Bergedorf. Verletzte Vögel und andere Tiere nimmt sie jährlich in ihre Obhut. Nun ist die Tierpflegerin für den Bergedorfer Bürgerpreis nominiert.
Nora Picka-Pamperin hat ein Herz für Tiere. Sie kümmert sich seit elf Jahren ehrenamtlich um Wildtiere, insbesondere um einheimische Wildvögel. Hunderte Vögel nimmt sie jedes Jahr in ihre Obhut, investiert viel Zeit, Können, Gefühl und Geld. Die ehrenamtliche Wildtierpflegerin, die beruflich als Marketingreferentin arbeitet, ist unseren Lesern wohlbekannt.
Bereits als sie noch in Kirchwerder lebte, engagierte sie sich für Wildtiere, aber auch in der Kirchengemeinde und bei der Flüchtlings- und Obdachlosenhilfe. Nun ist sie dabei, an der Bergedorfer Straße ihr neues Zuhause mit ihrer Familie einzurichten – inklusive jeder Menge Wildtiere in einem Aufzuchtraum. Aufgrund ihres Engagements ist die 46-Jährige Kandidatin für den Bürgerpreis Bergedorf, den die Volksbank Bergedorf gemeinsam mit der Bergedorfer Zeitung vergibt.
Bürgerpreis Bergedorf: Nora Picka-Pamperin kümmert sich um verletzte Tiere
Aufgepäppelt werden schwache und verletzte Jungtiere, solche, die aus dem Nest gefallen oder wegen der Hitze gesprungen sind. Vögel mit Anflugtrauma, solche, die einen Unfall hatten und Katzenrisse. Häufig werden ihr an einem Tag zwei, drei Vögel – meist Schwalben, Haussperlinge, Mauersegler – gebracht, an heißen Tagen auch schon mal zehn.
„Wenn die Vogelnester sich auf 60, 70 Grad erhitzen, springt der Nachwuchs, der noch nicht fliegen kann, raus, weil er die Hitze nicht erträgt.“ Katzenrisse ärgern sie besonders: Sie machten ein Drittel des Artensterbens bei Vögeln, berichtet die Expertin. „Katzen gehören zur Brut- und Setzzeit nicht raus, doch leider sind auch dann sehr viele Hauskatzen draußen unterwegs.“
In ihrem Haus hat die Wildtierpflegerin einen Aufzuchtraum
Nora Picka-Pamperin gibt in ihrem Haus auch zwei Hunden aus dem Tierschutz ein Zuhause – Pedro, ein Zwergpinscher, und Mia, ein Podenco-Mix. „Der Aufzuchtraum ist für die beiden tabu“, sagt sie. Dort gibt es zwei Bereiche: „Aufzucht“ (Tiere werden gefüttert) und „Kindergarten“ (Tiere können allein fressen und Futter fangen). Die erste Fütterung ist um 6 Uhr, die letzte um 20 Uhr. In Kirchwerder bietet eine Voliere weiteren Unterschlupf.
Das sind die bisherigen Kandidaten:
- Kerstin Kleenworth liefert Hilfsgüter in die Ukraine
- Gabriele und Jürgen Lapp engagieren sich gegen das Vergessen
- Annette Grizivatz hilft Menschen und Tieren in Not
- Melanie Sarnow kämpft für Nachhaltigkeit in Bergedorf
- Joachim Winkel: Leben ohne Musik ist für ihn unvorstellbar
- Ute Becker-Ewe – eine Frau kämpft für Kunst und Kultur
- Heike Deutschmanns und ihre Leidenschaft für alte Höfe
- Sascha Prager ist der freundliche „Alltagshelfer mit Herz“
- Jens Wechsel: Ein Leben für den VfL Lohbrügge
- Ehepaar setzt sich mit viel Herz für Geflüchtete ein
- Peter Kröger – seit 54 gehört sein Engagement dem DRK
„Bis zu 1000 Euro kostet das Futter monatlich in der Hauptsaison von Mai bis etwa September“, sagt die Vogelexpertin. Ohne Spenden und Hilfe von Gleichgesinnten wäre das alles nicht zu schaffen. Durch beantragte Sondermittel des Bezirksamtes finanziert Nora Picka-Pamperin einen Teil der Futter- und Medikamentenkosten. „In den vergangenen fünf Jahren habe ich bis zu 1000 Euro pro Jahr bekommen.“ Den Rest ermöglichen private Spender mit Schenkungen (Paypal: nora@picka-pamperin.de, Stichwort „Wildtiere“).
