Reinbek. Der 80-jährige ehemalige Gymnasiallehrer leitet noch immer drei Chöre und organisiert diverse Konzerte in und um Reinbek.

Er ist Musiklehrer, Chorleiter und -gründer, Bratschist, Sänger sowie Organisator zahlreicher Konzerte und Chorfreizeiten: Joachim Winkel. Für seine Verdienste um die musikalische Jugendbildung, Kulturvermittlung und den internationalen kulturellen Austausch ist er im Mai 2021 von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet worden. Jetzt ist der 80-Jährige für sein ehrenamtliches Engagement in Reinbeks Musikszene für den Bürgerpreis der Bergedorfer Zeitung und der Volksbank Bergedorf nominiert worden.

Der 80-Jährige leitet noch immer drei Chöre

Die Faszination von Musik in Worte fassen? Das hält Joachim Winkel für unmöglich. „Man muss schon einmal selbst musiziert haben, um hören zu können, wie groß ein Werk von Bach oder Mozart tatsächlich ist“, sagt der 80-Jährige. Ein Grund mehr für den ehemaligen Musiklehrer des Sachsenwald-Gymnasiums und heutigen Leiter von drei Chören der Region, seine Leidenschaft für die Musik weiterzugeben.

Das Logo der Bürgerpreis-Aktion
Das Logo der Bürgerpreis-Aktion © Yang MingQi | Daniel Reichstaller

Mit gut 80 Jahren leitet er die Chorgemeinschaft Ohe, den Vokalkreis und die Kantorei Wentorf ehrenamtlich. Mit seinen Kontakten hat er es beispielsweise geschafft, für Bachs h-Moll-Messe auf historische Instrumente spezialisierte Solisten sowie Gesangssolisten der deutschen Spitzenklasse nach Reinbek zu holen – ein einzigartiges Ereignis.

Zehnstündige Proben hält er problemlos durch

Ans Aufhören denkt er noch nicht: „Mein Bruder Rainer hat mit 75 Jahren aufgehört. ‘Hör nie auf, du wirst es bereuen’, habe er ihn damals beschworen“, erzählt Winkel lachend. Das wäre auch gar nicht so einfach, etwa für die Chorgemeinschaft Ohe: „Wenn ich aufhöre, wird es die Chorgemeinschaft wohl nicht mehr lange geben“, befürchtet er und erzählt: „Ich spiele jetzt wieder im Wandsbeker Symphonieorchester.“ Das sei praktisch, weil er zu faul zum Üben sei. Für den Sommer sind zwei Auftritte geplant. Zehnstündige Proben wie die für die ­h-Moll-Messe könne er problemlos durchhalten.

Seine Kondition verdanke er seiner sportlichen Aktivität in der Jugend, vor allem dem Handball. Als Student in Berlin hat er sich fast mit seiner Klavierlehrerin überworfen, weil er wegen eines vorangegangenen Handballspiels zwei kaputte Daumen hatte und nicht spielen konnte. „Sie hat sich fürchterlich aufgeregt“, erinnert sich Winkel schmunzelnd. „Warum studieren Sie nicht Sport?“, habe sie ihn gefragt. „’Sport kann ich ja!’, habe ich ihr geantwortet.“

Das sind die bisherigen Kandidaten:

Das Klavier ist sein Feind, die Bratsche seine Freundin

Und er räumt ein: „Das Klavier war mein Feind“ – auch wenn es einen zentralen Platz im Wohnzimmer des alten Fachwerkhauses der Familie in Kuddewörde belegt. Die Bratsche aber sei seine Freundin, stellt er fest.

Verzichtet hat er auf seinen Sport trotzdem nicht: Bis 1973 habe er aktiv Handball in der TSV Reinbek gespielt, seine Mannschaft sei zweimal aufgestiegen, erzählt er. Aktuell trainiere er allerdings eher beim Rasenmähen des weitläufigen Grundstücks in Kuddewörde.

