Geesthacht. Die verwaiste Traditionsgaststätte von 1650 könnte ohne Probleme abgerissen werden. Vielleicht gibt es noch eine Chance auf Rettung.
Warum nur steht ein fast 400 Jahre altes Gebäude nicht unter Denkmalschutz? Das ist eine der großen Fragen, die in Sachen Forsthaus Grüner Jäger im Raum stehen. Deswegen könnte der im Dornröschenschlaf liegende Traditionsgasthof aus dem Jahr 1650 ohne viel Federlesens abgerissen werden. Der Betrieb ist seit mehr als vier Jahren eingestellt. Geesthachts ältestes Haus verfällt allmählich.
Gibt es nun einen Hoffnungsschimmer? Nicht, was die Suche nach einem neuen Betreiber betrifft. Aber der Zug in Sachen Denkmalschutz ist doch nicht abfahren, wie allgemein gedacht. Zumindest nicht formal. „Da die Denkmalliste von Gesetzes wegen nicht abschließend ist, kann auch eine spätere Aufnahme auf die Denkmalliste noch erfolgen“, erklärt Philip Seifert, der Leiter des Landesamtes für Denkmalpflege in Kiel, auf Anfrage unserer Redaktion die Sachlage.
Traditionsgasthof in Geesthacht: Kann der Grüne Jäger doch noch zum Denkmal werden?
Der Betrieb im historische Fachwerkgasthof an der Bundesstraße 5 ist seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 eingestellt. Das stillgelegte Gebäude fand seit über einem Jahr Suche keinen Käufer oder Pächter, die Vermittlungsversuche hat die von den Eigentümern beauftragte Maklerin nun auf Eis gelegt.
Philip Seifert erläutert, wie die Denkmalschützer bisher mit dem Grünen Jäger verfahren haben: „Das schleswig-holsteinische Denkmalschutzgesetz wurde Anfang 2015 geändert. Daraufhin mussten Tausende von Objekten im Land auf ihren Denkmalwert hin überprüft werden. Das Landesamt für Denkmalpflege hat aufgrund seiner Personalkapazitäten zunächst in einem Projekt der sogenannten Schnellinventarisation die Objekte von außen in Augenschein genommen, vorbewertet und in Kategorien eingeteilt, um sie dann in den Folgejahren weiterbearbeiten zu können“.
Der Grüne Jäger bekam im Jahr 2016 Besuch von den Denkmal-Bewertern
Das Forsthaus Grüner Jäger wurde 2016 zur Bewertung aufgesucht. Nachdem der äußere Zustand begutachtet worden war, wurde es in die Kategorie von Objekten eingeteilt, die zunächst nicht weiter untersucht werden sollten. „Entsprechende Objekte wurden von uns nicht weiter geprüft, es sei denn, dass neue Erkenntnisse eine genauere Überprüfung nahelegen und wir diese dann von Amts wegen durchführen“, berichtet Philip Seifert.
Die Denkmal-Experten hatten an der Gebäudehülle einiges auszusetzen, was für sie gegen eine Befürwortung des Hauses als Denkmal sprach. So seien am Äußeren des Objektes mit sogenannten Überformungen bereits starke Veränderungen ablesbar gewesen, Gefache wurden vermutlich in den 1980er-Jahren ausgetauscht und mit neuen Steinen versehen, die Balken des Fachwerks erschienen an mehreren Stellen ausgetauscht worden zu sein.
Kein authentischer Überlieferungszustand, fanden die Denkmal-Schützer
„Das Objekt erschien insgesamt in keinem authentischen Überlieferungszustand zu sein, der für die Erkennung des gesetzlich geforderten ,besonderen Denkmalwerts‘ erforderlich ist. Es wurde vermutet, dass aufgrund der langjährigen Nutzung als Gasthof auch im Inneren des Gebäudes starke Veränderungen durchgeführt worden sein mussten, sodass von einer weiteren Überprüfung aus Kapazitätsgründen bisher abgesehen wurde“, teilt Philip Seifert mit.
Vielleicht hätten die Denkmal-Bewerter ein anderes Urteil gefällt, wenn sie 50 Jahre eher vor Ort erschienen wären. In Ausgabe 83 der Lauenburgischen Heimat vom September 1975 ist das Forsthaus Grüner Jäger Thema eines Artikels von Herbert Henkner, der sich lobend über die Schönheiten des Gebäudes auslässt. Er berichtet aber auch von einigen baulichen Veränderungen. Irgendwann war es wohl eine zu viel, die dem alten Haus nun zum Verhängnis werden könnte.