Das Ziel ist es, die Tiere nach einer Zeit wieder auswildern zu können
Ihr Engagement ist auch seelisch aufreibend, denn nicht jedes Tier kann gerettet werden. Der schönste Augenblick ist für Nora Picka-Pamperin, wenn sie die Vögel wieder in die Natur entlassen kann. Denn das ist ihr Credo: Sie will die Tiere wieder wildbahntauglich machen. „Ich ziehe die Kleinen auf, immer mit möglichst wenig menschlichem Kontakt und dem Ziel, sie alsbald wieder in die Freiheit zu entlassen“, sagt die 46-Jährige. Deshalb gibt sie den Vögeln keine Namen: „Es sind meine Patienten, stets nur Mitbewohner auf Zeit. Das hilft mir, die Distanz zu wahren.“
Längst ist die Bergedorferin eine ausgewiesene Vogelexpertin und Fachfrau für Jungtieraufzucht von Wildvögeln und Kleinsäugern. „Ich nehme im Jahr rund 200 Tiere auf – Eulen, Eichhörnchen, Hasen – und behandle und pflege sie. Vergangenes Jahr waren es sogar 250, in diesem Jahr werden es 300 sein.“
Der Kontakt zu Nora Picka-Pamperin erfolgt häufig über Facebook
Die 46-Jährige engagiert sich ehrenamtlich mit ihrem Projekt „Hilfe für die Tiere in den Vier- und Marschlanden“ für Wildtiere, arbeitet mit dem Hamburger Tierschutzverein und Wildtierstationen und -pflegestellen zusammen. Alarmiert wird sie oft über Facebook-Tierschutzgruppen. Viele Tierfreunde, die ein verletztes Wildtier finden, haben von anderen Tierfreunden von der Anlaufstation in Bergedorf erfahren. Auch Tierärzte empfehlen sie.
Schon als Siebenjährige kümmerte sie sich um Vögel, die aus dem Nest gefallen waren, erzählt Nora Picka-Pamperin. Wie vielen Vögeln und anderen Wildtieren sie das Leben gerettet hat, hat sie nicht gezählt. Viel Wissen kam über die Jahre zusammen, „auch durch den Austausch mit Mitarbeitern in den Wildtierstationen“. Derzeit hat sie besonders viel zu tun, „auch weil die Vögel immer weniger Insekten zu fressen bekommen“, sagt sie.
Waschbären, Igel, Füchse und Fledermäuse sind unter den Patienten
Die Tierfreundin engagierte sich 2011 erstmalig als ehrenamtliche Helferin der Wildtierstation Hamburg/Schleswig-Holstein. Die Station hat Auswilderungsflächen bei Elmshorn. Langzeitpflegefälle bringt sie im Wildtier-Kooperationsnetzwerk der Region unter.
Längst hat sich das Engagement der Tierfreundin herumgesprochen: Häufig bekommt sie Anrufe, SMS oder E-Mails von Bekannten, die wegen eines verletzten Tieres Rat benötigen. Andere bitten Nora Picka-Pamperin darum, sich um die Möwe mit gebrochenem Bein, die aus dem Nest gefallene Schwalbe oder das von einer Katze attackierte Eichhörnchen zu kümmern. Auch Waschbären, Igel, Füchse und Fledermäuse gehörten schon zu den Patienten. Diese bringt sie dann aber zu Fachpflegestellen. Derzeit werden ihr vor allem Jungvögel und Hasen gebracht.
Viele Vögel sind entkräftet, weil sie immer weniger Insekten finden
Nicht immer heiße es: Hände weg! Denn so manches Tier benötigt durchaus Hilfe. Aber anstatt das Tier einfach einzusammeln, sollte man viel mehr genau beobachten. „So manches Elterntier kehrt wohlbehalten nach Stunden zurück, während andere Tierbabys tatsächlich verwaist oder verletzt sind. Man sollte sich am besten genau die Umstände ansehen und diese genau beschreiben.“
Immer häufiger werden ihr auch Tiere aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein gebracht. „In diesem Jahr muss ich wohl Hilfe für sie ablehnen, weil die Sondermittel aus Hamburg kommen und es einfach zu viele Tiere werden. Ich habe ja auch nur begrenzt Platz.“ Sie weiß aber Rat, wo ein Tier Hilfe bekommt. Wer Nora-Picka-Pamperin erreichen möchte, gibt ihren Namen bei Facebook ein.
Zu viele Monokulturen und Pflanzengift: Nahrung für Vögel ist oft rar
Erste Hilfe leistet sie oft selbst, etwa das Reinigen von Wunden oder des Fells oder das Aufpäppeln der Tiere mit Wasser und Elektrolyten oder Futter. Ihr stehen auch Inkubatoren (zum Aufwärmen) zur Verfügung. Sie war schon oft „mit dem Auto voller Krähen, Füchsen und Waschbären“ unterwegs zu anderen Pflegestellen. Die Spritkosten bezahlt sie aus eigener Tasche.
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Immer häufiger versorgt die Tierfreundin verunfallte, entkräftete, unterernährte Vögel. „Sie finden immer weniger Insekten. Schuld daran sind die Monokulturen und Pflanzengifte auf den Feldern.“ Deshalb werde inzwischen auch ganzjähriges Zufüttern empfohlen, berichtet Nora Picka-Pamperin. Wichtig sei jedoch, für mehr Insekten zu sorgen, etwa durch weniger Flächenversiegelung und extensivere Landwirtschaft.
Sie möchte zum Artenschutz beitragen, betont die 46-Jährige, schließlich sind viele Vogelarten vom Aussterben bedroht: „Wenn ich einen Vogel rette, dann rette ich vermutlich auch seine Nachkommen. Und wenn eine Meise überlebt, hat sie durchschnittlich zehn Nachkommen.“ Ihr Engagement für Wildtiere sei nur möglich, weil sich die Marketingreferentin ihre Arbeitszeit in Gleitzeit frei einteilen könne und oft zu Hause arbeite, so Picka-Pamperin.