustand entsprach, der im B-Plan explizit angeordnet worden war.
Geesthacht: War der Bau vom Rewe-Parkplatz illegal?
Dort war etwas ganz anderes gefordert worden war, als es dann im Bau umgesetzt wurde. Es entstand die versiegelte Fläche, die sie heute immer noch ist. Und nicht eine, die, wie schriftlich festgehalten, mit Rasenfugenpflaster versehen eine Versickerung von Wasser zuließe.
Die Grünen forderten nun im Umweltausschuss eine späte Korrektur dieses bedrohlichen Zustandes. Dem Antrag wurde bei einer Enthaltung von den anderen Mitgliedern zugestimmt. Die Verwaltung ist damit beauftragt, mit den Eigentümern des Rewe-Parkplatzes Kontakt aufzunehmen, „um über die Ergebnisse der Gerics-Modellberechnung bei Starkregenereignissen zu informieren und auf die Ermittlung dieses Gebietes als ein Hotspot hinzuweisen“, heißt es im Antrag.
Acht plus vier Hotspots wurden von den Wissenschaftlern identifiziert
Nach den Unwettern im Jahr 2019 in Geesthacht hatte sich ein Institut im Verbund des Helmholtz-Zentrums – das Gerics – daran gemacht, die besonders gefährdeten Überschwemmungspunkte in der Stadt aufzuspüren. Vor einem Jahr im Juli 2023 präsentierten die Wissenschaftler die Studie im Ausschuss für Stadt- und Verkehrsplanung.
Acht Hotspots wurden identifiziert: Düneberger Straße/Neuer Krug, Wäldchen und Senke nördlich der Grenzstraße, Geesthachter Straße/Querstraße, Sandstraße/Schillerstraße, Berliner Straße/Hansastraße, Holertsche Kiesgrube, eine bewaldete Senke, der Bereich nördlich des Dialogwegs und die Ostlandsiedlung.
Warum fällt der womöglich illegale Zustand erst 20 Jahre später auf?
Zudem weitere vier, sollte es zu Niederschlägen wie im Ahrtal 2021 kommen. Nämlich südlich des Lerchenweges, im Bereich zwischen Hanseatenweg/Farmsener Weg und im Bereich Horner Kamp. Und eben auch der Parkplatz an der Norderstraße.
Aber warum fällt der womöglich illegale Zustand dort erst 20 Jahre nach der Fertigstellung auf? „Ich habe mir das Thema Hotspots auf die Fahne geschrieben“, erklärt Sonja Higgelke (Grüne). Sie schaute sich nach deren Präsentation 2023 alle Standorte an, machte sich Gedanken, was man dort verändern könne. Bei der Recherche zum Rewe-Parkplatz sei sie dann erst vor Kurzem auf den rätselhaften Sachstand gestoßen.
Anstehender Boden wäre sehr gut zum Versickern geeignet – wenn er könnte
Der stammt aus dem Jahr 2001. Die ebenerdigen Stellplätze seien mit luft- und wasserdurchlässigem Aufbau herzurichten. „Die jeweilige Standfläche der Fahrzeuge ist zu mindestens 30 Prozent als Rasenfugenpflaster mit mindestens drei Zentimeter breiten Fugen auszuführen. Durch diese Vorschrift soll die Versickerung auf den ebenerdigen Stellplätzen gefördert und die Versiegelung minimiert werden“, heißt es im Bebauungsplan für die Fläche.
Und weiter: „Aufgrund der Kapazitätsbeschränkung der bestehenden Kanalisation, die nur 40 Prozent des Oberflächenabflusses aufnehmen kann, sowie zur Minimierung der Eingriffe in den Wasserhaushalt, ist grundsätzlich anzustreben, einen Teil des anfallenden Oberflächenwassers vor Ort zu versickern. Der anstehende Boden ist dazu auch sehr gut geeignet“.
Verwaltung soll bei Eigentümern wegen Veränderung anfragen
Sonja Higgelke strebt nicht vorrangig an, festzustellen, wer denn nun Schuld habe bei der Genehmigung, erklärt sie. „Der Fehler ist halt passiert, wir wollen nach vorn schauen“, sagt sie. Eine aufklärende Antwort auf die Anfrage unserer Redaktion steht seitens der Verwaltung aus. „Auch ich habe nur die Auskunft bekommen, dass es damals so abgenommen wurde“, berichtet Sonja Higgelke.
Den Grünen geht es vor allem darum, dass der Zustand des Parkplatzes so nicht bleibt. Am liebsten wäre es ihnen, wenn der Eigentümer die Parkfläche freiwillig gemäß dem bestehenden B-Plan umgestalten würde.
Handlungsbedarf, die ermittelten Hotspots im Stadtgebiet zu entschärfen
„Die schützen ja auch ihr Eigentum, wenn sie da selber eine Veränderung herbeiführen, und schützen dann eben auch die anderen Anwohner. Die haben alle eine große versiegelte Fläche vor ihrer Haustür, man sieht ja aktuell in Spanien, was für dramatische Situationen entstehen können, wenn es mal richtig dicke kommt. Wir müssen zukünftig ja mit solchen Wetterextremen noch viel, viel stärker rechnen“, sagt Sonja Higgelke.
Daher bestehe aus ihrer Sicht Handlungsbedarf, die ermittelten Hotspots im Stadtgebiet zu entschärfen. Durch die Umgestaltung des Rewe-Parkplatzes gemäß des B-Plans werde die Aufnahmefähigkeit von Regen in diesem Bereich erhöht, wodurch mögliche Überflutungsschäden reduziert werden könnten, heißt es im Antrag.
Versuch der Kontaktaufnahme von CDU-Mitglied mit Eigentümern scheiterte
Den Kontakt, den die Verwaltung nun zu den Eigentümern aufnehmen soll – das probierte Karl Hermann Rosell (CDU) vor einem halben Jahr auch schon. Und scheiterte. Weiter als bis zum Hamburger Unternehmen, das die Fläche für die oder den Eigentümer verwaltet, kam das Mitglied des Umweltausschusses nicht. Mehr wollte man ihm nicht mitteilen. „Die sind geheim“, musste er erfahren.
Immerhin ist Karl Hermann Rosell nun ein wenig kundiger. Demnach gehört die Fläche von der Eigentümerseite her nicht zum Ensemble mit dem Rewe-Center, sondern bildet eine Immobilieneinheit mit dem Bürogebäude, das die Fläche im südlichen Teil des Areals abriegelt und im Erdgeschoss eine Ladenzeile unter anderem mit Tedi aufweist.
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Riesige Pfütze stand tagelang auf der Fläche
„Ich hatte sie im Frühjahr angesprochen, weil vor dem Haus lange Zeit eine riesige Pfütze war“, berichtet Karl Hermann Rosell. Schuld an der Überschwemmung waren Abläufe auf Höhe der Zufahrten und verstopfe Gullys. Und natürlich die versiegelte Fläche, weswegen das Wasser nicht versickerte. Ein kleiner, noch harmloser Vorgeschmack auf das, was passieren würde, wenn sich hier nichts ändere und ein Starkregen stundenlang auf die Fläche prasseln würde.
Was bereits eine größere Fugenbreite bei den verlegten Steinen bewirken kann, hat Karl Hermann Rosell auf dem Parkplatz des neu gebauten Rewe in der Oberstadt beobachtet. „Dort versickerte das Wasser, und unten haben die Pfützen tagelang gestanden“, zieht er den Vergleich.