Geschichtsheft berichtet 1975 über bauliche Veränderungen – war es eine zu viel?
Helmut Knust von der Geesthachter Bezirksgruppe des Heimatbundes und Geschichtsvereins hat den Artikel der Redaktion freundlicherweise zur Verfügung gestellt, den wir untenstehend in Auszügen wiedergeben. Erzählt wird, wie der Grüne Jäger zu dem wurde, was er heute noch ist: ein Gasthaus, wenngleich zurzeit außer Dienst.
„Dieses schmucke Reetdachhaus weiß uns sehr viel Historie zu erzählen, denn sein Bestehen reicht zurück bis 1650“, ist dort zu lesen. „In jener Zeit hatten die von Schack mehrere Sitze im lauenburgischen Gebiet, so auf Gülzow, Müssen, Hasenthal, Rambow, Wietow, Marsow, Dreilützow usw. Hans von Schack besaß damals die Güter Gülzow und Hasenthal. Im Jahre 1654 wurden Gülzow, Hasenthal und Kollow verkauft, der dänische Reichsfeldherr Hans von Schack vermochte sie nicht zu halten.
Grüner Jäger gehörte früher zum Forst Hasenthal
Was mag ihn jedoch bewogen haben, den ,Grünjäger‘ als Post- und Fuhrmannsherberge zu errichten? Der Grünjäger lag damals nicht auf Geesthachter Flur, sondern gehörte zum Forst Hasenthal. Die Zugehörigkeit Geesthachts zu Hamburg und der alte Verkehrsweg von Lauenburg über Geesthacht nach Hamburg mögen eine wesentliche Rolle gespielt haben.
In Geesthacht wurde nach der von Postmeister Peper erhaltenen Postchronik erst weit später, am 1. Oktober 1853, die erste Lübeck-Hamburgische Postanstalt errichtet. Ob das Forsthaus Grüner Jäger von seiner Gründung an ein Reetdach getragen hat, ist nicht nachweisbar, aber es darf ohne Zweifel angenommen werden, denn das Stroh- oder Reetdach war früher die übliche Bedachung.
Innere Raumgestaltung neuen Ansprüchen allmählich angepasst
In seiner äußeren Gestalt hat es sich kaum verändert, nur die innere Raumgestaltung hat sich den neueren Ansprüchen allmählich angepasst. Aus dem einstigen Forsthaus des Grafen von Schack und der Fuhmannsherberge ist eine romantische Gaststätte in frischer Waldluft geworden.
Das 325 Jahre alte Gebäude hat noch kleine Dachfensterchen, und hart an seiner Vorderwand führt noch der Rest der alten Chaussee vorüber, der zum Teil als Parkplatz dient. Natürlich spannen keine Fuhrleute mehr aus und wechseln die Pferde, um die damals noch steilere Lauenburger Straße besser hochzukommen. Es werden auch keine Planwagen mehr untergestellt.
Liedertafel lockte die Hamburger Ausflügler nach Geesthacht
Dafür ist ein schöner, einladender Saal entstanden, mit einer Balkendecke und Geweihen an den Wänden. Hier fanden lange Zeit die Jägerprüfungen statt, auch Hochzeiten wurden hier gefeiert. Am 10. August 1936 hatte der Gastronom Ernst Rosseburg, wie aus der Grundbuchakte hervorgeht, den Grünen Jäger übernommen, nachdem ihn schon sein Vater besessen hatte.
Er war es, der mit sehr viel Fleiß und Können den Platz hinter der Gaststätte terrassenförmig gestaltete und mit Blumen schmückte, sodass im Sommer ein lockendes Ausflugsziel für viele Hamburger entstand. Mehrmals wurden zu Pfingsten auch Morgenkonzerte von der Geesthachter Liedertafel geboten.
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„Der Grüne Jäger gehört zu Geesthacht“
Seit September bewirtschaftet der Gastronom Bruno Rogalski aus Aumühle den Grünen Jäger. Sein besonderer Verdienst ist es, dass er das Reetdach des malerischen Fachwerkhauses hat erneuern lassen. Wie ein Märchenidyll im Wald wirkt das schöne Haus, wenn es abends von der Straße aus angestrahlt wird und aus den Fenstern der Gaststube zwischen den roten gerafften Vorhängen die Lichter leuchten.“
49 Jahre später scheint es, als wären sie für immer erloschen. „Schade, wenn er abgerissen wird, ich würde das begrüßen, wenn er wieder die alte Funktion bekommt als Restaurant“, sagt Helmut Knust. „Das war eine tolle Anlaufstelle, der Grüne Jäger gehört zu Geesthacht.“