Die Liebe zur Musik ist dem gebürtigen Berliner quasi in die Wiege gelegt worden: „Meine Eltern waren begeisterte Hobby-Musiker“, erzählt er. Auch die beiden Brüder haben schon als Kinder Geigenunterricht erhalten. Zuerst hätte die Familie noch gemeinsam Musik gemacht. „Nach einem halben Jahr haben wir gesagt, ‘liebe Eltern, vielen Dank, ihr spielt uns zu schlecht’“, erzählt er lachend.

Musikstudium in Berlin war ein kurzfristiger Entschluss

Als die Familie nach Kassel zog, trafen die Jungen auf eine reiche musikalische Jugendkultur. Joachim Winkel entdeckte die Bratsche für sich und sang im Chor. Unter anderem wurde er auch hessischer Meister im Speerwerfen. Eigentlich hätte er gern Medizin studiert, aber das sei zu teuer gewesen. Deshalb habe er sich drei Monate vor Aufnahmeprüfung überlegt, in Berlin Musik zu studieren.

„Ich habe noch schnell Klavierunterricht genommen“, erinnert er sich. Denn das gehört zum Pflichtprogramm. Und es klappte ohne Probleme. „Berlin war unglaublich für Musikstudenten“, erklärt Winkel. Restplätze für die Alte Oper gab es für 25 Pfennige, für jedes Konzert bekam die Akademie 20 Freikarten für die Studenten. „Wir haben in dieser Zeit unheimlich viele Leute gehört“, berichtet der Musiker.

1968 hat er den Jugendchor in Reinbek gegründet

Nach dem Studium landete er per Zufall in Reinbek. Eigentlich sollte er sich nach dem Referendariat in Hannover in Cuxhaven bewerben. Das war ihm zu provinziell, stattdessen landete er 1968 in Reinbek. Dort gründete er gleich den Jugendchor und Mitte der 1970er-Jahre den Vokalkreis. Außerdem stellte er die Deutsch-Englische Musikwoche auf die Beine, während der sich Musiker aus beiden Ländern jeweils in England oder Deutschland begegneten. Gemeinsam mit seinem Bruder gründete er das Junge Kammerorchester Minden.

Einer seiner Schüler, Jörg Müller, übernahm 1984 den Jugendchor, der heute Junger Chor Reinbek heißt. Denn Joachim Winkel und seine Familie zog es nach Mailand. Dort unterrichtete er sieben Jahre an der Deutschen Schule, machte natürlich Musik, leitete die evangelische Kantorei und knüpfte selbstverständlich jede Menge Kontakte zu anderen Musikern. „Eine tolle Zeit war das“, fasst er zusammen.

Sein Traum: Noch einmal Bachs h-Moll-Messe aufführen

Sieben Jahre später kehrte er nach Norddeutschland zurück und übernahm die Leitung der Chorgemeinschaft Ohe, außerdem die der Kantorei Wentorf und der Kantorei der Maria-Magdalenen-Kirche. Dort stellte er wieder Weihnachtsoratorien auf die Beine, rief die Reinbeker Konzerte ins Leben und organisierte Chorfahrten.

Einen Chor zu leiten, das begeistert ihn noch immer: „Aus einer Gruppe von Menschen einen unheimlich faszinierenden Klang herauszuholen – das reizt mich heute noch“, erklärt der 80-Jährige. Sein pädagogischer Antrieb sei es nach wie vor, seine Schüler so auszubilden, dass sie irgendwann besser seien als er.

Sein Traum für die Zukunft: Noch einmal die h-Moll-Messe auf die Bühne bringen. Denn unglücklicherweise musste er bei der jüngsten Aufführung plötzlich ins Krankenhaus. Dazu braucht er jedoch Spenden, um die Gagen zu finanzieren. „Vielleicht schaffe ich es in zwei Jahren noch einmal“, hofft er.