Lohbrügge. Seit 28 Jahren ist Jens Wechsel 1. Vorsitzender des VfL. Ein Grund von vielen, ihn für den Bergedorfer Bürgerpreis zu nominieren.
Was für eine Schnapsidee, früh morgens schon in die E-Mails zu gucken! Ein Einfall, den Jens Wechsel, der 1. Vorsitzende des VfL Lohbrügge, sogleich bereuen sollte. Denn dort findet sich ein Schreiben des Bezirksamts, dass es mit der erhofften Flutlichtanlage für den Rasenplatz am Binnenfeldredder nichts wird. Den Rasenstreifen, auf dem die 18 Meter hohen Masten stehen sollten, hat das Schulbauamt einfach weggeplant. Sofort steigt der Puls beim 71-Jährigen. Er verfasst eine geharnischte Antwort. „Die war vom Allerfeinsten“, schmunzelt Wechsel. Für seinen Verein zu kämpfen, das ist er seit über einem Vierteljahrhundert gewohnt. Doch es nimmt ihn mit. „Solche Briefe schon morgens vor dem Frühstück zu schreiben, schlägt mir auf den Magen“, gibt er unumwunden zu.
Seit 28 Jahren ist Jens Wechsel 1. Vorsitzender des VfL Lohbrügge, wurde gerade für weitere zwei Jahre wiedergewählt. Unter seiner Führung hat der 1300-Mitglieder-Verein eine rasante Entwicklung hingelegt. Die Sanierung der Umkleidekabinen, der neue Gebäudetrakt am Binnenfeldredder mit Sporthalle, Vereinsgaststätte, Platzwartstelle und Hausmeisterwohnung sowie der Bau des Kunstrasens auf dem alten Grandplatz – all das ist unter seiner Führung entstanden.
Bergedorfer Bürgerpreis wird zum 22. Mal verliehen
In einem Verein, bei dem das Geld nie locker saß, der nie die Mittel hatte, so etwas aus eigener Kraft zu stemmen. Bei dem jeder Euro Beitragserhöhung genau überlegt sein will. Grund genug, um Jens Wechsel als Kandidaten für den 22. Bergedorfer Bürgerpreis zu nominieren. Der wird im September gemeinsam von der Volksbank Bergedorf und unserer Zeitung vergeben.
Als junger Mann wurde er Mitglied in dem Club, der eine Leidenschaft fürs Leben werden sollte. „Ich kam damals von der Bundeswehr zurück, hatte Übergewicht“, erinnert sich Wechsel. „Ein Freund meinte: ,Versuch’s doch mal mit Fußball.’ So kam ich zum VfL Lohbrügge.“ Er blieb der Fußball-Abteilung über viele Jahrzehnte hinweg treu. Von den Unteren Herren bis zu den Supersenioren kickte er für den VfL Lohbrügge. „Ich bin Fußballer durch und durch“, sagt Wechsel über sich. „Aber mit Ende 50 habe ich gesagt: ,Jetzt ist Schluss!’ Dann kriegt man jede Menge Zerrungen und Muskelfaserrisse.“
Das sind die bisherigen Kandidaten:
Von Null auf 100 ging es in die Vollen
Als 1992 die Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen des Vereins anstanden, engagierte sich Wechsel erstmals auch ehrenamtlich im VfL. Er organisierte einen Tanzball. „Scheinbar hat das Eindruck hinterlassen“, blickt er zurück. „Jedenfalls hat man mir dann den Vorsitz angetragen.“ Es war ein für den neuen Vereinsboss typischer Vorgang: Von Null auf 100 ging es in die Vollen. Normalerweise dienen sich Vereinsvorsitzende hoch, indem sie sich ein paar Jahre als Abteilungsleiter, Kassenwart oder Vereinsvize mit den Abläufen vertraut machen. Nicht so Wechsel. Er ging gleich aufs Top-Amt los.
„Anders hätte ich es auch nicht gemacht“, gibt er freimütig zu. „Mein Motto lautet: ,Alles hört auf mein Kommando!’ Mein Stellvertreter Dietmar Lucas hat genau dasselbe Motto. Deswegen passen wir so gut zusammen. Egal, wer von uns welche Entscheidung trifft, der andere steht dazu.“
„Ich hatte mir vorgenommen, den Verein finanziell in gutes Fahrwasser zu bringen“
„Wir sind beides Alphatiere“, bestätigt Lucas (69), der seit etwa 15 Jahren mit Wechsel ein Gespann bildet. „Es ist amüsant, mit ihm zu arbeiten“, führt Lucas aus. „Wir haben nie Stress miteinander. Wir haben ein ähnliches Alter, dieselbe Art von Humor und teilen uns die Dinge gut auf. Ich bin mehr der Puppenspieler, der die Fäden zieht. Jens, der ,Präsi’, repräsentiert. Er kann fantastisch reden und die Dinge viel schöner in Worte fassen als ich.“
Nur „zwei Umdrehungen“, also zwei Amtszeiten, wollte Jens Wechsel ursprünglich im Amt bleiben, als er 1994 den VfL-Vorsitz übernahm. So hatte er es seiner Frau Angelika versprochen. „Ich hatte mir vorgenommen, den Verein finanziell in gutes Fahrwasser zu bringen“, blickt Wechsel zurück. Das hatte er bereits 1998 erreicht.
VfL-Vize Lucas: „Jens Wechsel hat das Gesicht des Vereins geprägt“
Doch nun sah er die Chance, noch viel größere Pläne für den Club zu verwirklichen. Und blieb dabei. „Damals sah es hier völlig trist aus. Ich habe gesagt: ,Ich will bauen!’“, schildert er. „Alle Mitglieder haben mich für verrückt erklärt, befürchteten Sonderzahlungen.“ Doch Wechsel schaffte es, den finanziellen Underdog aus der Hochhaus-Siedlung nach ganz oben auf die Prioritätenliste des Bergedorfer Rathauses zu setzen. Von den 1,4 Millionen Euro Baukosten für das neue Vereinszentrum musste der VfL Lohbrügge gerade mal einen Anteil von 60.000 Euro aufbringen. „Jens Wechsel hat das Gesicht des Vereins geprägt“, lobt Lucas.
So sind bis heute 28 Jahre als VfL-Vorsitzender daraus geworden. Denn in seinem tiefsten Inneren ist Jens Wechsel eine treue Seele. Dem Maschinenbauer Hauni blieb er beruflich von der Lehre bis zur Pensionierung 48 Jahre lang treu. „Ich war Haunianer, habe mit Dr. Körber (dem Firmengründer, d. Red.) eng zusammengearbeitet“, sagt er stolz.
Über die Aschenbahn zu rennen, dazu hat er keine Lust
Genauso bleibt der Macher des VfL seinem Verein weiter treu, auch wenn sich seine sportliche Betätigung nach dem Ende der Fußballzeit daheim in Kirchwerder nun auf Rasenmähen und Gartenarbeit beschränkt. „Mein Motto lautet jetzt ,No Sports’“, zitiert er lächelnd Winston Churchill. „Ich könnte ja um die Aschenbahn rennen, aber dazu habe ich keine Lust.“
Lieber konzentriert er sich auf sein Familienleben daheim in Vierlanden, wo Sohn Alexander, der einst gemeinsam mit Ex-HSV-Star Martin Harnik Fußball spielte, und Enkeltochter Philippine (1¼ Jahre) zu Besuch sind. Und kümmert sich, wann immer Zeit ist, in seinem kämpferisch-mitreißenden Stil um die Belange seines Herzensvereins. Es muss ja nicht immer schon morgens vor dem Frühstück sein.