Bergedorf. Die Bürgerpreiskandidatin ist Ideengeberin und „Mädchen für alles“ im Verein „Bergedorf im Wandel“. Wie alles begann.

Als sich der Verein „Bergedorf im Wandel“ im Jahr 2015 zusammenfand, war Klimaaktivistin Greta Thunberg gerade mal zwölf Jahre alt, Fridays for Future gab es noch nicht – und die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit hatten in der öffentlichen Wahrnehmung eher eine Neben- als eine Hauptrolle. „Bergedorf im Wandel“ war also ein Vorreiter bei dem Gedanken an mehr Nachhaltigkeit. Und dass der Verein bis heute im Bezirk Bergedorf schon so viel bewegt hat, ist auch ihr zu verdanken: der 31-jährigen Melanie Sarnow. Sie zieht im Verein viele Fäden, mobilisiert Gelder, entwirft Ideen und setzt sie um. Sie ist deshalb Kandidatin für den Bergedorfer Bürgerpreis, den die Volksbank Bergedorf gemeinsam mit der Bergedorfer Zeitung am 13. September verleihen wird.

Dabei ist die Lohbrüggerin, die in Neuengamme aufwuchs, gar nicht von Anfang an dabei. Und eigentlich hatte die Kindheitspädagogin, die aktuell für eine Stiftung arbeitet und zudem studiert, 2016 auch nur „eine Freizeitbeschäftigung gesucht“, wie sie sagt. „Ich habe dann einfach im Internet geguckt.“ Sie fand die noch junge Gruppe von „Bergedorf im Wandel“, und „mir hat die Idee gefallen, gemeinsam etwas zu gestalten“, sagt die 31-Jährige. Inzwischen ist sie Vorstandsmitglied des kleinen Vereins, der etwa 25 Mitglieder hat, von denen aber nicht alle aktiv mitarbeiten. „Nach und nach habe ich immer mehr Aufgaben übernommen“, erzählt Melanie Sarnow – und meint augenzwinkernd: „Irgendwie bin ich Mädchen für alles.“

Nachhaltigkeit in Bergedorf: Im Schillergarten darf jeder mal pflücken und naschen

„Bergedorf im Wandel“ ist Teil der Transition Town Initiative. Das sind Vereine und Gruppen, die sich für Umwelt und Nachhaltigkeit einsetzen – und zwar in ihrer direkten Nachbarschaft, im lokalen Umfeld. Es geht darum, die Städte in eine Zukunft zu transformieren, in der Mobilität, Verkehr und Arbeit neu und nachbarschaftlich gedacht werden. Und wo lassen sich besser Synergien finden als direkt dort, wo man wohnt?

Das Logo der Bürgerpreis-Aktion
Das Logo der Bürgerpreis-Aktion © Yang MingQi | Daniel Reichstaller

Melanie Sarnow arbeitete zunächst im Gartenprojekt mit. Die heute als Schillergarten bekannte Grünfläche direkt gegenüber dem Bille-Bad – vom Bezirksamt zur Verfügung gestellt – vereint Gemeinschafts- und Umweltgedanken. Hier wird zusammen gepflanzt, geerntet, gearbeitet. Mitmachen kann immer sonntags jeder Bergedorfer, egal ob jung oder alt, mit oder ohne Behinderung, mit oder ohne Gartenerfahrung. Und jeder, der hier vorbeispaziert, darf pflücken und ein paar der saisonalen Gartenfrüchte naschen. Das funktioniert erstaunlich gut, Vandalismus gibt es kaum, sagt sie: „Der Schillergarten ist anerkannt.“

Nachhaltigkeit in Bergedorf: Lastenräder sind ständig ausgebucht

Vier Jahre engagierte sich Melanie Sarnow im Schillergarten, der über die Zeit beständig wuchs. Inzwischen gibt es eine Kräuterspirale, einen Barfußpfad, Beete für Kinder und seit Kurzem ein Hochbeet für Rollstuhlfahrer – auch das ist eine Idee von Melanie Sarnow. „Hier schauen oft Kitas vorbei und Gruppen von der Volkshochschule“, sagt die 31-Jährige, die auch Wildkräuterführungen anbot.

Nach vier Jahren gab sie das Gartenprojekt ab. „Wir haben uns in einer kleinen Gruppe zusammengefunden und wollten das Thema Mobilität angehen“, sagt Melanie Sarnow. Was sind die Alternativen zum Auto, wie kann Mobilität in Bergedorf neu gedacht werden? Schnell war damals klar: Der Verein möchte Lastenräder für alle anschaffen. Zwei Jahre lang kämpfte er für das Projekt, Melanie Sarnow schrieb etliche Förderanträge. Mit Erfolg: Vier E-Lastenräder und einen Anhänger konnten über die Jahre erworben werden. Seit 2019 verleiht der Verein die Räder – die an der Radstation am Bahnhof, am Café Chrysander und beim Unverpackt-Laden Onkel Emma stationiert sind – kostenlos an die Bergedorfer.

Das sind die bisherigen Kandidaten:

Das Projekt ist – auch dank Rainer Schäferkordt und Jörg Trommer-Willers, wie Melanie Sarnow betont – ein riesiger Erfolg; die Räder sind meistens ausgebucht. Demnächst läuft allerdings die Förderung aus. Und da jedes Rad jährlich mit Versicherung und Reparaturen etwa 1500 Euro Kosten verursacht, hat Melanie Sarnow jetzt wieder einiges zu tun: Es gilt neue Folgeanträge zu schreiben, damit das Buchen der Lastenräder nicht kostenpflichtig werden muss. Doch die 31-Jährige ist gut darin, zu organisieren, Mails zu schreiben, Spenden zu akquirieren, Rechnungen zu bezahlen und Steuererklärungen abzugeben. „Ist ein ganz schöner Blumenstrauß“, fasst sie ihre Aufgaben zusammen. Wie viel Zeit sie dafür wöchentlich aufwendet, kann sie beim besten Willen nicht sagen. Waren es anfangs viele Tage plus Wochenende, sind es jetzt immer eingestreute Stunden, die sich allerdings summieren. „Das geht auch nur, weil ich in Teilzeit arbeite.“ Doch eine hauptamtliche Stelle für all das Organisatorische, das wäre schon schön, meint sie.

Nachhaltigkeit in Bergedorf: „letztlich ein Gemeinschaftsprojekt“

Denn es gibt ja noch viele andere Ideen. Kleinere Events wie Filmabende oder einen „Markt der Vielfalt“ hat der Verein bereits ausgerichtet. 2020, zu Beginn der Corona-Pandemie, wurde zudem im Lockdown ein Lieferdienst per Lastenrad auf die Beine gestellt. Und Melanie Sarnow würde einige Themen gern „auf die politische Ebene bringen“ – zum Beispiel Parkplätze für Lastenräder im öffentlichen Raum.

Der 31-Jährigen macht es Spaß, etwas in ihrem Umfeld zu bewegen. „Ich finde das einfach sehr sinnvoll, und es gibt mir viel zurück“, sagt sie. Und auch wenn sie vielleicht eine wichtige Konstante im Verein sei: „Letztlich ist immer alles ein Gemeinschaftsprojekt“, betont sie.