Ermittler können nur spekulieren, was sich auf dem Computer des mutmaßlichen Kindermörders Martin N. befindet.

Stade. Die Polizei hatte sie bei der Durchsuchung seiner Hamburger Wohnung übersehen. Der mutmaßliche Kindermörder Martin N. hatte seine Festplatten unter der Dunstabzugshaube versteckt. Erst der Nachmieter fand sie und übergab die Datenträger den Ermittlern. Diese sind sich sicher, dass das sichergestellte Material brisant ist - auch wenn sie es bislang nicht einsehen können. Denn noch ist es ihnen nicht gelungen, die Passwörter zu knacken. Und es bestehen Zweifel, dass das jemals gelingt.

Auch Spezialisten konnten das gesicherte Material auf dem Computer des 41-Jährigen bislang nicht zugänglich machen. Martin N. muss sich vor dem Landgericht Stade wegen dreifachen Mordes und sexuellen Missbrauchs in 20 Fällen verantworten. Seit Monaten laufen inzwischen die Bemühungen, an die gespeicherten Daten zu gelangen. Verschlüsselungssoftware aber verhindert den Zugriff. „Wir wissen noch nicht einmal, wie viele Stellen das Passwort hat“, erläutert Kai Thomas Breas von der Staatsanwaltschaft Stade.

In einer amerikanischen Krimiserie wäre das natürlich alles kein Problem. Aber wie so oft, sieht es im wirklichen Leben anders aus. Der Computer und die Festplatten von Martin N. befinden sich zurzeit im kriminaltechnischen Institut der niedersächsischen Polizei, das auch speziell geschulte IT-Forensiker beschäftigt. Nach Angaben von Breas wurden außerdem zwei Informatik-Professoren hinzugezogen. Mit deren Hilfe sei es gelungen, die Schlagzahl der Decodiersoftware von 90 Passwörter pro Sekunde auf 125 000 zu erhöhen.

Doch die Aussichten sind nicht sehr gut. „Wenn eine starke Verschlüsselungssoftware und ein ausreichend langes, nicht erratbares Passwort verwendet wird, dann könnten alle Versuche vergeblich sein“, erläutert der Bremer Mathematik-Professor Michael Hortmann, dessen Spezialgebiet Kryptographie ist – also die Wissenschaft der Verschlüsselung.

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Ein 16 Zeichen langes Passwort, das neben Buchstaben auch Zahlen und Sonderzeichen enthält, stellt schon eine Herausforderung dar. Die Kombinationsmöglichkeiten sind einfach zu vielfältig.

Moderne Verschlüsselungssoftware erhöht zudem die Schwierigkeit. So nutzen Hersteller wie Abelssoft in Ganderkesee bei Bremen ein Verfahren, bei dem das Passwort Teil der Verschlüsselung ist. Selbst die Programmierer der Software können diesen Schutz dann nicht mehr umgehen. „Dies ist leider auch das Problem bei Kriminalfällen, da es keinen Generalschlüssel geben kann“, sagt Geschäftsführer Sven Abels.

Natürlich gibt es auch Schwachstellen in der Software, doch die Komplexität macht diese trotzdem nahezu unknackbar. Das veranschaulicht Abels an folgendem Beispiel: Eine Billion Computer, von denen jeder eine Billion Schlüssel pro Sekunde ausprobiert, müssten bei 128 gesicherten Dateien noch immer fast drei Millionen Jahre rechnen.

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„Der einzige Schwachpunkt bei der Verschlüsselung ist der Mensch selbst“, sagt der Leiter der IT-Forensik beim Bremer Landeskriminalamt, Lonio Kuzyk. Eine lange Buchstaben- und Zahlenkombination, die keinen Sinn enthält, können sich die wenigsten merken. Also verwenden sie zum Beispiel den Namen der Ehefrau und das Hochzeitsdatum. Beliebt ist auch der Notizzettel unter der Tastatur.

Der Prozess gegen den als „Maskenmann“ bekanntgewordenen Pädagogen geht an diesem Mittwoch weiter. Die Staatsanwaltschaft bereitet bereits ihr Plädoyer vor. Dass sie eine lebenslange Haftstrafe fordern wird, halten Prozessbeobachter für wahrscheinlich.

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Drei Morde an kleinen Jungen und mehrere Missbrauchsfälle hat Martin N. gestanden. Die Ermittler gehen aber davon aus, dass zwei weitere Morde auf sein Konto gehen. Nur nachweisen können sie es ihm nicht. Vielleicht finden sich die fehlenden Beweise auf dem Computer oder den Festplatten des Verdächtigen – vorausgesetzt diese werden irgendwann geknackt. Dann könnte Martin N. erneut vor Gericht stehen. (dpa/abendblatt.de)